Sowjetunion strebt nach kollektiver Sicherheit. Vorfeld II. Weltkrieg

Die erhöhte Gefahr eines Krieges in Europa ließ die UdSSR ihre Anstrengungen
für die Errichtung eines Systems der kollektiven Sicherheit verstärken, in dem
sich alle europäischen Staaten unabhängig von ihrer Gesellschaftsordnung dem
Expansionsstreben Hitlerdeutschlands gemeinsam entgegenstellen sollten. Unter
dem Druck der demokratischen Öffentlichkeit ihrer Länder sahen sich die
Regierungen Großbritanniens und Frankreichs gezwungen, im Frühjahr 1939
der Einladung zu Verhandlungen mit der Sowjetregierung zu folgen. Auf Grund
der antikommunistischen Haltung der Regierungen der Westmächte, die zur
gleichen Zeit Geheimverhandlungen mit Hitlerdeutschland gegen die Sowjet-
union führten, kamen jedoch keinerlei Abmachungen zum Schutze des bedrohten
Friedens zustande.

Sowjetisch-deutscher Nichtangriffsvertrag 1939

1939 drohte für die Sowjetunion nicht nur von Europa, sondern auch vom Fernen Osten die Gefahr eines Krieges. Die sowjetische Regierung musste verhindern, dass die UdSSR isoliert einem Zweifrontenkrieg ausgesetzt wurde. In dieser Lage und nachdem die Verhandlungen mit Großbritannien und Frankreich im Frühjahr und Sommer 1939 ergebnislos verlaufen waren, sah sich die Sowjetregierung im August 1939 gezwungen, das Angebot der Hitlerregierung anzunehmen, einen  Nichtangriffsvertrag zwischen beiden Staaten abzuschließen.

Entnommen aus „Geschichte in Übersichten“, Wissensspeicher für den Unterricht- Volk und Wissen – Volkseigener Verlag Berlin 1982,

zusammengestellt von Petra Reichel

Original-Text aus „Geschichte in Übersichten“

Die UdSSR im Kampf für den Frieden und um die Festigung ihrer Verteidigungsfähigkeit

1. Das Heranreifen der Kriegsgefahr

Bei der sozialistischen Aufbauarbeit hatte der Sowjetstaat große Schwierigkeiten nicht nur innerlicher, sondern auch äußerlicher Natur zu überwinden. Mehr als einmal rückte der Krieg bis an die Grenzen des Landes heran.

Der Krieg ist in der kapitalistischen Gesellschaft kein Zufall und entsteht nicht infolge von Fehlern der Staatsmänner und -frauen. (Obwohl man sich bei Annalena Baerbock da nicht sicher sein kann. P.R.)

Der Kapitalismus entwickelt sich bekanntlich ungleichmäßig. Einzelne Betriebe, Industriezweige und ganze Staaten entwickeln sich nicht im Sinne einer planmäßigen Vorwärtsbewegung, sondern ungleichmäßig und sprunghaft. Ein Land, das ganz vor kurzem noch als rückständig galt, rückt unter dem Einfluss der kapitalistischen Entwicklung vor und überholt andere Staaten. So galt Japan in der Mitte des (vor-)vergangenen Jahrhunderts als ein rückständiges Land und wurde von niemanden für eine Großmacht gehalten. Aber die rasche Entwicklung des Kapitalismus brachte Japan voran. Es überfiel China, zerschlug die chinesischen Armeen und eroberte einen Teil des chinesischen Territoriums. Im Laufe von etwa 20-30 Jahren verwandelte sich Japan in eine der starken Weltmächte.

Eine solche ungleichmäßige Entwicklung des Kapitalismus führt früher oder später zu einer Störung des bisher geltenden Kräfteverhältnisses. Der Staat, der aufgerückt und mächtiger geworden ist, beansprucht neue Märkte und neue Gebiete. Da aber die ganze Welt bereits aufgeteilt ist, kann man neue Märkte und neue Landgebiete nur erwerben, wenn man sie mit Gewalt anderen Mächten wegnimmt. Andererseits halten sich die Länder, die zurückgedrängt wurden oder ihre Kolonien eingebüßt haben, für benachteiligt und sammeln ebenfalls Kräfte, um das Verlorene wiederzuerringen. Daher die Unvermeidlichkeit der Kriege beim Kapitalismus.

„Die Marxisten haben wiederholt erklärt“, so sagt J.W. Stalin, dass das kapitalistische System der Weltwirtschaft die Elemente einer allgemeinen Krise und kriegerischer Zusammenstöße in sich birgt, dass infolgedessen die Entwicklung des Weltkapitalismus in unserer Zeit nicht in Form einer ruhigen und gleichmäßigen Vorwärtsbewegung erfolgt, sondern durch Krisen und Kriegskatastrophen.“

Die Gefahr eines Krieges war in den 1930er Jahren besonders akut geworden. Während im Sowjetlande der Sozialismus erfolgreich aufgebaut wurde, erlebte die kapitalistische Welt eine tiefgreifende Wirtschaftskrise. Werke wurden stillgelegt, Hochöfen ausgeblasen. Millionen von Arbeitern wurden Opfer der Arbeitslosigkeit. Die Krise tobte vom Jahre 1929-1933. Aber auch nach 1933 wartete die Weltbourgeoisie vergeblich auf einen Aufschwung der Industrie. Die kapitalistische Wirtschaft wurde nur langsam wiederhergestellt und erreichte fast nirgends den Stand von 1929. In der zweiten Hälfte des Jahres 1937 begann eine neue Wirtschaftskrise. Die Erzeugung ging zurück. Die Arbeitslosigkeit wuchs. Das Volk hungerte. Überall wuchs die Unzufriedenheit der Werktätigen.

In den aggressiven Staaten verstärkte sich das Bestreben, ihre Lage auf Kosten anderer, friedliebender Länder zu verbessern, und das bedeutete Krieg. Die Kriegsgefahr reifte im Osten und Westen heran. Japanische Truppen begannen bereits im Jahre 1931 die Eroberung der Mandschurei und schufen sich dort ein Aufmarschgebiet sowohl für eine weitere Eroberung Nordchinas als auch für einen Überfall auf die Sowjetunion.

Besonders akut war die Bedrohung des Friedens durch Deutschland geworden. Dieses hatte im ersten Weltkrieg eine Niederlage erlitten, seine Kolonien eingebüßt und war des Rechts verlustig gegangen, eine große Armee zu unterhalten. Aber gleich im Jahre 1918 begann Deutschland nach dem verlorenen einen neuen Krieg vorzubereiten. Die deutschen Imperialisten stellten die Rüstungsfabriken heimlich wieder her, erzeugten Geschütze und andere Ausrüstung, bauten U-Boote in Spanien, Argentinien und Finnland. Deutschland war es verboten, eine große Kriegsmarine zu unterhalten, aber insgeheim wurden Schiffe gebaut und Marineoffiziere ausgebildet.

Die deutschen Imperialisten zogen eine politische Partei groß, die einen neuen Eroberungskrieg organisieren und entfesseln könnte. Das war die faschistische Partei mit Hitler an der Spitze – die reaktionärste und räuberischste aller Parteien. Um das Volk zu täuschen, nannte sich diese Partei Nationalsozialistische, hatte aber in Wirklichkeit mit dem Sozialismus nichts gemein und vertrat auch nicht die Interessen der Nation. (In der alten BRD und im heutigen Deutschland wurde und wird immer noch vom Nationalsozialismus gesprochen. P.R.)

Im Jahre 1933 brachten die deutschen Imperialisten die Nazis an die Macht. Von diesem Zeitpunkt an schritten die Kriegsvorbereitungen rasch voran. Die Nazis traten bei sich im Lande alle demokratischen Freiheiten, die vom Volke im Kampf gegen die Reaktion erkämpft worden waren, zu Boden. Die Nazis jagten die Arbeiterorganisationen auseinander, verboten die Kommunistische sowie andere demokratische Parteien und ermordeten ihre Führer.

Die Nazis stellte die ganze Wirtschaft, das ganze Leben des Landes in den Dienst der Kriegsvorbereitungen. Trotz des Friedens wurde die gesamte Industrie auf Rüstung umgestellt. Die Erzeugung von Gegenständen des täglichen Bedarfs ging rapide zurück. In fieberhaftem Tempo wurden Flugzeuge, Panzer, Maschinengewehre gebaut. „Wir brauchen Kanonen statt Butter“ – so schrien die Nazis.

In den Jahren ihrer Herrschaft verdarben sie eine ganze Generation und weckten in ihr die niedrigsten Instinkte. Das Land verwandelte sich in eine gigantische Kaserne. Hitler versprach den Deutschen, die ganze Welt zu erobern und alle anderen Völker zu versklaven. Die besondere Wut der Nazis richtete sich gegen die Slawen. „Wenn wir unser großdeutsches Reich schaffen wollen“, so redete Hitler den Deutschen ein, „müssen wir vor allem die slawischen Völker – die Russen, Polen, Tschechen, Slowaken, Bulgaren, Ukrainer und Weißrussen- verdrängen und ausrotten.“

Die faschistischen Generale hatten Pläne für die Überfälle zunächst auf die nächsten Nachbarn und später auch auf andere Staaten rechtzeitig ausgearbeitet. Zum ersten Opfer war Österreich ausersehen. Die Eroberung Österreichs sollte die Positionen Deutschlands im Kampf gegen die Tschechoslowakei verstärken: die geriet gleichsam in eine Zange. Die Besetzung der Tschechoslowakei sollte den Nazis eine reiche Industrie in die Hände spielen und es möglich machen Polen vom Süden her anzugreifen und es fast völlig einzukreisen. So planten die Nazis ein Land nach dem anderen und damit ganz Europa und später die ganze Welt zu erobern.

Während die Nazis im Lande hemmungslose offene Kriegsvorbereitungen betrieben, versuchten sie gleichzeitig, die öffentliche Meinung der Welt über ihre wahren Ziele zu täuschen. Die Nazis versuchten alle davon zu überzeugen, dass sie den Kampf gegen den Kommunismus im eigenen Lande führten und keinesfalls die Absicht hätten, andere Staaten zu überfallen. In England, in Frankreich und Polen, in einer ganzen Reihe von Ländern drückten die führenden Staatsmänner (Staatsfrauen werden hier nicht mehr erwähnt, da es, von Ausnahmen abgesehen, wie Alexandra Kollontai, damals nur Staatsmänner gab. P.R.) in Bezug auf die Kriegsvorbereitungen Deutschlands ein Auge zu. Sie hielten den Faschismus für ein gutes Gegengift gegen die Arbeiterbewegung in Europa und die nationale Freiheitsbewegung in Asien. Unter diesen Staatsmännern gab es nicht wenige, die ihre Hoffnung darauf setzten, Hitlerdeutschland gegen die Sowjetunion zu hetzen. Die Sowjetregierung allein begriff, dass die Nazis die Wachsamkeit der Regierungen und der Öffentlichkeit anderer Staaten einschläferten, um sie später desto leichter zu unterwerfen. Die Sowjetregierung entlarvte die nazistischen Versuche und schlug allen friedliebenden Ländern vor, sich zum Kampf gegen die Kriegsbrandstifter zu vereinen. Die Sowjetregierung versuchte alle Möglichkeiten auszunutzen, um eine Entfesselung des Krieges durch die Nazis zu verhindern. Sie schlug den Nachbarstaaten vor, Nichtangriffspakte abzuschließen. Ende 1934 trat die Sowjetunion auf Einladung von 30 Mitgliedsstaaten des Völkerbundes in den Völkerbund ein. Die Organisation hat nichts Reales unternommen, um dem Krieg vorzubeugen. Trotzdem versuchte die Sowjetregierung, die mit allen Mitteln um den Frieden kämpfte, auch durch den Völkerbund andere Staaten zu veranlassen, die Angreifer gemeinsam abzuwehren und alle antifaschistischen Kräfte zu vereinigen.

Aber die Regierungen der westeuropäischen Länder schenkten den eindringlichen Warnungen der Sowjetunion kein Gehör. Die Staatsmänner Frankreichs, Englands und Polens widersetzten sich nicht der faschistischen Aggression und beschränkten sich gegenüber den faschistischen Häuptlingen auf die Politik der Gutzuredens.

Die Aggressoren nutzten diese Lage aus und wurden übermütig. Japan fiel in China ein. Italien überfiel Abessinien. Die deutschen und italienischen Faschisten traten gemeinsam gegen das republikanische Spanien auf. In den Jahren 1936-1937 schlossen sich die faschistischen Länder zu einem Block zusammen. Deutschland, Japan und Italien schlossen untereinander den „Antikominternpakt“, das heißt, ein Abkommen über den Kampf gegen den Kommunismus, ab. In Wirklichkeit war dieser Pakt ein Militärbündnis mit dem Ziel, die Welt auf Kosten Englands, Frankreichs und der USA neu aufzuteilen. Dieses Bündnis wurde gleichzeitig mit dem Ziel abgeschlossen, einen Kampf gegen die Sowjetunion zu führen.

Im Laufe weniger Jahre waren bereits viele Völker in den Strudel des Krieges hineingerissen worden. Anfang 1938 eroberte Deutschland Österreich und gliederte es ein, ein Jahr später wurde die Tschechoslowakei vom gleichen Schicksal ereilt. Keines der kapitalistischen Länder, die die Unabhängigkeit dieser Staaten garantiert hatten, kam ihnen zu Hilfe. Die Sowjetunion allein erklärte sich bereit, der Tschechoslowakei Hilfe zu gewähren, aber ihr Vorschlag an England und Frankreich, gemeinsam Schritte gegen die Aggressoren zu unternehmen, wurde von diesen Mächten abgelehnt.

2. Die Zerschmetterung der japanischen Eindringlinge am Chassansee und am Chalchin-Gol

Die japanischen Imperialisten beschlossen ihrerseits, den günstigen Moment auszunutzen. Sie glaubten, dass die Aufmerksamkeit der Sowjetunion auf die Westgrenzen gerichtet sei, wo die Lage immer gespannter wurde. Die japanischen Imperialisten kamen auf die Idee, die Kampfstärke der Sowjetunion zu sondieren: vielleicht dass es ihnen gelänge, sich auf Kosten der Sowjetunion zu bereichern? Am 29. Juli 1938 überschritten japanische Truppen unter dem Schutz des Nebels die Grenze in der Nähe des Chassansees. Die sowjetischen Grenzschützen nahmen den Kampf mit den Eindringlingen auf. Die Japaner erlitten schwere Verluste, aber ihre zahlenmäßige Überlegenheit machte es ihnen möglich, drei bis vier Kilometer tief in das sowjetische Teritorium vorzurücken. Nachdem sie zwei Grenzhügel – Saosernaja und Besymjannaja- besetzt hatten, begannen die Japaner, die in Eile zu befestigen. Sie errichteten Drahtverhaue in drei bis vier Reihen, hoben Panzergräben aus und zogen viele Geschütze und Maschinengewehre heran.

 

Das sowjetische Kommando nahm die Liquidierung der eingebrochenen japanischen Truppen in Angriff. Trotz des gegnerischen Trommelfeuers warfen die sowjetischen Truppen die Japaner am 2. August zurück und rückten dicht bis vor die Hügel Saosernija und Besymjannaja vor. Die Hügel sollten gestürmt werden. Es regnete heftig. Die Straßen waren aufgeweicht, Geschütze und Panzer versanken im Schlamm.

Der Sturmangriff wurde auf den 6. August angesetzt. Genau zur festgelegten Zeit vernahm man anschwellendes Motorengeräusch. Hunderte Bomben fielen auf die befestigten Stellungen der Japaner. Steine und Teile von Geschützen und Maschinengewehren flogen in die Luft. Man hatte den Eindruck, als ob die ganze Erde sich aufgebäumt hätte und auf die Japaner herabgestürzt wäre. Den Bombern folgten die Jäger und bestrichen die Gräben mit Bleihagel. Unter den japanischen Soldaten brach Panik aus. Kein einziges japanisches Flugzeug hatte es gewagt, im Nebel zu starten. Die sowjetischen Flieger dagegen erschienen immer wieder über den Hügeln, zerbrachen die Verteidigung des Feindes und setzten seine zahlreichen Flakbatterien außer Gefecht. Die Artillerie hielt die Hügel unter ununterbrochenem Feuer.

Nach der Artillerievorbereitung brachen die Panzer vor. Sie rollten Maschinengewehrnester und Schützenlöcher der Japaner hinweg, zerrissen Drahtverhaue und vernichteten die japanischen Pakbatterien.

Den Panzern auf der Spur folgte die sowjetische Infanterie. Unter starkem Feuer überquerte sie die Sümpfe, brach in die feindlichen Gräben ein und besetzte diese nach hartem Bajonettkampf.

Alle Gegenangriffe der Japaner, die mehrfach versuchten, die verlorenen Stellungen wiederzuerringen, wurden mit großen Verlusten für sie zurückgeschlagen.

Der Schlag am Chassansee war blitzartig und vernichtend. Er brachte jedoch die japanische Militärclique nicht zur Vernunft. Sie hielt die Situation für günstig und hatte nicht die Absicht, ihre Ansprüche auf sowjetisches Territorium fallen zu lassen. Die japanischen Generale nahmen an, dass der Schlag bei Chassan nicht mehr als eine lokale Episode sei. Außerdem musste ihr wankendes Prestige in den Augen der internationalen öffentlichen Meinung wiederhergestellt werden, und die japanischen Imperialisten bereiteten deshalb einen neuen Angriff, diesmal gegen die Mongolische Volksrepublik, vor.

Am 11. Mai 1939 überfielen japanische Einheiten unerwartet die Grenzwachen der mongolischen Volksarmee 20 Kilometer östlich des Flusses Chalchin-Gol. Es entwickelten sich Kampfhandlungen.

Die Rote Armee kam der verbündeten Mongolischen Volksrepublik zu Hilfe. Die Japaner nahmen an, dass es dem sowjetischen Kommando nicht gelingen würde, das Kriegsmaterial rechtzeitig heranzuziehen, weil die Schlachtfelder 600-700 Kilometer von der nächsten Eisenbahnstation entfernt lagen. Aber das sowjetische Kommando vermochte dieses Hindernis zu überwinden und die notwendigen Kräfte samt dem Material rasch heranzubringen. Alle Versuche der Japaner, in die Tiefe der Mongolischen Volksrepublik vorzustoßen, wurden unterbunden.

Die Japaner begannen, Verstärkungen zusammenzuziehen. Von allen chinesischen Fronten wurden Flugzeuge, Panzer und Artillerie hinterhergeworfen. Nachdem sie genügend Kräfte konzentriert hatten, begannen die Japaner am 17. August eine neue Offensive, erlitten aber erneut eine Niederlage.

Die sowjetisch-mongolischen Truppenteile gingen zu einem entschlossenen Gegenangriff über. In den frühen Morgenstunden des 20. August stiegen sowjetische Bomber und Jäger auf. Die Rauch- und Staubwolken über der Linie der japanischen Feldbefestigungen waren nach dem Luftangriff noch nicht verzogen, als die Artillerie bereits zu Wort kam. Nach wuchtiger Artillerievorbereitung begann der Sturmangriff gegen die japanischen Stellungen. Der Infanterieangriff war unwiderstehlich. Trotz erbitterter Gegenwehr der Japaner hatte die südliche Gruppe der sowjetischen Truppen am gleichen Tage die Front durchbrochen.

Die nördliche Truppe stieß auf einen stärkeren Widerstand, aber am 22. August hatte auch sie die Verteidigung der Japaner durchbrochen. Nachdem sie die Flanken des Feindes zerschlagen hatten, führten die Kolonnen der sowjetischen Truppen eine fast völlige Einkesselung der Japaner durch und nahmen die feindliche Nachschublinie unter Feuer. Die japanischen Truppenteile waren eingeschlossen. Der Ring zog sich von Stunde zu Stunde enger zusammen. Die Japaner hatten keinen ruhigen Augenblick. Angriffe der sowjetischen Bomber, die Tausende von Bomben abwarfen, wechselten mit denen der sowjetischen Jäger ab, deren Maschinengewehrfeuer die Infanterie niedermähte. Die sowjetische Artillerie verrichtete ihr Werk, sowjetische Panzer brachen durch und zermalmten alles auf ihrem Wege. Und schließlich kam die sowjetische Infanterie, die die Japaner nicht standzuhalten vermochten. „Vor Beschuss kann man sich in einer Ritze verkriechen, einem russischen Bajonett kann man aber nicht entrinnen“ – so sagten die japanischen Soldaten.

Acht Tage lang dauerte die Vernichtung des eingekesselten Gegners. Insgesamt verloren die Japaner während der Kampfhandlungen etwa 60 000 Mann, davon nicht weniger als 25 000 Tote. Eine solche Niederlage hatten die Japaner in den letzten Jahrzehnten nicht gekannt.

3. Errichtung der Sowjetmacht in Westbjelorussland und in der Westukraine

Die militärischen Operationen am Chalchin-Gol fielen mit einer scharfen Veränderung der gesamten internationalen Lage zusammen. Die Entfesselung des Krieges durch den Faschismus beunruhigte die Völker der Welt. Unter dem Druck der Volksmassen nahmen die Regierungen Großbritanniens und Frankreichs Verhandlungen über den Kampf gegen die Aggressoren mit der Sowjetunion auf. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass die damaligen Regierungen Frankreichs und Großbritanniens überhaupt nicht ernstlich daran dachten, ein Abkommen über den gemeinsamen Kampf gegen das nazistische Deutschland abzuschließen. In der Tat träumten die Staatsmänner, die mit dem Schicksal ihrer Länder spielten, davon, die Macht der Sowjetunion durch Deutschland zu vernichten oder zum mindesten zu untergraben.

Die Sowjetregierung beschloss, einen Strich durch dieses offenbar provokatorische Spiel zu machen und zumindest für eine gewisse Zeit den Frieden für die Sowjetunion zu garantieren. Im Sommer 1939 unterzeichnete sie ein Handels- und Kreditabkommen mit Deutschland. Gleichzeitig schlug Deutschland der Sowjetunion vor, einen Nichtangriffspakt abzuschließen. Dieser Vorschlag berührte weder direkt noch indirekt die territoriale Integrität. Unabhängigkeit und Ehre des Sowjetstaates und bot darüber hinaus die Möglichkeit, die drohende Kriegsgefahr aufzuschieben. Aus diesem Grunde konnte die Sowjetregierung den Vertragsabschluss mit einer Nachbarmacht nicht ablehnen, wenn auch an ihrer Spitze solche Ungeheuer wie die Nazis standen. Am 23. August 1939 schloss die Sowjetunion mit Deutschland einen Nichtangriffspakt ab. Der nachfolgende Lauf der Ereignisse offenbarte die ganze Weisheit und Weitsicht der Sowjetregierung.

„Man könnte fragen“, sagte Stalin in seiner Rundfunkrede am 3. Juli 1941: „Wie konnte es geschehen, dass sich die Sowjetregierung auf den Abschluss eines Nichtangriffspakts mit solchen wortbrüchigen Leuten und Ungeheuern wie Hitler und Ribbentrop eingelassen hat? Ist hier von der Sowjetregierung nicht ein Fehler begangen worden? Natürlich nicht! Ein Nichtangriffspakt ist ein Friedenspakt zwischen zwei Staaten. Eben einen solchen Pakt hat Deutschland uns im Jahre 1939 angeboten. Konnte die Sowjetregierung ein solches Angebot ablehnen? Ich denke, kein einziger friedliebender Staat kann ein Friedensabkommen mit einem benachbarten Reich ablehnen, selbst wenn an der Spitze dieses Reiches solche Ungeheuer und Kannibalen stehen wie Hitler und Ribbentrop. Dies aber natürlich unter der einen unerlässlichen Bedingung: dass das Friedensabkommen weder direkt noch indirekt die territoriale Integrität, die Unabhängigkeit und die Ehre des friedliebenden Staates berührt. Bekanntlich war der Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und der Sowjetunion gerade ein solcher Pakt.“

Weiter erklärt J.W. Stalin, welche Vorteile dieser Vertrag mit Deutschland dem Sowjetland bot:

„Wir haben unserem Lande für eineinhalb Jahre den Frieden gesichert und die Möglichkeit, unsere Kräfte zur Abwehr vorzubereiten, falls das faschistische Deutschland es riskieren sollte, unser Land trotz des Paktes zu überfallen. Das ist ein unbestreitbarer Gewinn für uns und ein Verlust für das faschistische Deutschland.“

Auf diese Weise war der Versuch der aggressiven Kreise Großbritanniens und Frankreichs, die Sowjetunion gegen Deutschland auszuspielen, gescheitert. Am 1. September 1939 wurde Polen von Deutschland überfallen, und zwei Tage später erklärten England und Frankreich an Deutschland den Krieg.

Die polnische Regierung hat sich viele Jahre hindurch für den Krieg gerüstet und bei allen Gelegenheiten die Stärke ihrer Armee gerühmt. Sie nahm an dem gefährlichen Spiel derjenigen teil, die die Sowjetunion in den Krieg gegen Deutschland hetzen wollten. Die polnischen Machthaber machten dem deutschen Faschismus eine Reihe von Konzessionen und wurden in die antisowjetische Politik der Nazis einbezogen.

Die reaktionären Machthaber Polens führten auch innerhalb ihres Landes eine falsche Politik durch. Einen bedeutenden Teil Polens bildeten alte russische Länder, die von den polnischen Imperialisten im Jahre 1920 erobert worden waren, als das Sowjetland noch nicht stark genug gewesen war. Fast die Hälfte der Bevölkerung des polnischen Staates bestand aus Ukrainern, Bjelorussen, Juden und Litauern. Die regierenden Kreise Polens versuchten, die nationalen Minderheiten gewaltsam zu polonisieren. Die Machthabe Polens stützten ihre Herrschaft durch Strafexpeditionen, durch grausamen Terror und das Aufhetzen einer Nationalität gegen die andere. Die schwankende innere Lage des Landes hatte einen raschen Zusammenbruch des polnischen Staates vorausbestimmt: Polen vermochte nicht, den Angreifern zu widerstehen.

Der Angriff auf Polen war für die Faschisten ein Zwischenglied in dem allgemeinen Plan zur Eroberung Europas und vor allem der Sowjetunion. Bereits im Mai 1939, das heißt drei Monate vor Beginn des Krieges, sagte Hitler zu seinen Vertrauten, dass der Krieg gegen Polen für Deutschland notwendig sei, um die Eroberung des Territoriums und der Ernährungsbasen der Sowjetunion zu gewährleisten. Der Schlag gegen Polen war nur eine Nebenaktion für den entscheidenden Hauptschlag gegen den Osten. Nachdem sie die polnischen Truppen zerschlagen hatten, begannen sich die Nazis den Bezirken der Westukraine und Westbjelorusslands zu nähern. Die hitlerischen Eindringlinge eilten vorwärts, um diese beiden Gebiete in einen Aufmarschraum für den zukünftigen Krieg gegen die Sowjetunion zu verwandeln.

Die Sowjetregierung konnte das nicht zulassen. Sie konnte auch nicht die Brudervölker – die Ukrainer und Bjelorussen- in ihrer Not im Stich lassen und beschloss, ihnen die hilfreiche Hand entgegenzustrecken. Die Rote Armee erhielt den Befehl, die Grenze zu überschreiten und das Leben und Gut der Bevölkerung Westbjelorusslands und der Westukraine unter ihren Schutz zu nehmen.

In etwa zehn Tagen säuberte die Rote Armee fast 200 000 Quadratkilometer -einen ganzen Staat- von polnischen Truppen und befreite etwa 13 Millionen Menschen, darunter über 7 Millionen Ukrainer und über 3 Millionen Bjelorussen. Die Volksversammlungen Westbjelorusslands und der Westukraine beschlossen einstimmig, in den befreiten Gebieten die sowjetische Regierungsform einzuführen und an den Obersten Sowjet die Bitte zu richten, die befreiten Gebiete in die Sowjetunion aufzunehmen. Am 1. November 1939 gab der Oberste Sowjet der UdSSR der Bitte der Volksversammlung der Westukraine und am 2. November der Bitte der Volksversammlung Westbjelorusslands statt.

4. Die weitere Festigung der Sicherheit des Sowjetstaates

Nachdem sie in Westbjelorussland und in der Westukraine einen Misserfolg erlitten hatten, entfalteten die deutschen Faschisten eine Wühltätigkeit in den baltischen Ländern- in Estland, Lettland, Litauen und Finnland- sowie in Schweden und Norwegen. Sie hofften, einen neuen Kriegsherd und eine Bedrohung der Sowjetunion vom Nordwesten zu schaffen. Die Nazis beeilten sich, im Baltikum und in Finnland Fuß zu fassen und diese in Aufmarschgebiete für den Überfall auf die Sowjetunion umzuwandeln.

Die Situation in diesen Gebieten wurde immer heikler. Besondere Aufmerksamkeit wurde von den deutschen Faschisten Finnland gewidmet. Die finnische Regierung hielt ihre Beziehungen zum faschistischen Deutschland geheim. Die finnischen Machthaber verkauften sich den Deutschen, führten aber gleichzeitig Besprechungen mit den Regierungen Frankreichs, Großbritanniens und der USA, indem sie Hilfe gegen die Sowjetunion erbaten, die Finnland angeblich bedrohte. Die Mittel, die es der finnischen Regierung von England, Frankreich und den USA zu erhalten gelang, bot sie den Nazis an. Eigentlich war ganz Finnland den Nazis zur Verfügung gestellt. Die Deutschen erbauten in Finnland ein ganzes Netz von Flug- und Landeplätzen. In einer Reihe von Häfen wurden Reeden für Geschwader geschaffen, die ein Vielfaches der kleinen finnischen Flotte betrugen. Alte Festungen wie Sweaborg wurden wiederhergestellt und insbesondere auf der Kerelischen Landenge immer neue Küstenbefestigen erbaut. Die befestigte Zone der Karelischen Landenge, die nach dem finnischen Oberbefehlshaber die „Mannerheimlinie“ genannt wurde, begann in einer Entfernung von 32 Kilometern von Leningrad (heute St. Petersburg P.R.). Von der Karelischen Landenge aus konnte Leningrad aus Ferngeschützen beschossen werden, während Flugzeuge die Stadt in zwei bis vier Minuten erreicht hätten, so dass die Luftabwehr gar nicht hätte in Aktion treten können. Von dem Wiborger Fort Ino aus hatten die Finnen die Möglichkeit, Kronstadt unter Feuer zu nehmen oder aus der Wiborger Bucht heraus den Hafen von Kronstadt überraschend anzugreifen. Die Finnen bedrohten die Kirow-Eisenbahnstrecke, die das Land mit dem einzigen eisfreien Hafen im Norden -Murmansk- verbindet.

Die finnischen Befestigungen auf der Karelischen Landenge waren gleichsam eine Pistole, die auf Leningrad gerichtet war. Die Stadt Lenins und die nordwestlichen Grenzen der Sowjetunion durften einer solchen Drohung nicht ausgesetzt bleiben. Die Sowjetregierung wandte sich im Oktober 1939 an Finnland mit dem Vorschlag, einen Beistandspakt abzuschließen. Die Finnen lehnten ab. Mit dem Ziel, die Sicherheit Leningrads und der nordwestlichen Grenzen zu verstärken, schlug dann die Sowjetregierung Finnland vor, seine Grenzen auf der Karelischen Landenge um einige Dutzend von Kilometern zurückzuverlegen, sowie die Halbinsel Hanko an die Sowjetunion zu verpachten, damit dort ein Stützpunkt der sowjetischen Marine und Luftflotte geschaffen werden könne. An Stelle des abgetretenen Territoriums bot die Sowjetregierung ein doppelt großes Gebiet in Nordkarelien an.

Für jeden unvoreingenommen Menschen war es klar, dass die sowjetischen Vorschläge, die das Ziel hatten, die Sicherheit Leningrads zu gewährleisten, die vitalen Interessen Finnlands in keiner Weise berührten. Keine einzige Großmacht würde sich mit einem Zustand abfinden, bei dem ihre zweite Hauptstadt in der Reichweite feindlicher Geschütze liegt.

Die finnische Regierung weigerte sich, den sowjetischen Vorschlag anzunehmen, und führte eine allgemeine Mobilisierung ihrer Truppen durch.

In der Nacht zum 30. November 1939 versuchten die finnischen Truppen an zwei Grenzabschnitten auf sowjetisches Gebiet einzufallen. Truppenteile der Roten Armee schlugen diese Versuche zurück, gingen zum Angriff über und rückten bald bis an die „Mannerheimlinie“ vor. Die Rote Armee hatte nunmehr Befestigungen zu überwinden, die nach allen Regeln der modernen Kriegskunst erbaut waren. Nach sorgfältiger Vorbereitung traten die sowjetischen Truppen am 11. Februar 1940 zum Sturm gegen die finnischen Verteidigungsstellungen an.

Gleich am ersten Tag der Offensive gelang es der Roten Armee, eine Bresche in die Befestigungslinie zu schlagen. In diese Bresche strömten neue Truppeneinheiten hinein und erweiterten sie nach und nach. Der Sturm gegen die finnischen Befestigungen dauerte dreißig Tage ohne Unterbrechung an. Eine Befestigung nach der anderen wurde gestürmt, ein Bunker nach dem anderen zerstört, ein Hindernis nach dem anderen überwunden. Schließlich brach die scheinbar uneinnehmbare Befestigungslinie unter dem Druck der sowjetischen Truppen zusammen.

Finnland bat um Frieden. Am 12. März 1940 wurde der Friedensvertrag unterzeichnet, nach dem Finnland die Karelische Landenge zusammen mit der Wiborgbucht, die West- und Nordküste des Ladogasees zusammen mit den Städten Kexholm und Sortavala an die Sowjetunion abtrat. IM Bezirk von Kandalakscha wurde die Grenze, wo sie zu nahe an die Eisenbahnstrecke nach Murmansk herantrat, etwas zurückverlegt. Geringe Teile der Mittel- und Fischerhalbinsel sowie mehrere Inseln in der Finnischen Bucht kamen an die Sowjetunion. Finnland verpflichtete sich, gegen jährliche Bezahlung von 8 Millionen Finnmark die Halbinsel Hanko und die anliegenden Inseln zur Errichtung eines sowjetischen Marinestützpunktes für 30 Jahre zu verpachten. Der Friedensvertrag enthielt die gegenseitige Verpflichtung, sich jedes Angriffs gegen den Vertragspartner feindlichen Koalition Abstand zu nehmen.

Die Sowjetunion trat an Finnland das während des Krieges besetzte Petsamogebiet ab. Zum zweiten Male übergab die Sowjetunion freiwillig den eisfreien Hafen Petsamo an Finnland. Zum ersten Male geschah das im Jahre 1920.

Durch den Friedensvertrag wurde die Sicherheit des Sowjetstaates gefestigt. Gleichzeitig blieb Finnland ein selbstständiges, unabhängiges Land, in dessen innere Angelegenheiten die Sowjetunion sich nicht einmischte. Die Sowjetunion stellte vor der ganzen Welt die Gerechtigkeit und die Großmut der Außenpolitik des sozialistischen Staates unter Beweis.

Die Niederlage Finnlands bedeutete für das faschistische Deutschland den Verlust eines der Aufmarschgebiete für den Überfall auf die Sowjetunion. Durch den Misserfolg beunruhigt, verstärkten die Nazis ihre feindliche Tätigkeit gegen das Sowjetland im Baltikum.

Die Sowjetunion schloss im Jahre 1939 Beistandspakte mit drei baltischen Staaten ab. Diese Verträge garantierten den kleinen Ländern Unabhängigkeit und Beistand gegen das aggressive Deutschland. Aber die reaktionären Regierungen Estlands, Lettlands und Litauens nahmen hinter dem Rücken des Volkes Verhandlungen mit den Nazis auf. Dem Wunsch der Nazis entsprechend, schlossen die Regierungen Estlands, Lettlands und Litauens untereinander einen militärischen Geheimpakt ab, der gegen die Sowjetunion gerichtet war. Die Machthaber der baltischen Länder griffen zu antisowjetischen Provokationen. Litauische Behörden verhafteten einige Rotarmisten. Durch Misshandlungen und Drohungen versuchten sie ihnen die Zusammensetzung und Stationierung der sowjetischen Truppenteile zu erpressen. Ein Sergeant wurde von litauischen Gendarmen ermordet, ein anderer verschwand. Die estnischen und lettischen Staatsmänner unterstützten Litauen.

Im Juni 1940 überreichte Molotow dem litauischen Botschafter eine Note, deren Inhalt auch der lettischen und der estnischen Regierung zur Kenntnis gebracht wurde. Die Sowjetregierung forderte, dass man den litauischen Innenminister und den Chef des Departments der Politischen Polizei, die an der Entführung und Ermordung der Rotarmisten unmittelbar schuldig waren, vor Gericht stelle; dass eine Regierung gebildet werde, die imstande und bereit wäre, den Beistandspakt ehrlich zu erfüllen; dass den sowjetischen Truppenteilen freier Durchzug auf litauisches Gebiet gewährt würde, damit diese in den wichtigsten Zentren des Landes stationiert werden könnten, um die Erfüllung des Beistandspaktes zu gewährleisten und provokatorischen Handlungen vorzubeugen.

Das litauische Volk war über das Verhalten seiner regierenden Clique empört. Da sie den Zorn des Volkes fürchtete. Erklärte sich die litauische Regierung mit dem sowjetischen Vorschlag einverstanden. Die sowjetischen Truppen überschritten die litauische Grenze. Der Präsident von Litauen, Smetona, und einige der höchsten Staatsbeamten flüchteten nach Deutschland und offenbarten damit, wer hinter ihnen stand.

Das Verhalten der lettischen und der estnischen Behörden rief bei den Volksmassen die gleiche Empörung hervor. In Litauen, Lettland und Estland wurden neue Regierungen gebildet, die sich zumeist aus Persönlichkeiten zusammensetzten, die durch ihre revolutionäre Tätigkeit gegen die alten Verräterregierungen ihrer Länder bekannt waren.

Die Völker des Baltikums forderten in Versammlungen und Kundgebungen die Proklamierung der Sowjetmacht und den Eintritt in die Sowjetunion. In Estland wurden Wahlen für die Staatsduma, in Litauen und Lettland für den Sejm durchgeführt. Im Julie 1940 beschlossen die Volksvertreter in allen drei Republiken einstimmig, die Sowjetordnung einzuführen.

Eine neue Seite wurde in der Geschichte des Baltikums aufgeschlagen. Gelichzeitig reiften auch im Süden des Sowjetlandes wichtige Ereignisse heran. Seit mehr als 20 Jahren war die Bessarabienfrage unentschieden geblieben. Unter Ausnutzung der militärischen Schwäche des Sowjetlandes hat Rumänien mit deutscher Hilfe im Jahre 1918 Bessarabien an sich gerissen. Die rumänischen Bojaren trieben in Bessarabien eine Raubwirtschaft. In den ersten zehn Jahren der Besatzung allein waren über 300 000 Werktätige Bessarabiens gezwungen, nach Amerika und anderen Staaten auszuwandern, um sich vor der kolonialen Ausplünderung durch die rumänischen Herrscher zu retten.

Die Sowjetunion hatte die Eroberung Bessarabiens durch Rumänien nie anerkannt und sich das Recht vorbehalten, auf diese Frage zurückzukommen, wenn sie es für nötig befinden würde. Am 26. Juni 1940 wandte sich Molotow an Rumänien mit einer Note. Die sowjetische Regierung erklärte: „Jetzt, da die militärische Schwäche der UdSSR der Vergangenheit angehört und die gegenwärtige internationale Lage die rascheste Lösung der aus der Vergangenheit als Erbe übernommenen ungelösten Fragen erfordert, um endlich die Grundlagen für einen dauerhaften Frieden zwischen den Ländern zu schaffen, hält es die Sowjetunion im Interesse der Wiederherstellung der Gerechtigkeit für unerlässlich und angebracht, die Lösung der Frage der Rückkehr Bessarabiens in die Sowjetunion gemeinsam mit Rumänien unverzüglich in Angriff zu nehmen.“

W.M. Molotow betonte, dass Bessarabien sowohl durch gemeinsame Geschichte als auch gemeinsame Sprache und nationale Struktur mit der Nordbukowina eng verbunden sei, und die die Nordbukowina, die bereits im Jahre 1918 den Anschluss an das Sowjetland beschlossen hatte, an die Sowjetunion abgetreten werden müsse. In der Note wurde darauf hingewiesen, dass eine solche Abtretung gleichzeitig ein Mittel zu einer gewissen Wiedergutmachung des Schadens wäre, der durch Rumänien der Bevölkerung Bessarabiens und der Sowjetunion zugefügt worden war.

Die rumänische Regierung nahm geheime Verhandlungen mit Hitlerdeutschland auf, von dem sie Hilfe erbat. Deshalb wich sie zunächst einer Lösung der bessarabischen Frage aus, erklärte sich aber schließlich mit dem Vorschlag der Sowjetregierung einverstanden, da sie bei einem Kampf gegen die Rote Armee eine vollständige Niederlage befürchtete. Die Rote Armee marschierte in Bessarabien und die Nordbukowina ein.

Die vom Joch der rumänischen Bojaren befreite Bevölkerung bereitete der Roten Armee einen außerordentlich herzlichen und freudigen Empfang. Greise, darunter so mancher Teilnehmer des Bürgerkrieges und Mitstreiter des legendären bessarabischen Helden Kotowskij, weinten vor Freude und sagten: „Zwanzig Jahre haben wir auf euch gewartet, ihr Lieben!“

Der Einmarsch der Roten Armee in Bessarabien und in die Nordbukowina gestaltete sich zu einem Triumphzug. Die mit Hilfe der deutschen Imperialisten von ihrer sowjetischen Heimat losgerissenen Gebiete kehrten jetzt zu Heimat zurück.

Am 1. August 1940 wurde die VII. Tagung des Obersten Sowjets der UdSSR eröffnet, zu der Vertreter Litauens, Lettlands, Estlands, Bessarabiens und der Nordbukowina eintrafen. Die Tagung bestätigte die Gesetze zur Bildung der Moldauischen SSR, über die Aufnahme der Nordbukowina und der Kreise von Chotin, Akkerman und Ismail in die Ukranisiche SSR sowie die Aufnahme der Litauischen und Estnischen SSR in die Sowjetunion. Der Sowjetunion gehörten nunmehr 16 Unionsrepubliken an.

 

 

Entnommen aus „Das Sowjetland“, Band 4, Original-Autoren I-I- Minz, I.M. Rassgon und A.L. Sidorow, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 4