Zunächst geht es um technische Dinge. Dann wieder um die bis zum 31.12.1989 zur Entlassung vorgesehen Mitarbeiter.
Von den bis zum 31.12.1989 zur Entlassung vorgesehenen 3 215 Mitarbeitern des AfNS und 3 500 Mitarbeitern der Bezirksämter wurden 620 bzw. 300 zum Zoll vermittelt.
Die Situation unter den Mitarbeitern der ehemaligen Kreisämter und der Bezirksämter war weiterhin äußerst gespannt. Kritisiert wurde vor allem die überstürzte Aktion zur Auflösung der Kreisämter. Die unter den Mitarbeitern verbreitete Ungewissheit über ihre eigene Perspektive innerhalb oder außerhalb der Bezirksämter- fehlende Aussagen, wieviel Mitarbeiter künftig noch benötigt werden – hat zu einem verstärkten Abgeng vor allem von den Spezialisten geführt. Zum Teil war die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit von Objekten bereits eingeschränkt.
Die Probleme bei der Beschaffung von geeigneten Arbeitsplätzen für aus den Ämtern ausscheidende Mitarbeiter halten an. Überwiegend sind fünf oder mehr Rücksprachen notwendig, bevor eine neue Arbeitsstelle gesichert ist. Durch die Mitteilung über die Auflösung des gesamten AfNS in den Massenmedien hat sich die Unruhe unter den Mitarbeitern noch verstärkt. (Die Unruhe war ja berechtigt, da sich diese Meldung letztendlich bewahrheitet hat. P.R.) Zum Teil herrscht unter den Mitarbeitern Angst, von Untersuchungskommissionen wegen ihrer Tätigkeit im ehemaligen MfS zur Verantwortung gezogen zu werden.
Am 14.12.1989 wurden gegen den stellvertretenden Leiter des Bezirksamtes Schwerin ein Ermittlungsverfahren mit Haft wegen Verdachts der Urkunden- und Aktenvernichtung und gegen den ehemaligen Leiter des Bezirksamtes Schwerin ein Ermittlungsverfahren mit Haft (unbefugter Waffen- und Sprengmittelbesitz) eingeleitet. Dazu wurde die Öffentlichkeit durch Vertreter des „Neuen Forums“ auf einer Pressekonferenz informiert.
Im Objekt der Bauakademie der DDR in Berlin-Hohenschönhausen, wurde ein Schreiben an der Aushängetafel mit folgendem Text festgestellt:
„Für ein sauberes Hohenschönhausen – Stasi raus“.
Darunter befindet sich eine Aufstellung von Objekten des ehemaligen MfS (Ledigenwohnheime, private Wohnhäuser und Dienstobjekte). Der geforderten Räumung der Objekte stimmten ca. 20 – 30 Personen unterschriftlich zu.
Weiterhin anhaltend waren Auffassungen von nicht organisierten Bürgern sowie Vertretern neugegründeter Parteien und Bewegungen, die sich gegen die vollständige Auflösung der Kreisämter aussprachen. In diesem Zusammenhang wurde auf verstärkte Erscheinungen und Tendenzen des Neofaschismus und des zu erwartenden Drogenmissbrauchs verwiesen. (Na, da gab es doch noch vernünftige Leute, die sahen was für ein Unglück über die (Noch-)DDR gekommen war. P.R.)
Vertraulich äußerte ein Mitarbeiter einer Botschaft eines NATO-Staates, dass kein Geheimdienst der Welt so mit sich umgehen lasse, wie das seinerzeit in der DDR geschah. (In dieser Richtung äußere ich mich ja auch immer wieder. Das ist nach der langen Zeit immernoch nötig. Nun ja, wenn das schon damals ein Vertreter eines NATO-Staates äußerte, dann heißt das schon was. Das sollen sich mal die „Aufarbeiter“ u.ä. zu Gemüte führen. P.R.)
Am 14.12.1989 wurde in Berlin-Lichtenberg, Marie-Curie-Allee, einem Mitarbeiter des AfNS ein Flugblatt übergeben, in dem für den 18.12.1989, 15:00 Uhr, zu einer Demonstration zum Objekt des AfNS, Magdalenenstraße, aufgerufen wurde.
In diesem Flugblatt wurde u.a. gefordert:
- Die unverzügliche Übergabe des gesamten Objekts an das Gesundheitswesen der Hauptstadt,
- die Umschulung und Resozialisierung der ehemaligen Mitarbeiter.
(Ob dann tatsächlich deine Einrichtung des Gesundheitswesens eingezogen ist, wissen wir nicht. Selbst das Regierungskrankenhaus der DDR ist nicht weiter genutzt worden und nun ein „lost Place“.
Heute schließen reihenweise Kliniken. Das ist den damaligen Schreihälsen heute wohl egal. P.R.)
„Resozialisierung“, das hört sich nach Strafentlassenen an, die man wieder an das Leben in Freiheit gewöhnt. Na und Umschulung und Vermittlung in eine andere Arbeit, war aufgrund des Hasses in der Bevölkerung nicht möglich. Ich denke, das Flugblatt diente der Verhöhnung der ehemaligen Mitarbeiter des MfS/AfNS. P.R.)
Original-Dokument entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv, bearbeitet von Petra Reichel