Dimitri Donskoi

Auch hier gibt es verschiedene Schreibweisen, die wir hier außer Acht lassen können. P.R.

Dimitri Donskoi war von 1359 bis 1389 Großfürst von Moskau und Wladimir. Aufgrund seines 1380 errungen Sieges über die Goldene Horde in der Schlacht auf dem Kulikowo Pole nahe dem Don gilt er in Russland heute noch als Nationalheld und wurde von der Russisch-Orthodoxen Kirche heiliggesprochen.

Geboren: 20. Oktober 1350, Moskau, Russland                                                                                        Verstorben: 27. Mai 1389, Moskau Russland

Entnommen aus Vorschau für Wikipedia-Beitrag

Ausführliches siehe Wikipedia und den entsprechenden Abschnitt in dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1 „Die Vergangenheit des Sowjetlandes“ aus dem Jahre 1947.

Dimitri Donskoi
Bildquelle: Von Unknown. Died over 100 years ago – http://www.voskres.ru/army/spirit/kulitschkin.htm, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1582870

Erinnerung in Russland:

Dmitri Donskoi ist in der russischen Geschichtsschreibung als ein positiver tatkräftiger Herrscher eingegangen, der vor allem mit dem Sieg in der Schlacht bei Kulikowo assoziiert wird. Obwohl es 1382 zu einer erneuten Plünderung Moskaus durch die Goldene Horde und einer Wiederaufnahme der Tributzahlungen kam, wird hervorgehoben, dass der Sieg eine immense psychologische Bedeutung hatte, da er den Mythos von der Unbesiegbarkeit der Mongolen zerstörte und die politische Einheit der russischen Fürstentümer als notwendige Bedingung für die Befreiung aufzeigte. Dmitri Donskoi war der erste Großfürst, der den Großfürstentitel an seinen Sohn vererbte, ohne eine Erlaubnis des Khans zu erfragen. Die Goldene Horde war nicht mehr imstande, die Machtverhältnisse innerhalb Russlands zu ihren Gunsten zu strukturieren und musste in der Folgezeit zusehen, wie das Großfürstentum Moskau immer stärker wurde.

Nach dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion 1941 rüstete die Russisch-Orthodoxe Kirche „auf ihre Kosten eine Panzerkolonne aus, die den Namen ‚Dimitri Donskoi‘ erhielt.“[2]1988 wurde er heiliggesprochen.

2002 wurde der Orden „Für den Dienst am Vaterland“ zur Erinnerung an Fürst Dmitrij Donskoj und den ehrwürdigen Abt Sergius von Radonesch gestiftet. Ferner sind in Moskau der Dmitrij-Donskoi-Boulevard und die gleichnamige Metrostration der Serpuchowsko-Timirjasewskaja Linie nach dem Fürsten benannt. Ebenso tragen zwei russische Kriegsschiffe seinen Namen, und zwar ein Panzerkreuzer und der strategische U-Kreuzer TK-208.

Entnommen Wikipedia, bearbeitet von Petra Reichel

Die Sicht auf Alexander Newski im Wandel der Zeit

Vorweg: Es gibt verschiedene Schreibweisen: Alexander Newski oder Alexander Newskij. Ich entnehme die der jeweiligen Quelle. P.R.

Alexander Newski war Fürst von Nowgorod und Großfürst von Wladimir.  Er gewann 1240 und 1242 Schlachten gegen Schweden und den Deutschen Orden.  Außerdem verehrt ihn die Russische Orthodoxe Kirche als Heiligen.

Bereits am 23. Juni 2014 unterschrieb der russische Präsident Wladimir Putin einen Erlass, in dem er die russische Regierung mit der Planung eines Jubiläums im Jahr 2021 beauftragte.

Wer war Alexander Newski?

Alexander Newskij 1218 bis 1263 (Nach einem Gemälde von P. Korin)
Entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1 „Die Vergangenheit des Sowjetlandes“ aus dem Jahre 1947

Alexander Jaroslawitsch, der nach seinem Sieg über die Schweden in der Schlacht an der Newa im Jahr 1240 den Beinamen „Newski“ erhielt, wurde im Jahr 1220 (oder 1221) als Sohn des Rjurikiden-Fürsten Jaroslaw Wsewolodowitsch (1191-1246) geboren. Alexanders Geburtsjahr fällt in eine Zeit, die von Historikern als „Zeit der Teilfürstentümer (Udelnaja Rus)“ bezeichnet wird. Der Glanz des Kiewer Reiches war in diesen Jahren bereits verblasst. Teilfürsten rangen um dessen Erbe und um den Führungsanspruch innerhalb des „russischen Landes (russkaja semlja)“. Im Streit um den Großfürsten- und Metropolitensitz setzte sich zunächst das Fürstentum Wladimir-Susdal gegen konkurrierende Ansprüche durch. Als Großfürst von Wladimir-Susdal stieg Alexanders Vater Jaroslaw im Jahr 1238 zum formal mächtigsten Fürsten des russischen Landes auf. Seit 1215 hatte Jaroslaw Wsewolodowitsch bereits mehrfach auch das Amt des Wahlfürsten von Nowgorod bekleidet, jener reichen Stadtrepublik im nördlichen Russland, die innerhalb der russkaja semlja eine eigene oligarchisch-demokratische Verfassungstradition entwickelt hatte. Seit dem 12. Jahrhundert pflegten die Mächtigen von Nowgorod den eigenen Fürsten durch eine städtische Volksversammlung (wetsche) wählen zu lassen und diesen in einem Vertrag auf die Respektierung der „völligen Nowgoroder Freiheit“ zu verpflichten. Jaroslaw ließ sich als Wahlfürst gelegentlich auch von seinen Söhnen vertreten. Im Jahr 1236 setzte er seinen fünfzehnjährigen Sohn Alexander als Statthalter in der Stadtrepublik ein.

Die Regentschaft Alexander Jaroslawitschs als Fürst von Nowgorod fiel in eine außenpolitisch turbulente Zeit. In den Jahren 1237 bis 1240 unterwarfen die Mongolen bis auf Nowgorod alle russischen Teilfürstentümer unter ihre Tributherrschaft. Warum Nowgorod zunächst das Schicksal der Eroberung erspart blieb, ist in der Forschung umstritten. Möglicherweise wurden die Krieger vom einsetzenden Tauwetter gehindert, weiter nach Norden vorzustoßen. Akute Gefahr drohte der Handelsrepublik in diesen Jahren weniger von Seiten der Mongolen als von den katholischen Nachbarn im Norden und Westen. Im Sommer 1240 stießen Verbände des schwedischen Königs Erik Erikson auf Nowgoroder Herrschaftsgebiet vor. Im Mündungsdelta der Newa, dort, wo Peter der Große Jahrhunderte später die Stadt St. Petersburg gründen sollte, wurde das schwedische Heer jedoch am 15. Juli 1240 von einem Aufgebot unter der Führung Alexander Jaroslawitschs in die Flucht geschlagen.

Ungeklärt ist die Frage, ob der schwedische König mit seinem Angriff den Aufforderungen Papst Gregors IX. (1227-1241) gefolgt war, der mehrfach zu Kreuzzügen gegen die heidnischen und schismatischen Völker im nördlichen und nordöstlichen Europa aufgerufen hatte. Für die These eines koordinierten päpstlichen Angriffsplans gegen die orthodoxen Christen von Nowgorod scheint zu sprechen, dass man in Rom Kunde von der Schwächung der russischen Fürstentümer durch den Angriff der Mongolen hatte und dass kurz nach dem schwedischen Vorstoß im Jahr 1240 mit dem Deutschen Orden eine weitere katholische Streitmacht versuchte, die eigene Macht auf Kosten Nowgorods auszudehnen. Kritiker der These von der westlichen Verschwörung führen ins Feld, dass das katholische Lager in diesen Jahren tief zerstritten gewesen sei und dass sich weder Schweden noch der Deutsche Orden zu Erfüllungsgehilfen päpstlicher Machtphantasien machen lassen wollten.

Bereits im September 1240 stießen Ritter des seit 1237 mit dem Livländischen Schwertritterorden vereinigten Ordo Teutonicus auf russisches Gebiet vor. Gemeinsam mit Verbänden des Bischofs von Dorpat sowie estnischen Vasallen des dänischen Königs eroberte die Bruderschaft zunächst die Grenzfestung Isborsk und nahm wenig später die Stadt Pskow ein. Als Anfang 1241 die ersten Ritter vor den Toren Nowgorods gesichtet wurden, suchte die Stadt bei Großfürst Jaroslaw Wsewolodowitsch um militärische Hilfe an. Fürst Alexander weilte zu dieser Zeit nicht in der Stadt, weil es nach seinem Sieg über die Schweden zum Zerwürfnis zwischen ihm und den Nowgoroder Oligarchen gekommen war. Angesichts der erneuten Bedrohung der Stadtrepublik ließ er sich jedoch zur Rückkehr bewegen und zog gemeinsam mit seinem Bruder und einem Nowgoroder Aufgebot gegen den Ritterorden ins Feld. Am 5. April 1242 kam es auf dem zugefrorenen Peipus-See zum entscheidenden Sieg Alexander Newskis über die Ordensritter. Was sich genau in dieser legendären Schlacht auf dem Eis zugetragen hat, entzieht sich leider unserer Kenntnis. Bereits auf die Frage nach dem Ausmaß der Auseinandersetzung erhält man aus den Quellen widersprüchliche Antworten. Während die Livländische Reimchronik von zwanzig gefallenen und sechs gefangenen Ordensrittern berichtet, beziffert die Erste Nowgoroder Chronik die Verluste des Feindes auf vierhundert Tote und fünfzig Gefangene. In der sowjetischen Historiografie wurde meist darauf hingewiesen, dass mit dem russischen Sieg von 1242 der Verlauf der livländisch-russischen bzw. lateinisch-orthodoxen Grenze des Mittelalters festgelegt worden sei. Tatsächlich kam es in dieser Region jedoch auch in den Folgejahren immer wieder zu Grenzkonflikten.

Nach seinem Sieg über den Deutschen Orden konnte der Held von der Newa seine Machtposition in Nowgorod offensichtlich weiter ausbauen. Selbstbewusst wies er im Jahr 1248 das Angebot von Papst Innozenz IV. (1243-1254) zurück, sich zum „Illustris Rex Novogardi“ krönen zu lassen. Seine standhafte Weigerung, sich durch solch verlockende Angebote ins katholische Lager ziehen zu lassen, rechnet ihm die ROK bis heute hoch an. Seither gilt Alexander nicht nur als Verteidiger des russischen Landes, sondern auch des orthodoxen Glaubens.

Nach dem Tod seines Vaters wurde Alexander im Jahr 1248 vom Großchan der Goldenen Horde mit der Herrschaft über „Kiew und das ganze russische Land“ betraut, während sein Bruder Andrei die Nachfolge als Großfürst von Wladimir antreten durfte. Vier Jahre später rückte Alexander selbst zum Großfürsten auf. Nicht nur Alexander profitierte von dem neuen Herrschertitel, den er 1252 in Sarai, dem Sitz der Goldenen Horde, erhielt. Auch den Mongolen war der mächtige Fürst von Nowgorod von großem Nutzen, schließlich gelang es ihm 1259 mit massivem militärischem Druck, die Tributpflicht der Mongolen auch in der reichen Handelsrepublik durchzusetzen.

Alexander Jaroslawitsch starb am 14. November 1263 in Gorodez an der Wolga auf dem Rückweg von der Goldenen Horde nach Wladimir. In Sarai hatte er sich den Chroniken zufolge darum bemüht, die Mongolen von Strafexpeditionen gegen rebellische Städte des russischen Landes abzuhalten. Kurz vor seinem Tod legte der Fürst nach damaliger Sitte das Mönchsgelübde ab, weshalb er auf den ältesten Heiligenbildern seiner Person aus dem 16. Jahrhundert im Habit eines orthodoxen Mönches zu sehen ist. In einem Grab im Mariä-Geburts-Kloster von Wladimir fand Alexander als Mönch Alexi am 23. November 1263 vorerst seine letzte Ruhe.


Die Sicht auf Alexander Newski im Wandel der Zeit

Die Karriere Alexander Newskis zu einem der wichtigsten russischen Nationalhelden war Ende des 13. Jahrhunderts noch nicht absehbar. Zunächst wurde die Erinnerung an seine Person von den Mönchen des Mariä-Geburts-Klosters in Wladimir gepflegt, in dessen Mauern sich sein Grab befand und wo Ende des 13. Jahrhunderts vermutlich auch die Urfassung seiner Heiligen-Vita entstand. In diesem Text, der in den folgenden Jahrhunderten vielfach kopiert, erweitert und umgeschrieben wurde, tritt uns Alexander als heiliger und rechtgläubiger Herrscher entgegen, der sich besondere Verdienste um den Schutz des russischen Landes und orthodoxen Glaubens erworben hatte. Anfangs war er ein klassischer Lokalheiliger, der vor allem am Ort seines Grabes, später auch in Nowgorod, als Schutzpatron verehrt wurde. Seine offizielle Kanonisierung durch die Russisch-Orthodoxe Kirche erfolgte erst im Jahr 1547 unter der Regentschaft von Zar Iwan IV.. Alexander Newski wurde in dieser Zeit als großer Wundertäter und als Schirmherr des russischen Landes bzw. himmlischer Helfer der Zaren im Kampf gegen äußere Feinde verehrt.

Eine deutliche Zäsur in der Erinnerungsgeschichte Alexander Newskis markiert die Regierungszeit Peters des Großen (1682-1725). Der erste russländische Imperator ließ die Gebeine des Fürsten 1723/24 von Wladimir in die neu gegründete Residenzstadt St. Petersburg verlegen, gründete dort ein prächtiges Alexander-Newski-Kloster und erkor den Heiligen zum Schutzpatron der neuen Hauptstadt und des ganzen Reiches. Es waren vor allem die Verdienste Alexanders im Kampf gegen die Schweden, die Peter I. bewogen, den Helden von der Newa symbolisch derart aufzuwerten. Nach seinem eigenen Triumph über König Karl XII. im Großen Nordischen Krieg beabsichtigte Peter, seinen eigenen Ruhm mit dem seines Vorfahren zu verschmelzen und dadurch zu vergrößern. Peter befahl den, Festtag des Heiligen im orthodoxen Kirchenkalender vom 23. November auf den 30. August, d. h. auf jenen Tag zu verlegen, an dem er selbst 1721 den Friedensvertrag mit Schweden unterzeichnet hatte. Am neuen Feiertag sollte von nun an sowohl an Peters Sieg im Nordischen Krieg als auch an die translatio der Reliquien Alexanders nach St. Petersburg erinnert werden. Zudem befahl der Imperator, der Heilige dürfe in Zukunft auf Ikonen nicht mehr als weltabgewandter Mönch, sondern nur noch im fürstlichen Ornat, das heißt als würdiger Urahn des allrussländischen Kaisers dargestellt werden.

Der heilige Fürst wurde in dieser Zeit vor allem aufgrund seiner Verdienste im Kampf gegen die Schweden, wegen seiner antikatholischen Haltung und seiner umsichtigen Mongolenpolitik verehrt. Es dauerte bis zum Ersten Weltkrieg, bis sich in Russland erste Versuche beobachten lassen, den Heiligen für die patriotische Mobilisierung gegen den deutschen Feind zu instrumentalisieren. Während des Krieges schmückte Alexander Newski als Reiterfigur patriotische Postkarten und Volksbilderbögen (lubki). Diese Beispiele antideutscher Propaganda können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Instrumentalisierung des mittelalterlichen Fürsten in den Jahren 1914-1917 noch bei weitem schwächer war als während des Großen Vaterländischen Krieges (1941-1945).

Nach der Machtübernahme durch die Bolschewiki im Jahre 1917 brach für den heiligen Alexander in Russland zunächst eine Zeit der Verdrängung und des Vergessens an. Wie andere Herrscher der vorrevolutionären Zeit wurde er aus den Geschichtsbüchern des neuen, sozialistischen Russlands verbannt.

Mitte der 1930er Jahre besann man sich darauf, dass man die Geschichte eines Landes mit einem Systemwechsel nicht einfach „wegrasieren“ kann. Auch in der sowjetischen Propaganda wurde Alexander Newski als genialer Feldherr und militärischer Stratege gefeiert.

Nach dem deutschen Überfall auf die UdSSR im Sommer 1941 wurde Alexander Newski zu einem der wichtigsten historischen Vorbilder des antifaschistischen Abwehrkampfes aufgebaut. Josef Stalin beschwor in seiner berühmten Rede auf dem Roten Platz am 7. November 1941, die Rotarmisten sollten sich in ihrem Kampf vom Geiste Alexander Newskis leiten lassen. Seit 1942 wurden besonders tapfere Befehlshaber der Roten Armee mit dem sowjetischen Alexander-Newski-Orden ausgezeichnet.

Auch nach dem „Großen Vaterländischen Krieg“ wurde in der UdSSR an Alexander Newski als militärischer und politischer Führer erinnert, dessen Verdienste in erster Linie in der erfolgreichen Abwehr westlicher Mächte gegen die mittelalterliche Rus gesehen wurden. Die Siege des Nowgoroder Fürsten von 1240 und 1242 zählten zu den wichtigsten historischen Daten der eigenen Geschichte, die jedes sowjetische Schulkind kennen sollte.

Mit dem Antritt von Michail Gorbatschow im Jahre 1985 und der von ihm initiierten Perestroika und Glasnost erlebte die Erinnerung an Alexander Newski eine neue Phase der Pluralisierung. Im Sommer 1989 konnte die Russisch-Orthodoxe Kirche die Rückführung der Reliquien des Heiligen in das von ihm geweihte Kloster in St. Petersburg feiern. Damit wurde die Resakarlisierung der Erinnerung an den Fürsten aus dem 13. Jahrhundert in Russland eingeläutet. Bei der Verwaltung des Erbes des heiligen Alexander spricht die orthodoxe Kirche heute wieder ein gewichtiges Wort mit.

 Seit dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 lässt sich in Russland ein wahrer Boom der Erinnerung an den Heerführer aus dem 13. Jahrhundert beobachten. In zahlreichen Städten wurden dem Fürsten neue Denkmäler errichtet, der russische Buchmarkt erlebte eine regelrechte Flut neuer und wiederaufgelegter Publikationen über den Helden von der Newa, 2008 kam der Blockbuster „Alexander. Schlacht an der Newa“ in die russischen Kinos, in der Newski dem Publikum als ein mittelalterlicher Silvester Stallone vorgestellt wird. Im gleichen Jahr wurde der Held aus dem 13. Jahrhundert vom Publikum einer russischen TV-Show zur wichtigsten Persönlichkeit der russischen Geschichte gekürt.

 Seit dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 lässt sich in Russland ein wahrer Boom der Erinnerung an den Heerführer aus dem 13. Jahrhundert beobachten. In zahlreichen Städten wurden dem Fürsten neue Denkmäler errichtet, der russische Buchmarkt erlebte eine regelrechte Flut neuer und wiederaufgelegter Publikationen über den Helden von der Newa, 2008 kam der Blockbuster „Alexander. Schlacht an der Newa“ in die russischen Kinos, in der Newski dem Publikum als ein mittelalterlicher Silvester Stallone vorgestellt wird. Im gleichen Jahr wurde der Held aus dem 13. Jahrhundert vom Publikum einer russischen TV-Show zur wichtigsten Persönlichkeit der russischen Geschichte gekürt.

Im heutigen Russland eignet sich Alexander Newski aus mehreren Gründen als nationale Identifikationsfigur.  Er ist eine historische Persönlichkeit im Wandel der Zeit und der politischen und gesellschaftlichen Systeme. In jedem System ist Alexander Newski als Held und Vorbild gesehen worden. Newkis Biografie lässt sich auch heute in die Erzählung über die ruhmreichen Kapitel der russischen Militärgeschichte einfügen, die seit den 2000er Jahren ein wichtiges Fundament der patriotischen Erziehung der Jugend bildet.

Nur an wenigen Orten, wie dem „Jelzin-Zentrum“ in Jekaterinburg, wird Alexander Newski anders gesehen. Nun ja, was will man von einem Jelzin-Zentrum anderes erwarten?

Egal wie Alexander Newski gesehen wird, ohne sein Wirken in der Geschichte wäre das spätere Russland nie entstanden.

Siehe auch den entsprechenden Abschnitt im Buch „Das Sowjetland“, Band 1 „Die Vergangenheit des Sowjetlandes“ aus dem Jahre 1947.

 

Entnommen aus „Ost-West – Europäische Perspektiven“, bearbeitet von Petra Reichel

Der Kampf mit den Deutschen, Schweden und Tataren im 13. Und 14. Jahrhundert. Alexander Newskij und Dimitrij Donskoj 

1. Der Einfall der Mongolo-Tataren in Rusj

Das Kiewer Rusj, aufgeteilt in eine Reihe von Lehensfürstentümern, die sich untereinander befeindeten, war nicht imstande, den äußeren Feinden Widerstand zu leisten. Vom Westen her rückten die Deutschen, die Schweden, die Ungarn vor. Vom Südosten her fielen Polowzer aus den Steppen am Kaspischen und am Schwarzen Meer in die russischen Gebiete ein. Sie überfielen die bäuerlichen Siedlungen und schickten Scharen von russischen Gefangenen in die Polowezer Steppen und von dort aus auf die Sklavenmärkte des Ostens.

Nicht selten verabredeten sich die Fürsten selbst mit den Polowzern und verwüsteten mit ihnen gemeinsam die Ländereien ihrer Nachbarn. Die Städte und Dörfer des Dnjeprgebietes wurden entvölkert. Auch die Verlegung der Welthandelsstraßen brachte der wirtschaftlichen Entwicklung des Kiewer Rusj ernsthaften Schaden. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts begann der alte Wasserweg, der durch die Gebiete der Ostslawen hindurchführte und die Ostsee mit dem Schwarzen Meer verband, in Verfall zu geraten. Die fremdländischen Kauflaute brachten jetzt ihre Waren über das Mittelmeer nach dem Osten und zurück.

Ein trauriges Bild der Verwüstung des russischen Landes zeichnet ein unbekannter Verfasser am Ende des 12. Jahrhunderts in seinem Lied „Die Mär vom Heereszuge Igors“. „Damals kam das Leben der Menschen in den Zwistigkeiten der Fürsten um“, schreibt er, „damals war über der russischen Erde nur selten der Ruf des Pflügers zu hören, aber oft krächzten die Krähen über den Leichnamen der Erschlagenen, oft kreischten die Dohlen, die sich auf die Beute herabstürzten.“ Der Dichter beschreibt den Kriegszug der Nowgorod-Sewersker Fürsten mit dem Fürsten Igor Swjatoslawitsch an der Spitze gegen die Polowzer im Jahre 1185. In der erbitterten Schlacht wurde Igors Kriegsgefolge vernichtet, er selbst jedoch gefangengenommen.

Der Verfasser der „Mär vom Heereszug Igors“ ist ein glühender Patriot. Sein Gedicht ist von Vaterlandsliebe und vom Schmerz über dessen Unglück durchdrungen. In seinem Poem erklingt der Ruf nach Einigung des gesamten russischen Volkes.

Marx schreib, dass der Sinn des Gedichtes der Aufruf an die russischen Fürsten zur Einigung gerade vor dem Einfall der Mongolen gewesen war.

Die Mongolen oder die Tataren, wie die Russen sie nannten, waren ein Nomadenvolk, das seit alters her in den Steppen Zentralasiens nördlich von China lebte. Unter der Leitung ihres Anführers Dschingis-Khan bildeten die Mongolen eine gewaltige Kriegsmacht.

Die Mongolen waren berühmt durch treffsicheres Bogenschießen und waren gute Reiter. Sie trugen Helme und Panzer aus dickem Leder sowie mit Leder bezogene Schilde. Für die Belagerung von Städten verwendeten die Mongolen mauerbrechende Geräte – die sogenannten Widder (Tarany), die aus schweren Schwebebalken bestanden. Um in die belagerten Städte Steine und brennendes Naphtha zu werfen, gebrauchten sie besondere Wurfgeräte. Dschingis-Khans Krieger kannten kein Mitleid, keine Gnade gegenüber den Unterjochten. Dort, wo sie durchgezogen waren, blieben nur Brandstätten und Berge von Leichen zurück. Die Mongolen machten die Gefangen zu Sklaven. Ihre Feinde besiegten sie nicht nur mit militärischer Kraft, sondern auch mit List und Tücke.

Dschingis-Khan träumte von gewaltigen Eroberungen und der Weltherrschaft. Auf einem Siegel waren die Worte eingraviert: „Siegel des Beherrschers der Menschheit“. In kurzer Frist eroberte Dschingis-Khan Nordchina, ganz Mittelasien, Persien, den Kaukasus und rückte in die südlichen Steppen von Osteuropa vor. Die Polowezer Khane wandten sich an die russischen Fürsten um Hilfe: „Wenn ihr uns nicht helft“, sagten sie, „werden wir heute geschlagen, aber ihr morgen.“

Im Jahre 1223 zogen die russischen Fürsten gemeinsam mit den Polowzern gegen die Mongolen.

Aber unter den russischen Fürsten herrschte keine Eintracht. Die Tataren lockten die russischen Fürsten in die Steppe und schlugen am Ufer des Kalkaflusses, der in das Asowsche Meer mündet, zuerst die Polowzer, fielen dann aber über die vereinzelten russischen Abteilungen her und vernichteten sie in erbitterten Kämpfen.

Nach dem Sieg an der Kalka zogen sich die Mongolen wieder nach Asien zurück. Einige Jahre nach der Schlacht an der Kalka starb Dschingis-Kahn. Sein Reich hatte er unter seine Söhne und Enkel aufgeteilt. Seinem Enkel Batu hatte Dschingis-Khan sämtliche westlichen Länder vererbt. Batu machte sich mit einem großen Heer durch die kaspischen Steppen zur Eroberung von Osteuropa auf. Am Ende des Jahres 1237 fiel er in das Gebiet des Fürstentums Rjasan ein. Tapfer fingen die Rjasaner den ersten Schlag auf. Sechs Tage haben sie sich – nach der Sage- „so kräftig geschlagen, dass sogar die Erde unter ihnen gestöhnt hat“. Aber die tatarischen Kriegsscharen waren zu stark. Die Rjasaner „tranken den bitteren Todeskelch bis zur Neige und fielen dort alle gemeinsam“.

Die Legende berichtet, dass der Rjasaner Fürst Ewpatij Kolowrat, als er die mit den Leichen russischer Menschen bedeckte Erde seines Heimatlandes gesehen hatte, in der Umgebung der Stadt kühne Männer um sich versammelt und sich in den Kampf der Tataren gestürzt habe.

Lange Zeit konnten die Tataren nicht mit Ewaptijs Kriegsgefolge fertig werden. Erst, nachdem sie etwa 100 Wurfgeräte auf Schlitten gestellt und die Rjasaner mit Steinen und Pfeilen überschüttet hatten, gelang es den Tataren, Kolowrats Kriegsgefolge zu vernichten.

Das russische Volk leistete dem Tatareneinfall heldenmütigen Widerstand, aber die durch innere Fehden voneinander getrennten und geschwächten Fürstentümer konnten dem Druck der machtvollen tatarischen Horde nicht widerstehen.

Im folgenden Jahr, 1238, erstürmten und zerstörten die Tataren die Stadt Wladimir und vierzehn andere Städte des Landes Susdal. Moskau, das damals noch eine kleine und unbedeutende Stadt war, hatten die Tataren schon früher eingenommen. Batu wollte noch weiter nach Norden, in das Nowgoroder Land vordringen, aber Nowgorod war durch undurchdringliche Wälder und Sümpfe geschützt, und Batu kehrte in die Wolgasteppen zurück.

Auf dem Wege nach Süden leisteten viele russische Städte den tatarischen Eroberern hartnäckigen Widerstand. Unter ihnen wurde besonders die Stadt Koselsk durch ihren heldenmütigen Widerstand bekannt. Nach sieben Wochen des Kampfes fielen sämtliche Verteidiger von Koselsk. Die am Leben gebliebenen Frauen und Kinder befahlt Batu zu töten. Die Tataren nannten Koselsk eine „böse Stadt“.

Im Jahre 1240 rückten gewaltige Kriegsscharen der Tataren gegen Kiew vor und belagerten es. Batu bot den Einwohnern von Kiew an, sich kampflos zu ergeben, erhielt jedoch eine Absage. Die Tataren begannen, die Stadt Tag und Nacht mit Mauerbrechern zu zertrümmern, bis die Festungsmauer durchstoßen worden war, Kiew – die Mutter der russischen Städte- wurde in einen Trümmerhaufen verwandelt.

2. Die Vernichtung der schwedischen Eroberer und der deutschen Ritter durch Alexander Newskij

Das russische Land hatte den wuchtigen Schlag der mongolo-tatarischen Eroberer aufgefangen und damit Europa vor dem Tatareneinbruch gerettet. Jedoch in Westeuropa rüstete sich gegen das russische Volk eine neue Kriegsmacht, die nicht weniger gefährlich und grausam war: das Heer der deutschen Ritter. Mit Ritter bezeichnete man die bewaffneten adligen Grundbesitzer.

Im Altertum war mehr als die Hälfte des jetzigen Deutschlands von Slawen besiedelt. Dort, wo sich jetzt die Hauptstadt Deutschlands, Berlin, befindet, wohnten Slawen. Die deutsche Stadt Leipzig war früher slawisch und hieß Lipezk. Das Land Pommern hieß früher auf slawisch Pomorje (Küstengebiet). Die slawischen Ansiedlungen reichten bis jenseits des Flusses Laba oder, wie man ihn heute nennt: der Elbe.

Die westlichen Slawen waren ein Kulturvolk. Sie besaßen große Handelsstädte, wie z.B. Stargrad (von den Deutschen Oldenburg genannt), Schtschetin (deutsch Stettin) und andere. Bei den Westslawen blühten Handwerk und Ackerbau. Aber die slawischen Stämme waren voneinander getrennt und daher schwach. Sie hatten keinen einheitlichen starken Staat. Die deutschen Stämme machten sich das zunutze, die schickten sich an, die Slawen auszurotten und sich ihres Gebietes zu bemächtigen.

Vom 13. Jahrhundert an begann die Unterjochung auch der baltischen Stämme, der Preußen, Liven, Letten und Esten. In dieses Land, das reich an Pelztieren, Fischen und Honig war, kamen anfangs die deutschen Kaufleute, ihnen folgten die katholischen Geistlichen und schließlich die deutschen Ritter.

Im Jahre 1201 bauten die Deutschen an der Mündung der westlichen Düna die Stadt und später die Festung Riga, die ihr Stützpunkt für die Unterwerfung der baltischen und slawischen Stämme wurde.

Um die baltischen Stämme endgültig zu unterjochen, schlossen sich die deutschen Ritter im Jahre 1237 im Schwertbruderorden zusammen. Die Ritter dieses Ordens trugen einen weißen Mantel mit der Abbildung des Kreuzes und Schwertes (im Mittelalter bezeichnete man mit Orden eine militärisch-mönchische Bruderschaft). Dieser deutsche Orden, der sich im Baltikum festgesetzt hatte, begann nun, nach Osten in die russischen Gebiete weiter vorzudringen.

Als Batus Heerscharen nach Rusj vorrückten, beschlossen die Deutschen, dessen schwierige Lage auszunutzen, und begannen die von ihnen längst ausgedachten Pläne der Unterjochung der nordwestlichen russischen Gebiete, besonders von Pskow und Nowgorod, zu verwirklichen. Der römische Paps hatte den deutschen Rittern schon im Voraus seinen Segen erteilt und ihnen ihre Sünden vergeben. Gegen Rusj wurde ein Kreuzzug erklärt. Als Vorwand hierfür wurde die Unterstützung zum Anlass genommen, die Nowgorod den von den deutschen Rittern bedrängten Esten und Liven gewährt hatte. Die Eröffnung des Kreuzzuges gegen Nowgorod hatte der Papst dem schwedischen Regenten Birger übertragen. Ihm sollte Dänemark zu Hilfe kommen, dem man dafür einen Teil von Estland versprach. Die deutschen Ritter selbst planten einen Schlag gegen Pskow.

Alexander, der Fürst von Nowgorod, erkannte wohl die Gefahr, die Nowgorod und ganz Rusj drohte. Das schwedische Heer, mit Birger als Feldherr an der Spitze, galt als unbesiegbar. In Birgers Armee befanden sich auch Finnen, Norweger und deutsche Ritter. Sie waren gut bewaffnet und von ihrer Unbesiegbarkeit überzeugt.

Im Sommer des Jahres 1240 führte Birger seine Truppen zur Newamündung, dorthin, wo die Ishora in die einmündet. Die schwedischen Gesandten übermittelten Alexander die hochmütigen Worte Birgers: „Wenn Du kannst, so leiste Widerstand! Wisse, ich bin gekommen und werde Deine Gebiete in Besitz nehmen.“

Als Alexander dies vernommen hatte, „entflammte sein Herz“, wie die Erzählung berichtet, „vor Wut“, und er erließ einen Aufruf an die Nowgoroder: „Lasst uns die russische Erde verteidigen!“

Auf Alexanders Befehl fuhren einige seiner Abteilungen in Booten den Wolchow hinauf, während andere zu Pferde und zu Fuß heimlich am Newa-Ufer entlang vorrückten. Am Morgen des 15. Juli 1240, als der Morgennebel noch die Ufer der Newa bedeckte, schlugen Alexanders Mannen mit Ungestüm auf das Zentrum des schwedischen Lagers los. Die Schweden, die keinen Angriff erwartet hatten, schliefen ruhig und hatten – wie die Chronik erzählt- nicht einmal Zeit, „die Schwerter um ihre Lenden zu gürten“. Eine große Schlacht begann. Alexanders Mannen kämpften tapfer und standhaft.

Auch der junge Fürst Alexander selbst schlug sich mit Kühnheit und riss seine Mannen zu Heldentaten hin. Das geschlagene schwedische Heer trat einen „schmachvollen Rückzug“ an. Drei Schiffe mit toten und verwundeten Schweden verließen eiligst die Newa. Der Ruhm Alexanders kämpferischer Heldentat verbreitete sich über das ganze russische Land. Die Zeitgenossen nannten ihn wegen des Sieges an der Newa „Alexander Newskij“, während das Volk den Sieg an der Newa in seinen Liedern verherrlichte:

„Und es war eine Tat am Newaflusse,

An dem Newaflusse, an dem großen Strom,

Dort haben wir den bösen Feind zusammengeschlagen…

Und wir haben gerungen,

Wie haben wir gekämpft!

Die Schiffe haben wir in einzelne Bretter zerhackt,

Unser Herzblut haben wir für die große russische Erde

Die russische Erde treten wir nicht ab, {nicht geschont…

Wer nach Rusj kommt, der wird aufs Haupt geschlagen.“

Alexander Newskij 1218 bis 1263 (Nach einem Gemälde von P. Korin)
entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1 aus dem Jahre 1947

Die deutschen Ritter wussten wohl, dass die russischen Krieger kühn und tapfer sind und dass es schwer ist, sie im offenen Kampf zu besiegen. Unter dem Pskower Adel fanden sie in dem Fürsten Jaroslaw Wladimiroswitsch einen Verräter und arbeiteten mit seiner Hilfe einen Plan aus, um sich Pskows und Nowgorods zu bemächtigen. Den Zugang zu diesen Städten bildete Isborsk.

Isborsk wurde von den Deutschen im Sturm genommen und „niemand von den Russen“, so berichtet eine deutsche Chronik, „wurde in Ruhe gelassen, und über der ganzen Erde erhob sich ein Wehklagen und Gejammer“.

Ganz Pskow zog gegen die Deutschen, als man die Kunde von der Eroberung Isborks erfuhr. In der Schlacht jedoch fiel der Pskower Heerführer Gawrila Gorislawitsch. Da „führte“, nach den Worten des Chronisten, der Bojar Twerdila Iwankowitsch „die Deutschen nach Pskow“ und öffnete, ohne dass es das Volk wusste, dem Feind die Tore.

Nach der Eroberung von Pskow drangen die Deutschen in das Gebiet Nowgorod ein und eroberten zwei Vororte: Koporje und Tessowo. Jetzt war Nowgorod selbst bedroht- Fürst Alexander befand sich nicht in Nowgorod. Er hatte sich in sein Perejaslawer Teilfürstentum begeben, nachdem sein Bestreben, die fürstliche Macht dies Stadt zu stärken, bei den Bojaren auf Widerstand gestoßen war. Die Nowgoroder baten ihn, zurückzukehren und den Deutschen eine Abfuhr zu erteilen. Alexander eilte nach Nowgorod und begann Streitkräfte aufzubieten. Er sandte seine Mannen in alle Teile von Rusj; sie riefen die russischen Menschen auf, das Vaterland zu verteidigen: „Versammelt euch alle, klein und groß: wer ein Pferd hat, der soll zu Pferde kommen, wer kein Pferd hat, soll im Boot fahren.“

Alexander hatte begriffen, dass man nicht warten durfte, bis die Deutschen gegen Nowgorod marschieren. Er fasste den Beschluss, ihrem Angriff zuvorzukommen und als erster anzugreifen.

Vor allem warf Alexander eine starke Abteilung gegen Koporje, von wo aus der Fluss Luga einen guten Weg nach Nowgorod bildete. Die Deutschen hatten hier eine gut befestigte Burg errichtet. Alexander nahm Koporje in schnellem Sturmangriff und brachte die nordwestliche Grenz Nowgorods außer Gefahr.

Jedoch konnte die Verteidigung der Stadt Nowgorod nicht als sicher angesehen werden, solange deren „jüngere Schwester“ Pskow sich in den Händen der Deutschen befand. Die Nowgoroder Chronik berichtet: „Der Großfürst Alexander war mit gewaltigen Streitkräften mit seinem Bruder Andrej, mit den Nowgorodern und den Nisowzern in das von Deutschen besetzte Gebiet gezogen. Die Feinde sollen nicht prahlen: ‚Wir werden das slawische Volk unterwerfen!‘. Schon haben sie die Stadt Pskow eingenommen und ihre Diener in der Stadt eingesetzt; der Großfürst Alexander aber besetzte nun sämtliche nach Pskow führenden Wege, befreite die Stadt, verjagte die Deutschen und Tschuden; die deutschen Statthalter aber legte er in Ketten und schickte sie nach Nowgorod.“

Nachdem Alexander seine Grenzen nach Südwesten gesichert hatte, zog er nach der Befreiung von Pskow mit dem russischen Heer nach Westen. Er weg führte über die Stadt Isborsk, hinter der das Land der Esten begann. Hier hatten die Deutschen große Streitkräfte konzentriert. Es war zu Beginn des Frühlings – in den ersten Tagen des April im Jahre 1242.

Das Aprileis war stark genug, um die russischen Krieger, die mit Lanzen, Schwertern und Streitäxten bewaffnet waren, zu tragen. Jedoch für die Reiterei der Ordensritter, die aus schweren, in ihre Panzer eingeschlossenen Reitern bestand, war es schwierig, sich während des Kampfes auf dem Eis zu halten. Der begabte russische Heerführer kannte gut die schwachen und starken Seiten des Gegners. Er hatte sich für eine seine Truppen günstige Stellung auf dem Westufer des Tschudj-Sees (des Peipus-Sees), bei dem, „Krähenstein“, einem gewaltigen Felsen, ausgewählt.

In der Nacht zum 5. April 1242 machte Alexander Newskij bei seinen Regimentern die Runde und überzeugte sich noch einmal von der kriegerischen Stimmung.

Der Morgen brach heran, und die Schlacht entbrannte. „Es war eine grimmige Schlacht“, schreibt der Chronist über die Schlacht mit den deutschen Rittern, „und die russischen Krieger schlugen sie, verfolgten sie gleichsam wie durch die Luft, und nirgends konnten sie sich verstecken…“

Die Russen verfolgten die Ritter auf einer Strecke von sieben Kilometern und machten eine große Anzahl Gefangene. Viele deutsche Ritter brachen im Eise ein und kamen samt ihren Pferden um.

Nach der vernichtenden Niederlage auf dem Tschudj-See baten die deutschen Ritter die Nowgoroder um Frieden und versprachen, die früher eroberten Gebiete zurückzugeben. Der Fürst Alexander trug der Tatsache, dass die Kräfte des russischen Volkes noch zersplittert und schwach waren, Rechnung und riet den Nowgorodern, Frieden zu schließen.

Der Sieg der russischen Krieger auf dem Eis des Tschudj-Sees brachte das Vorrücken der Deutschen nach Osten zum Stehen und rettete die Völker Osteuropas vor der Unterjochung.

Die „Eisschlacht“ nachte die Eroberungspläne der deutschen Feudalherren gegenüber Rusj zunichte. Die russischen Menschen, die um ihre Unabhängigkeit tapfer kämpften, wendeten das furchtbare Lose von sich ab, germanisiert oder von den deutschen Feudalherren ausgerottet zu werden.

Alexander Newskij kämpfte um die Erhaltung der Unabhängigkeit und Unantastbarkeit der russischen Erde in jener schweren Zeit, als das durch die inneren Fehden der Fürsten zersplitterte und geschwächte Rusj dem gelichzeitigen Angriff zweier machtvoller Eroberer ausgesetzt war: im Osten seitens der Tataren, im Westen seitens der Deutschen.

3. Die Zerschmetterung der Mongolo-Tataren auf dem Kulikowo-Feld

Die Zerschmetterung der Deutschen auf dem Tschudj-See hatte gezeigt, wie groß die Kraft des russischen Volkes ist, wenn es in Einigkeit handelt. Aber noch gab es im russischen Lande keine Einigkeit, und die Mongolen machten sich dies zunutze. In den weiten Räumen von der Wolga bis nach Westsibirien gründeten sie ihren Staat- die Goldene Horde- und machten sich die russischen Fürstentümer abhängig. Der gesamten männlichen Bevölkerung in Rusj wurde ein tribut auferlegt. Damit sich niemand der Tributzahlung entziehen konnte, veranstalteten die Tataren eine Zählung der gesamten russischen Bevölkerung. Über ganz Rusj jagten die grimmigen tatarischen Tributeinnehmer, die Basaki. Sie waren grausam und unerbittlich. Diejenigen, die den Tribut nicht zahlten, wurden in die Sklaverei verkauft.

Die besten russischen Handwerker wurden von den Tataren in die Horde weggeführt, die gesündesten und stärksten Jünglinge in ihre Kriegsscharen eingereiht.

Aber die russischen Menschen unterwarfen sich den grausamen Bedrückern nicht. Wiederholt lehnten sie sich gegen „die grausame basurmanische Quälerei“

Die Gewaltakte gegenüber den Tributeinnehmern waren so häufig, dass die Tataren gezwungen waren, die Eintreibung des Tributs den russischen Fürsten zu übertragen. Den eingetriebenen Tribut überreichten die Fürsten der Horde durch ihre Großfürsten.

Die Khane förderten die Zwistigkeiten und Kriege zwischen den Fürsten und hinderten die Vereinigung der russischen Länder. Gemäß der Charakteristik von Marx bestand die dauernde Politik der Horde in dem Bestreben, einen russischen Fürsten mit Hilfe eines anderen niederzuhalten, ihre Zwietracht zu nähren, ihre Kräfte im Gleichgewicht zu halten und keinem von ihnen zu gestatten, stark zu werden.

Das schwere Tatarenjoch währte länger als zweihundert Jahre. Marx schrieb, das das Tatarenjoch nicht nur belastete, sondern kränkte und selbst die Seele des Volkes verdarb, das sein Opfer wurde.

Nach dem Zerfall des Kiewer Staates im 13. Jahrhundert verlagerte sich das Zentrum des politischen Lebens nach Nordosten, in das Land Wladimir-Susdal. Die Hauptstadt von Rusj war jetzt Wladimir, das vom Fürsten Wladimir Monomach gegründet worden war.

Die Khane der Goldenen Horde ernannten gewöhnlich einen russischen Fürsten zum Großfürsten von Wladimir. Der Großfürst, der von dem Khan einen Jarlyk (eine Belehnungsurkunde) für das Großfürstentum erhalten hatte, gliederte seinen Besitz die Stadt Wladimir und die sie umgebenden Lande an.

Im 13. Und 14. Jahrhundert gab es in im späteren Zentrum von Groß-Russland verschiedene selbstständige Fürstentümer (Teilfürstentümer): Rostow-Susdal, Twer, Rjasan, Jaroslawl, Kostroma, Nishnij-Nowgorod, sowie auch die Besitzungen von Nowgorod und Pskow. Unter diesen begann Moskau sich hervorzutun.

In der Chronik wird Moskau zum ersten Mal im Jahre 1147 erwähnt. Zu jener Zeit war es ein kleiner Herrensitz des Rostow-Susdaler Fürsten Jurij Dolgorukij. Jedoch die günstige Lage Moskaus, das auf dem hohen Ufer der Moskwa, einem Zufluss der Oka, mitten im Zentrum sich kreuzender Verkehrswege, lag, zog eine große Menge russischer Siedler herbei. Der Fürst Daniil, Alexander Newkijs Sohn, der Moskau als Teilfürstentum erhalten hatte, siedelte dorthin über und legte den Grund für das Fürstentum Moskau.

In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts vergrößerten die Moskauer Fürsten das Territorium des Moskauer Fürstentums um das Doppelte. Unter der wohlwollenden Teilnahme der Bevölkerung, die durch die gegenseitigen Kämpfe der Fürsten gequält und verarmt war, vereinigten die Moskauer Fürsten erfolgreich die um Moskau liegenden Lande. Einer der ersten, die die russischen Länder vereinigten, war Iwan Kalita (Kalita bedeutet „Geldsack“). Er war ein geiziger, reicher, schlauer und weitschauender Fürst. Es gelang ihm, die Unterstützung des tatarischen Khans sich zunutze zu machen und mit dessen Hilfe sich von seinen Rivalen zu befreien.

Iwan Kalita verstand es auch, den russischen Metropoliten für sich zu gewinnen, welcher seinen Sitz von Wladimir nach Moskau verlegt hatte. Von diesen Zeiten an wurde die Kirche den Moskauer Fürsten in ihrem Kampf um die Vereinigung aller russischer Länder um Moskau ein einflussreicher Bundesgenosse.

Nachdem der energische und unternehmungslustige Kalita den Jarlyk (die Belehnungsurkunde) für das Großfürstetum Wladimir erhalten hatte, begann er, Amtsbezirke und Dörfer anderer Fürsten und Bojaren aufzukaufen, von der „Horde“ russische Gefangene loszukaufen und in seinen Landen anzusiedeln. Den Neusiedlern gewährte er Vergünstigungen, befreite sie von Steuerzahlungen. Die im Moskauer Lande errichteten Klöster führten eine Großwirtschaft und lockten gleichfalls Siedler herbei. Auch die Handelsbeziehungen Moskaus hatten zugenommen. Iwan Kalita säuberte die großen Handelsstraßen von Räubern und förderte auf diese Weise die Entwicklung des Handelsverkehrs. Die Moskauer Fürsten wurden die reichsten von allen russischen Fürsten. Der Chronist vermerkt lobend und billigend, dass Iwan Kalita der Organisator der inneren Ordnung und der Verteidiger der russischen Erde vor der unheilvollen tatarischen Zerstörung wurde: „Und es trat eine große Stille im ganzen russischen Lande ein, und die Tataren hörten auf, es zu bekämpfen.“

Auf diese Weise begann unter Iwan Kalita das Territorium des künftigen russischen Staates mit Moskau als Zentrum sich herauszubilden. Die Söhne Kalitas setzten ihres Vaters Politik der Vereinigung der russischen Lande rings um Moskau fort. Marx weist darauf hin, dass sie diese eifrig, konsequent und stetig verfolgten.

Nach dem Tode Iwan Kalitas verschaffte sich sein Sohn Semjon Iwanowitsch, mit dem Beinamen „der Stolze“, den Jarlyk für das Großfürstentum.

Sterbend hinterließ Semjon der Stolze seinen Söhnen und Enkeln das Vermächtnis, die unheilvollen Zwistigkeiten zu vermeiden und Kräfte zu sammeln für den Entscheidungskampf mit dem Hauptfeind des russischen Volkes – den mongolo-tatarischen Eroberern. Die große Aufgabe begann das russische Volk unter der Leitung von Iwan Kalitas Enkel- Dimitrij Iwanowitsch, mit dem späteren Beinamen „Donskoj“, erfolgreich zu verwirklichen.

Der Moskauer Fürst Dimitrij Iwanowitsch wurde im Oktober 1350 geboren. Sein Vater (der Bruder Semjons des Stolzen) starb, als Dimitrij erst im 10. Lebensjahr stand. Dimitrijs Kindheit und Jugend vergingen unter den Bedingungen eines langwierigen und schweren Feudalringens um die Vormachtstellung. Die Gegner Moskaus trachteten danach, den minderjährigen Dimitrij des Großfürstenthrones zu berauben, aber die Moskauer Bojaren und der Metropolit verteidigten ihn für Dimitrij. Moskau wuchs und wurde stark. Dimitrij brachte- wie die Chronik berichtet- „sämtliche Fürsten unter seine Botmäßigkeit und ging gegen jene vor, die sich seinem Willen nicht unterordnen wollten.“ Als seine Hauptaufgabe betrachtete er den Kampf gegen die Unterdrücker des russischen Volkes-die Tataren. In seinen Vorbereitungen hierzu beschloss Dimitrij, vor allem die Hauptstadt seines Staates-Moskau- zu befestigen. Wie auch die anderen Festungsstädte jener Zeit, war Moskau von einer hölzernen Schutzwehr umgeben. Die von der Schutzwehr umgebende Festungsanlage hieß „Kreml“.

Diese Holzwände gerieten öfters in Brand und wurden sehr baufällig. Fürst Dimitrij Iwanowitsch beschloss darum, neue Kremlmauern aus Stein zu bauen. In den Steinbrüchen nahe bei Moskau fand man weiße Steine und brachte sie auf Kähnen in die Stadt. Steinmetzen behauten diese Steine zu großen viereckigen Platten und errichteten eine neue, massive Steinmauer, die den Moskauer Kreml umgab. Von jener Zeit an nannte der Volksmund Moskau „das Weißsteinige“. Der Steinerne Kreml, der von dem Fürsten Dimitrij im Jahre 1367 fertig gebaut worden war, wurde eine sichere Festung des Moskauer Staates.

Für den Kampf mit dem starken Feind waren bewaffnete Kräfte im Staat notwendig. Der Fürst verstärkte auf jede Weise das fürstliche Kriegsgefolge und schuf allmählich starke, gut ausgebildete Regimenter. Sämtliche Fürsten und Bojaren waren dem Großfürsten gegenüber zum Dienst verpflichtet; an den Sammelpunkten mussten sie „mit Pferden, Mannen und bewaffnet“ sich einfinden.

Die Bewaffnung der Moskauer Krieger bestand aus Schwertern, Streitäxten und runden Schilden zur Abwehr der Schläge. Man schoss mit Pfeil und Bogen. Die Spitzen der Pfeile waren aus Eisen. Den Kopf eines Kriegers bedeckte ein Helm aus Metall, die Brust wurde von einem Ringpanzernetz (Panzerhemd) geschützt.

Inzwischen begann die Goldene Horde merklich schwächer zu werden. In ihren Reihen wurde ein ununterbrochener Kampf um die Macht ausgetragen. Es kam vor, dass in der Horde mehrere Khane zugleich herrschten, die sich untereinander befehdeten. Unter Ausnutzung der Zwistigkeiten der Khane ergriff die Macht einer der tatarischen Heerführer, Mamaj, der ein 10 000 Mann umfassendes tatarisches Heer, oder eine „Tjma“ befehligte. Er träumte davon, die ehemalige Macht der Goldenen Horde wiederherzustellen und das russische Land noch mehr zu unterjochen. Mamaj befahl den Fürsten der Horde, sich für einen Feldzug nach Russland zu rüsten. In alle Besitzungen der Horde schickte er den Befehlt: „Niemand soll Getreide säen! Stellt Euch auf das Getreide der russischen Lande ein!“

Im Sommer 1380 versammelte Mamaj für den Feldzug nach Russland ein gewaltiges Heer. „Seit Batus Zeiten“, schreibt der Chronist, „hatte es ein solches Heer nicht gegeben.“ Aber Mamaj begnügte sich nicht damit. Er schloss ein Kriegsbündnis mit dem litauischen Fürsten Jagiello und trat in Verhandlungen mit Oleg, dem Fürsten von Rjasan.

Eine furchtbare Gefahr schwebte über Rusj. Dimitrij sandte an alle Städte Aufrufe, in denen die Fürsten mit ihren Mannen aufgefordert wurden, sich mit Moskau zu vereinigen. Der Aufruf fand bei den russischen Menschen feurigen Widerhall. Moskau wurde das Zentrum des Kampfes um die Befreiung des russischen Volkes vom tatarischen Joch.

Das große russische Heer, das unter den Fahnen des Fürsten Dimitrij aufgeboten war, brach feierlich von Moskau nach Kolomma auf. Hier veranstaltete der Fürst Dimitrij eine Truppenschau.

Dimitrij hatte erfahren, dass die Tataren planten, sich mit den Litauern zu vereinigen und mit ihnen gemeinsam die Russen anzugreifen. Er beschloss, der Vereinigung der feindlichen Heere zuvorzukommen. Die russischen Regimenter setzten über die Oka und gelangten im schnellen Marsch an den Don. Mamajs Heerscharen standen zu dieser Zeit jenseits des Dons in Erwartung der Bundesgenossen.

Bis zur Ankunft der Litauer waren es noch drei Tage. Fürst Dimitrij entschloss sich, die Feinde einzeln zu schlagen. Er sprach zu den Truppen: „Liebe Freunde und Brüder! Wisset, ich bin nicht hierhergekommen, um auf Oleg oder Jagiello zu schauen oder den Don zu sichern, sondern um das russische Land vor Knechtschaft und Vernichtung zu bewahren, oder meinen Kopf für Russland herzugeben. Ein ehrenhafter Tod ist besser als ein schmachvolles Leben. Besser wäre es, überhaupt nicht gegen die Tataren zu ziehen, als gegen sie zu ziehen und, ohne etwas getan zu haben, wieder umzukehren. Heute schon werden wir über den Don setzen und dort entweder siegen und das ganze russische Volk vor dem Untergang bewahren, oder unsere Köpfe dem Vaterland zu opfern.“

In der Nacht vom 07. Zum 08. September begann der Übergang über den Don. Bei Tagesanbruch hatten sich die russischen Truppen auf den Hügeln bei der breiten Ebene jenseits des Dons in der Nähe der Mündung des Flusses Neprjadwa aufgestellt. Diese Ebene wurde das Kulikowo-Feld genannt. Unter dem Schutz des Morgennebels nahmen die russischen Truppen günstige Stellungen ein. Einem der Regimenter, unter Führung des Fürsten Wladimir Andrejewitsch, Dimitrijs Waffengefährten und Vetter, sowie des tapferen Wojwoden Dimitrij Bobrok, mit dem Beinamen „der Wolhynier“, war befohlen, im dichten Wald verborgen, in Reserve zu bleiben.

Als die Sonne wärmer schien und der Nebel sich zerteilte, kam die russische Streitmacht schnell von den Hügeln herunter. Im tatarischen Lager hatte man die Russen nicht erwartet und sich für das Mittagessen eingerichtet. Die Tataren mussten ihre Kessel im Stich lassen und die Schlacht aufnehmen. Nahe gegeneinandergerückt, machten beide Heere halt. Ein tatarischer Reiter von riesigem Wuchs ritt auf die Russen zu. Höhnend forderte er einen ihm an Stärke gleichkommenden russischen Recken zum Zweikampf heraus. Als Antwort auf die Herausforderung löste sich ein Reiter aus den russischen Reihen. Über seiner Rüstung trug er Mönchskleidung. Er war der Mönch und Recke Pereswjet. Die Reiter stürzten aufeinander los und führten die Lanzen mit solcher Wucht, dass beide sogleich tot zu Boden stürzten.

DA sprach Fürst Dimitrij zu seinen Kriegern: „Brüder, kühne russische Männer! Die Zeit ist da, und die Stunde ist gekommen!“ Auf sein Zeichen stürzten die Krieger in die Schlacht. Es war ein erbittertes und blutiges Ringen. „Die Lanzen zerbrachen wie Strohhalme“, berichtet der Chronist. „Der Staub verdunkelte die Sonne, die Pfeile fielen wie Regen.“ Fünf Stunden schlug man sich, aber weder die Tataren noch die Russen gewannen die Überhand. Die Tataren warfen auf dem linken Flügel ihre in Reserve gehaltenen schweren Reiter in die Schlacht.

Da griff das russische Reserveregiment die Tataren, die schon bereit waren, den Sieg zu feiern, im Rücken an. Die durch den unerwarteten Schlag überraschten und durch den furchtbaren Kampf ermatteten Tataren wandten sich zur Flucht.

Mamaj, der von seinem Hügel aus sah, dass die Schlacht verloren war, floh mit den Resten seines Heeres. Bei dem Übergang über den Fluss Krassiwaja Metsch kamen viele Tataren ums Leben. Den Russen fiel eine gewaltige Beute in die Hände: Rinderherden, prachtvolle Pferde, die prächtigen Zelte Mamajs und seiner Mursy (d.s. tatarische Fürsten).

Ende September kehrten die Russen siegreich nach Moskau zurück. Der Fürst Dimitrij erhielt für diesen bedeutsamen Sieg die ruhmvolle Bezeichnung „Donskoj“.

Die Kulikower Schlacht ließ erkennen, dass die für unbesiegbar gehaltenen Tataren geschlagen werden können, wenn das russische Volk sich einmütig zum Kampf für seine Unabhängigkeit erhebt. Aber die politische Einigung von Rusj war noch nicht vollendet und das Tatarenjoch noch nicht abgeschüttelt. Der Kulikower Sieg hatte die tatarische Horde stark geschwächt, aber noch nicht vernichtet.

Dimitij Donskoj starb am 19. Mai 1389; er hinterließ seinen Kindern das Vermächtnis, in Frieden und Freundschaft zu leben und den Russischen Staat zu festigen.

Das tapfere Vorbild Dimitrij Donskoj und seine kriegerischen Heldentaten wurden vom Volk nicht vergessen. In ihren Liedern verherrlichten die alten Guslispieler die Verdienste es Fürsten Dimitrij:

„Kommt herbei, ihr russischen Brüder und Söhne,                                                                                         Lasset uns ein Lied verfassen,                                                                                                                         Lasset uns das russische Land aufheitern,                                                                                                       Lasset uns den Sieg über Mamaj preisen.“

Entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1 „Die Vergangenheit des Sowjetlandes“ aus dem Jahre 1947

Original-Autorin Anna Michailowna Pankratowa

Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1 aus dem Jahre 1947

Der Kiewer Staat – ein machtvolles Reich der Ostslawen

1. Die Slawen – die Ureinwohner Russlands

Die Slawen und ihre Vorfahren bewohnten unter verschiedenen Bezeichnungen seit unvordenklichen Zeiten die gewaltige Osteuropäische Tiefebene. Den römischen Schriftstellern des 1. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung (vor Christi) waren die Slawen unter dem Namen Venedae (Weneder, Wenden) bekannt. Die byzantinischen Schriftsteller des 6. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung (nach Christi) kannten die Slawen unter der Bezeichnung Slowenen und Anten. Laut den Mitteilungen der Schriftsteller der Alten Welt wohnten die Slawen im Raume zwischen der Donaumündung und dem Asowschen Meer und zwischen dem Oberlauf der Weichsel und dem Oberlauf des Dnjepr und der Oka.

Die Slawen werden eingeteilt in Süd-, West- und Ostslawen. Die West- und Südslawen wohnten in Westeuropa, die Ostslawen sei den ältesten Zeiten am Dnjepr, seinen Nebenflüssen und rund um den Ilmensee.

Die Ostslawen beschäftigten sich seit alters her mit Ackerbau. Sie holzten Kleingehölze aus oder brannten irgendein Waldstück ab. Mit einer schweren Aste gruben sie den Boden um, vermengten ihn mit Asche und säten Korn. Wenn die Erde erschöpft war, wurde das Feld aufgegeben und ein neuer Acker ausgebrannt. Eine solche Bodenbearbeitung nennt man Brandkultur oder Rodewirtschaft. In den Steppengegenden wurde die Erde mit der Hacke aufgegraben. Wurden die Erträge schlecht, dann ging man auf neues Land über und gab das alte Feld auf. Ein solcher Ackerbau wird Brachwirtschaft genannt. Auf ihren Feldern bauten sie Slawen Hirse, Gerste, Roggen und Flachs an.

Neben dem Ackerbau nahmen Jagd, Bienenzucht und Fischerei einen großen Raum in der Wirtschaft der Slawen ein.

Die Slawen wohnten sippenweise. Zur Sippe zählten sämtliche Verwandten, die zusammenlebten und gemeinsam wirtschafteten. Die Herden, die Weideplätze, die Äcker bildeten das gemeinsame Eigentum der Sippe. Alles das, was notwendig war, wurde in gemeinsamer Wirtschaft getan.

An der Spitze der Sippe stand der Sippenälteste: der „Starejschina“, aber er traf keine Entscheidung ohne den Rat der übrigen Männer der Sippe.

Für einen erschlagenen Sippenangehörigen rächten sich die Slawen an dem Mörder und seinen Verwandten durch die Blutrache. Infolgedessen kamen zwischen den einzelnen Sippen häufig Zusammenstöße vor.

Zum Schutz gegen Feinde legten die Slawen auf Hügeln oder an anderen geeigneten Orten Befestigungen an und umgaben sie mit einem Erdwall und mit einem Pfahlzaun. Die Reste von solchen Befestigungsanlagen oder prähistorischen Siedlungen – „Gorodischtsche“-treffen wir noch jetzt (Stand 1947) in vielen Gegenden Russlands an.

Die Schriftsteller des Altertums bezeichnen die Slawen gewöhnlich als ein tapferes, kriegerisches und freiheitsliebendes Volk. Ein byzantinischer Schriftsteller des 6. Jahrhunderts, Mawrikij (Mauritius), schrieb, dass die Stämme der Slawen und der Anten die gleiche Lebensweise und die gleichen Sitten hätten; sie liebten die Freiheit und wären nicht geneigt, sich weder versklaven noch sich unterjochen zu lassen. Sie seien tapfer und ausdauernd, ertrügen leicht Kälte und Hitze, sowie Mangel an Bekleidung und Nahrung. Sie slawischen Jünglinge beherrschten sehr geschickt das Waffenhandwerk.

Bei den Slawen waren sämtliche Männer bewaffnet. Sie waren ein bewaffnetes Volk, das bereit war, mit ganzem Herzen seine Freiheit und Unabhängigkeit gegen die Anschläge der äußeren Feinde zu verteidigen. Die Slawen unternahmen große Feldzüge in die Länder ihrer Nachbarn. Besonders lockten sie die Reichtümer von Byzanz, des östlichen Teils des Römischen Reiches.

Im 6. Und 7. Jahrhundert hatte Byzanz schon nicht mehr mit einzelnen slawischen Stämmen, sondern mit größeren politischen und militärischen Vereinigungen der Ostslawen zu kämpfen.

Ursprünglich waren in der Sippe alle gleich. Mit der Entwicklung des Ackerbaus, der Viehzucht, der Fischerei begannen sich bei den Slawen überschüssige Arbeitsprodukte anzuhäufen. Das Privateigentum entstand. Nach und nach begannen die Wirtschaften der einzelnen Familien sich abzusondern. Jede Familie bestellte ihr Ackerstück und erntete für sich. Nur die Wälder, Weideplätze, die Flüsse und Seen waren, wie bisher, gemeinschaftlicher Besitz. Die Bewohner der Umgegend bildeten eine Bauerngemeinde. Aber das war schon keine Sippengemeinschaft mehr, zu ihr gehörten sämtliche in der Nähe lebenden Nachbarn. Eine solche, aus Nachbarn bestehende Gemeinde wurde bei den Slawen „Mir“ genannt.

In den Händen einzelner Mitglieder der Sippe sammelte sich nach und nach ein großer Grundbesitz an. Die Wohlhabendsten der Sippenmitglieder wurden Sippenälteste, in Kriegszeiten aber wurden sie Heerführer oder Fürsten.

Die Fürsten erhielten von der Kriegsbeute und den Gefangenen den Löwenanteil. Dies gestattete ihnen, ständige Abteilung von Kriegern oder „Drushiny“ (Kriegsgefolge) zu halten, mit deren Hilfe sie das Volk in Zucht hielten. Die Sippenältesten und Stammesfürsten wurden anfangs von den Volksversammlungen gewählt, und sie regierten gemäß den Entscheidungen der Volksversammlung oder „Wjetsche“ (vom Wort „wjeschtschatj“=sprechen).

Auf diese Weise wurden die Anfänge der staatlichen Macht geschaffen. Von den frühesten Anfängen der staatlichen Organisation der Slawen sich die Vereinigungen der antischen Fürsten im 6. Jahrhundert und der Karpathoslawen (Duleben) im 6. Und 7. Jahrhundert bekannt.

Später, im 9. Jahrhundert, bildete sich ein solches Fürstentum im Norden Russlands bei den Ilmenslawen mit Nowgorod an der Spitze. Ein anderes wurde im Süden geschaffen, bei dem slawischen Stamm der Poljanen, mit Kiew an der Spitze. Gleichzeitig mit dem Kiewer und dem Nowgoroder Fürstentum entstanden im Raum Osteuropa noch andere slawische Fürstentümer. Auf diese Weise ergab sich als Resultat der inneren Entwicklung der slawischen Gesellschaft der Zerfall der alten Sippenorganisation, und es wurden Bedingungen für die Entstehung eines Staates geschaffen.

2. Das Kiewer Rusj („das Land der Russy“=Russland)

Am Ende des 9. Jahrhunderts vereinigten sich die einzelnen Fürstentümer der Ostslawen zu einem großen Staat, der sich von den Ufern der Ostsee bis zum Dnjepr erstreckte. Anstelle von zwei Zentren der Ostslawen: Kiew und Nowgorod, wurde Kiew die Hauptstadt des Staates.

Malerisch auf den Hügeln des Dnjepr sich erstreckend, lag Kiew im Zentrum wichtiger Handelsstraßen jener Zeit. Auf dem Dnjepr bei Kiew legten viele Handelsschiffe an. Unten an der Anlegestelle, entstand eine Siedlung von Handwerkern und Kaufleuten: Podol. In der Stadt fand ein lebhafter Handel auf Märkten statt. Die Kiewer trieben mit den Kaufleuten aus dem Osten und Westen Handel. Geld gab es auch, da es in großen Mengen aus dem Orient kam. Vor dem 10. Jahrhundert an begannen die Ostslawen eigene Silbermünzen mit den Bildnissen ihrer Fürsten zu prägen. Dieses Geld hatte ebenso Geltung wie die Silberbarren – die „Griwny“.

Kiew trieb seit alters Her einen ständigen Handel mit Byzanz. Die Griechen nannten sie Sklaven, die das nördliche Küstenland des Schwarzen Meeres bewohnten, bald Skythen, bald den Stamm Ros oder Rusj. Der Name Rusj war in der Mitte des 9. Jahrhunderts bereits im südlichen Küstenland des Schwarzen Meeres und im Norden, im Gebiet des Ladoga- und des Ilmensees, verbreitet. Den Namen Rusj kannten nicht nur die Byzantiner, sondern auch die Araber.

Die Russy, geführt von ihren Fürsten, unternahmen kühne Kriegszüge außerhalb der Grenzen ihres Landes. Es sind Angaben vorhanden, dass die Kiewer Fürsten im Jahre 860 einen erfolgreichen Angriff auf Zarjgrad – so nannten die Slawen die Hauptstadt des Byzantinischen (oströmischen) Reiches – ausführten. Eine Chronik berichtet darüber, dass der Kiewer Fürst Oleg einen großen, siegreichen Feldzug gegen Byzanz unternahm. Im Jahre 911 schloss Oleg einen Vertrag mit den Griechen. Laut diesem Vertrag erhielt er reiche Geschenke und erlangte Privilegien für die russischen Kaufleute.

Nach Oleg regierte Igor in Kiew. Die Chronik berichtet, dass sein gegen Byzanz unternommener Feldzug missglückte. Danach soll Igor eine noch größere Anzahl slawischer Krieger aufgeboten und auch die Petschenegen, die aus Asien gekommen waren und in den russischen Steppen nomadisierten, gedungen und sich zu einem neuen Kriegszug gegen Byzanz aufgemacht haben. Der byzantinische Kaiser schickte dem russischen Heer seine Gesandten mit einem vorteilhaften Friedensangebot entgegen. Mit reichen Geschenken kehrte Igor nach Kiew zurück. Im Jahre 944 wurde zwischen Byzanz und Rusj ein neuer Vertrag abgeschlossen.

Für den Handel mit den Griechen waren Felle, Wachs und Honig erforderlich. Alles dies verschafften sich die Kiewer Fürsten auf dem Wege des Tributs von den benachbarten slawischen Stämmen. Einen Teil des vereinnahmten Tributs gaben sie ihren Kriegsmannen für geleistete Dienste ab. Diejenigen, die Tribut (russisch „Danj“) leisteten, wurden Untertanen (russisch „Poddannnyje“ – Tributpflichtige) genannt.

Einst, so erzählt die Chronik, begab sich Igor mit seinen Mannen zwecks Tributerhebung in das Gebiet des slawischen Stammes der Drewljanen. Nach Empfang des Tributs entschloss sich Igor, den Rundgang mit einem kleinen Kriegsgefolge zu wiederholen. Als die Drewljanen erfuhren, dass Igor ein zweites Mal zwecks Tributerhebung kommen wird, sagten sie: „Wenn der Wolf zu oft bei den Schafen zu Gaste geht, wird der die ganze Herde wegschleppen, falls man ihn nicht erschlägt.“ Sie ergriffen Igor und seine Mannen und erschlugen sie.

Zu jener Zeit war Swjatoslaw, Igors Sohn, noch ein Kind. An seiner Stelle regierte seine Mutter, die Fürstin Olga den Staat. Nach der Überlieferung soll sie den Tod ihres Mannes an den Drewljanen grausam gerächt haben.

Swjatoslaw war ein kriegerischer und tapferer Fürst. Zusammen mit seinem Kriegsgefolge führte er ein raues Kriegsleben. Auf den Kriegszug nahm er keinen Tross und selbst nicht einmal Zelte mit. Er schlief mit dem Sattel unter dem Kopf auf der Erde. Wenn Swjatoslaw ins Feld zog, benachrichtigte er den Feind mit den Worten: „Ich komme über Euch!“

Auf den Kähnen über die Oka bis zur Wolga vordringend, fuhr Swjatoslaw auf der Wolga zunächst in das Gebiet der Kamabulgaren und besiegte sie. Von hier aus richtete er seinen Schlag gegen die Chasaren, in deren Gewalt sich viele russische Gebiete befanden. Nachdem Swjatoslaw das Reich der Chasaren zerstört hatte, unternahm er einen Feldzug gegen den Nordkaukasus und in das Gebiet des Asowschen Meeres.

Die Ostfeldzüge Swjatoslaws rückten die Grenzen des russischen Gebietes weit nach Osten vor. Der byzantinische Kaiser, der den Kriegsruhm Swjatoslaws hoch einschätzte, schloss mit ihm ein Bündnis gegen die Donaubulgaren. Swjatoslaw eroberte Donaubulgarien und blieb dort in der Stadt Perejaslawez wohnen. Nach der Überlieferung soll Swjatoslaw seiner Mutter und den Bojaren gesagt haben: „Mir gefällt es nicht, in Kiew zu wohnen. Dort ist die Mitte meines Landes, dort strömen alle Güter zusammen: von den Griechen Gold, Seide, Wein, verschiedene Früchte; von den Tschechen und Ungarn – Silber und Pferde; aus Rusj – Felle, Honig, Sklaven.“

Byzanz hatte vor einem so starken und drohenden Gegner Furcht bekommen. Der byzantinische Kaiser Johann Tzimiskes stellte ein großes Heer auf, zog auch die Bulgaren auf seine Seite und begann, gegen Swjatoslaw Krieg zu führen. In den Kämpfen mit den Griechen bewiesen Swjatoslaws Truppen viel Tapferkeit, Furchtlosigkeit und Standhaftigkeit. Die Verteidigung der Stadt Dorostol an der Donau durch Swjatoslaw war besonders heldenhaft. Eine gewaltige griechische Armee rückte gegen die Stadt vor. Zwanzigtausend Krieger des Swjatoslaw, in leichte Kettenpanzer gekleidet und mit großen, nach unten schmaler werdenden Schilden ausgerüstet, stellten sich den feindlichen Angriffen gleichsam wie eine lebendige Mauer entgegen. Zwölfmal führte der byzantinische Kaiser seine Krieger zum Angriff, endlich stand er davon ab und befahl, die Stadt einzuschließen. Drei Monate lang dauerte die Belagerung von Dorostol. In der Stadt brach eine Hungersnot aus. Die Griechen führten Belagerungsmaschinen an die Stadtmauer heran und begannen, die Stadt mit Feuer und Steinen zu überschütten. Die Kräfte Swjatoslaws schwanden dahin. Im Kriegsrat schlugen einige Heerführer ihm vor, abzuziehen und zu versuchen, während der Nacht in Kähnen auf der Donau zu entfliehen. Nach den Berichten eines griechischen Autors weigerte sich Swjatoslaw, zu fliehen. Er sagte zu seinen Kriegern: „Der Ruhm, der Gefährte der russischen Waffen, die mühelos die Nachbarvölker besiegt und ohne Blutvergießen ganze Länder unterworfen haben, wird dahinschwinden, wenn wir jetzt den Römern (so nannte Swjatoslaw die Byzantiner) nachgeben. Lasst uns also mit der Tapferkeit unserer Vorfahren und mit dem Gedanken, dass die russische Kraft bis jetzt unüberwindlich war, männlich um unser Leben kämpfen. Bei uns ist es nicht Brauch, uns durch die Flucht in unser Vaterland zu retten, sondern entweder als Sieger am Leben zu bleiben oder aber nach Vollbringung ruhmvoller Heldentaten in Ehren zu sterben!“

Swjatoslaws Krieger schlugen sich grimmig, aber die Kräfte waren ungleich. Verstärkungen aus Kiew trafen nicht ein. Infolgedessen bot Swjatoslaw dem Kaiser Frieden an, mit der gleichzeitigen Verpflichtung, Bulgarien zu räumen.

Nach dem Abschluss der Friedenbedingungen sagte Swjatoslaw zu seinen Kriegern: „Ich werde nach Rusj zurückkehren und ein großes Kriegsgefolge herbeiführen.“  Es gelang ihm jedoch nicht, seine Absicht zu verwirklichen. Die Byzantiner benachrichtigten die Petschenegen, dass Swjatoslaw mit einer großen Kriegsbeute, aber einem kleinen Kriegsgefolge nach Rusj zurückkehrt. An den Stromschnellen des Dnjepr, wo die Russen ihre Boote schleppen mussten, überfielen die Petschenegen Swjatoslaws Krieger und erschlugen ihn und seine Mannen. Der Fürst der Petschenegen befahl, aus dem Schädel Swjatoslaws einen Becher für sich zu machen. Er ließ ihn vergolden und trank aus ihm bei seinen Gelagen.

Swjatoslaws jüngster Sohn, Wladimir, fuhr fort, den Kiewer Staat zu erweitern und zu stärken. Es war die Blütezeit der Kiewer Rusj, Dem Fürsten Wladimir gelang es, die endgültige Vereinigung der ostslawischen Gebiete in einem einzigen Staat durchzuführen und seine internationale Stellung zu festigen. Wladimir machte einige erfolgreiche Feldzüge und empfing pünktlich den Tribut von den unterworfenen Völkern. Der Reichtum des Fürsten selbst und seiner Mannen vermehrte sich beträchtlich. Einst beklagte sich das Kriegsgefolge beim Fürsten, dass es bei den Gelagen mir hölzernen statt mir silbernen Löffeln essen müsse. Wladimir befahl, für das Kriegsgefolge silberne Löffel anzufertigen und sagte: „Für Gold und Silber kann ich kein Kriegsgefolge finden, aber mit dem Kriegsgefolge werde ich Gold und Silber finden, so wie mein Großvater und mein Vater es gefunden haben.“

Während der Kriege und der Handelsreisen nach Byzanz machten sich Wladimir und sein Kriegsgefolge mit dem Leben der Griechen bekannt. Sie fanden an dem Prunk des griechischen Kaiserhofes und an der Pracht der byzantinischen Kirchen Gefallen. Die griechischen christlichen Geistlichen lehrten, dass der Kaiser von Gott und den Thron gesetzt sei, dass das Volk sich in allem dem Kaiser wie Gott selbst unterwerfen solle. Der neue christliche Glaube erhielt unter dem Einfluss von Byzanz um diese Zeit eine bedeutende Ausbreitung sowohl unter den Süd- und Westslawen (besonders in Bulgarien und in Tschechien) wie auch in Rusj. Wladimirs Großmutter und viele Krieger des Fürsten waren bereits Christen. Wladimir beschloss, das Christentum zur Staatsreligion zu erklären. Die Chronik erzählt, dass Wladimir seine Boten zur „Erforschung des Glaubens“ in verschiedene Länder schickte. Zurückgekehrt, lobten die Boten besonders den griechischen Christenglauben. Im Jahre 988 taufte sich Wladimir selbst und befahlt, die Taufe des Volkes im Lande Rusj durchzuführen.

Während der Kriege und der Handelsreisen nach Byzanz machten sich Wladimir und sein Kriegsgefolge mit dem Leben der Griechen bekannt. Sie fanden an dem Prunk des griechischen Kaiserhofes und an der Pracht der byzantinischen Kirchen Gefallen. Die griechischen christlichen Geistlichen lehrten, dass der Kaiser von Gott und den Thron gesetzt sei, dass das Volk sich in allem dem Kaiser wie Gott selbst unterwerfen solle. Der neue christliche Glaube erhielt unter dem Einfluss von Byzanz um diese Zeit eine bedeutende Ausbreitung sowohl unter den Süd- und Westslawen (besonders in Bulgarien und in Tschechien) wie auch in Rusj. Wladimirs Großmutter und viele Krieger des Fürsten waren bereits Christen. Wladimir beschloss, das Christentum zur Staatsreligion zu erklären. Die Chronik erzählt, dass Wladimir seine Boten zur „Erforschung des Glaubens“ in verschiedene Länder schickte. Zurückgekehrt, lobten die Boten besonders den griechischen Christenglauben. Im Jahre 988 taufte sich Wladimir selbst und befahlt, die Taufe des Volkes im Lande Rusj durchzuführen.

Die Annahme des Christentums hatte große und sehr positive Bedeutung für die Festigung des Kiewer Staates. Er wurde dadurch in eine Reihe mit den mächtigen christlichen Staaten des Westens gestellt. Viele gebildete griechische Geistliche kamen nach Rusj und verbreiteten neben dem christlichen Glauben auch griechische Bücher. Die christliche Kirche wurde zur Pflanzstätte der Kunst des Lesens und Schreibens sowie sonstiger Bildung.

Nach dem Tode des Fürsten Wladimir begann unter seinen Söhnen der Kampf um den Großfürstenthron von Kiew. Der eine seiner Söhne, Jaroslaw Wladimirowitsch, der Weise genannt, regierte in Nowgorod und zeichnete sich durch besonderen Verstand und Energie aus. Er besiegte seine Brüder und wurde Großfürst in Kiew.

Unter Jaroslaw dem Weisen erlebte der Kiewer Staat seine Blütezeit. Kiew wurde ein bedeutendes Handelszentrum und trat in lebhafte Beziehungen zu den westlichen Staaten. Jaroslaw verschwägerte sich mit mächtigen europäischen Herrschern. Er selbst heiratete die Tochter des schwedischen Königs, seine Töchter verheiratete er mit dem französischen, norwegischen und ungarischen König, die Söhne mit ausländischen Prinzessinnen. Der Kiewer Staat, der in den Rang eines der führenden Staaten Europas aufgerückt war, wurde reich und immer stärker. Kiew wurde mit herrlichen Palästen und schönen Kirchen bebaut. Hierher strömten zahlreiche Handwerker, Baumeister und Künstler.

Die Kiewer Fürsten waren bemüht, die Bedeutung ihrer Hauptstadt zu erhöhen und verschönerten Kiew auf jede Weise. Jaroslaw der Weise errichtete die Kathedrale der heiligen Sophia und eine Reihe anderer Kirchen und Klöster. Die Kiewer Kathedrale der heiligen Sophia überrascht durch ihre Großartigkeit und Herrlichkeit. Die Paläste und Kirchen, die die Kiewer Fürsten bauten, geben Zeugnis von den gesteigerten kulturellen Ansprüchen der russischen Menschen, die sich eine eigene Kultur schufen und die kulturellen Errungenschaften anderer Länder zunutze machten. Griechische Künstler und Architekten, die von den Fürsten eingeladen worden waren, mussten den Neigungen und Ansprüchen der Auftraggeber Rechnung tragen. Sie erbauten Kirchen mit zahlreichen Kuppeln, wie man sie weder in Byzanz noch in westlichen Ländern antreffen konnte.

Neben Kiew entwickelten sich auch andere Städte. Besonders reich wurde das Große Nowgorod. Auch neuer Städte entstanden; unter ihnen ragte Jaroslawl an der Wolga hervor. Nach dem Tode Jaroslaws des Weisen im Jahre 1054 wurde das weite Kiewer Reich unter seine Söhne aufgeteilt, die sich wegen der Beherrschung der reichsten Fürstentümer bekämpften. Die inneren Zwistigkeiten machten sich die neuen asiatischen Nomaden – die Polowzer – zunutze, die in den südlichen Steppen anstelle der von ihnen verdrängten Petschenegen erschienen waren. Die Überfälle der Polowzer verheerten das russische Land. Im Kampfe mit den Polowzern zeichnete sich einer der Enkel Jarolaws, Wladimir Wsewolodowitsch, genannt der Monomach (was „Einzelkämpfer“ bedeutet) aus. Seinen Beinamen erhielt er nach dem griechischen Kaiser Konstantin Monomachos, mit dem Wladimirs Mutter verwandt war.

Die Siege über die Polowzer brachten Wladimir Monomach großen Ruhm ein und erleichterten ihm die Beherrschung Kiews. Wladimir Monomach verstand es die Einheit des Kiewer Staates wiederherzustellen, und war bemüht, nach dem Beispiel seiner Vorfahren, mit den europäischen Staaten enge Beziehungen zu unterhalten.

Zu jener Zeit bürgerte sich in allen Staaten Westeuropas das Feudalsystem der Wirtschaft ein. Die Fürsten und Heerführer bemächtigten sich der im Gemeinbesitz befindlichen Ländereien, verteilten die Bauern unter sich und zwangen sie, auf ihren Besitzungen als Leibeigene zu arbeiten. Das Land, das die Fürsten ihren Kriegsmannen zuteilten, hieß französisch Féod (Lehn), und seinen Eigentümer nannte man Feudalherren (Lehnsherrn).

Der Übergang zum Feudalismus in Russland fiel in die Blütezeit des Kiewer Staates. Als Denkmal des Feudalsystems dieser Zeit erscheint die „Russische Prawda“. Dies war eine Sammlung von Gesetzen, nach denen Recht gesprochen wurde. In der „Russischen Prawda“ spiegelten sich die Gebräuche und Zustände wider, die sich in der russischen Feudalgesellschaft des 10. Und 11. Jahrhunderts herausgebildet hatten. Nach der „Russischen Prawda“ mussten für den Mord an einem Krieger, einem Gefolgsmann der Fürsten und Bojaren, 80 Griwny (Silberbarren) Strafe, für den Mord an einem Smerd jedoch 5 Griwny gezahlt werden. Auf diese Weise wurde das Leben eines Bauern formal 16mal geringer als das Leben eines fürstlichen Dieners einschätzt.

Die Kirche und die höhere Geistlichkeit begünstigten die Stärkung der Macht der Fürsten und Bojaren. Die Fürsten spendeten der Kirche und den Klöstern große Reichtümer und viele Ländereien. Die Bauern, die auf den Ländereinen der Kirchen und Klöster wohnten, verloren ihre Selbstständigkeit und wurden Leibeigene.

Gleichzeitig waren die Kirchen und Klöster zu jener Zeit fast die einzigen Heimstätten der Kunst des Lesens und Schreibens und der sonstigen Bildung. Bereits 100 Jahre vor Wladimir wurde das slawische Alphabet aufgestellt. Man fing an, das Evangelium und andere kirchliche Bücher aus dem Griechischen in die altslawische Sprache zu übersetzen. Man schrieb nicht auf Papier, sondern auf dünnes Leder. Die Abschreiber zeichneten die Buchstaben mit einem Gänsekiel oder einem Rohrstäbchen sorgfältig auf. Die Anfangsbuchstaben der Kapitel malten sie mit farbigen Mustern aus. An einem Buch arbeitete man viele Monate, mitunter auch Jahre.

Im Kiewer Rusj begann man auch, außer den übersetzten Büchern, eine eigene russische Literatur in der klaren und bilderreichen russischen Volkssprache zu schaffen. Durch den Umgang mit Griechen, Bulgaren und anderen Völkern wurde die russische Sprache mit neuen Wörtern bereichert.

In den Klöstern und auch bei einzelnen vornehmen und reichen Leuten entstanden große Büchereien. Eine ausgezeichnete Bibliothek besaß der Großfürst Jaroslaw der Weise. ER war ein großer Buchliebhaber und flößte seinen Kindern die Liebe zu Büchern ein. Auch Wladimir Monomach war ein sehr gebildeter Mensch. Er schrieb das interessante Werk: „Belehrung der Kinder“, in welchem er das Bild eines idealen russischen Fürsten zeichnete. Seinen Kindern hinterließ er das Vermächtnis, eifrig zu lernen: „Was Ihr Gutes könnt, das vergesst nicht, aber was Ihr nicht könnt, das lernt!“

Der Kiewer Staat dehnte sich immer mehr aus und wurde stark. Ackerbau und Handwerk gediehen, der Großgrundbesitz entwickelte sich, die wirtschaftliche Bedeutung der Städte verstärkte sich. Die ununterbrochene Entwicklung des Feudalismus nahm ihren Lauf. Das Kiewer Rusj schuf seine eigene Kultur und verstand es, von den anderen Völkern das Vorbildliche ihrer Kultur und Kunst zu entlehnen und in seine Stile umzugestalten. Persiche Gewebe, arabisches Silber, chinesische Stoffe, ägyptisches Geschirr, byzantinsicher Brokat, fränkische Schwerter wurden nicht nur weithin über Rusj verbreitet, sondern dienten auch als Muster, die die Entwicklung eines eigenen Kunststiles der russischen Menschen unterstützten.

In dem Maße, wie die örtlichen Grundbesitzer an Macht zunahmen und reich wurden, wuchs auch ihr Bestreben, sich von Kiew zu trennen. Die großen Städte des Kiewer Rusj verwandelten sich in Zentren örtlicher Fürstentümer. Jeder der Fürsten strebe danach, sich der Botmäßigkeit dem Kiewer Großfürsten zu entziehen. Zwischen den Fürsten fanden ununterbrochen Zusammenstöße und Kriege statt. Durch diese Kriege wurde das russische Land verheert und den äußeren Feinden die Möglichkeit zu Überfällen erleichtert. Die ärgsten Feinde waren die nomadisierenden Polowzer aus den asiatischen Steppen. Im 12. Jahrhundert wurde der weiträumige Kiewer Staat unter den Söhnen und Enkeln Wladimirs des Monomachen nach dem Erbgrundsatz aufgeteilt: „Jeder möge über sein väterliches Erbteil herrschen.“ Bald zerfiel der Kiewer Staat in eine Reihe unabhängiger Fürstentümer.

 

entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1

Original-Autorin Anna Michailowna Pankratowa

Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“