Zwei Fernschreiben an die Beauftragten des Vorsitzenden des Ministerrates

Einerseits distanziert man sich von der Arbeit des vormaligen MfS, andererseits sollen Modalitäten für geheimdienstliche Arbeit festgelegt werden.

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Technische und organisatorische Gründe halten nun her, dass die Sichtung und Bearbeitung der gesicherten Dokumente nicht möglich sind. Man delegiert das nun an irgendwelche Gruppen. (Mensch, was für Zustände. P.R.)

Durch den Chef des AfNS sind Festlegungen zur Auflösung der Kreisämter getroffen worden. Über die Verwendung der freiwerdenden Objekte entscheiden die örtlichen Räte. (Na ja, im früheren MfS-Gebäude in Dresden befindet sich nun das Arbeitsamt. Sehr sinnig. P.R.)

Der Rest befasst sich sozusagen mit der Geschäftsordnung. Im Nachgang uninteressant.

Original-Dokumente entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv, bearbeitet von Petra Reichel

Hinweise für die Dienstbesprechung am 08.12.1989, 17:00 Uhr

Zum genannten Zeitpunkt war zu erwarten, dass in kürzester Frist ein Beschluss des Ministerrates die Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit bestimmen wird.

Man sah voraus die Folge voraus. Eine erheblich größere Anzahl von Mitarbeitern, als bisher vorgesehen, konnte keine weitere Dienstverwendung mehr finden.

 

Die geltenden Regeln zur sozialen Sicherstellung der aus dem Amt ausscheidenden Mitarbeiter wurden durch einen Beschluss des Ministerrates ausdrücklich bestätigt.

Die Sicherung der Dienstobjekte sollte voraussichtlich ab 09.12.1989 durch Kräfte der Deutschen Volkspolizei und eventuell unter Mitwirkung von Vertretern der Bürgerrechtsbewegungen erfolgen. (Es war vorbei. Man hatte aufgegeben und konnte nur noch Auf die (noch) Volkspolizei und auf die vernünftigen Leute unter den Konterrevolutionären hoffen, damit alles geordnet abläuft. P.R.)

Durch grundsätzliche Festlegungen des Ministerpräsidenten sollte die Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit unter öffentlicher Kontrolle und unter Gewährleistung des Quellen- und des Geheimnisschutzes geordnet durchgeführt werden. (Es wird auf ein Dokument verwiesen, das aber hier nicht für die Nachwelt enthalten ist. P.R.)

Ausgehend von dieser Lage wurden folgende Festlegungen getroffen:

  • Die Innensicherung der Dienstobjekte erfolgt durch Kräfte des Büros der Leitung und die durch die Diensteinheiten zur Verfügung stehenden Mitarbeiter.

 

  • Verantwortlich für die Sicherung der von ihnen genutzten Gebäude sind die betreffenden Diensteinheiten. Die erforderlichen Abstimmungen zwischen den Diensteinheiten, welche Häuser gemeinsam nutzen, sind sicherzustellen.

 

  • Die Mitarbeiter, welche nicht für die Erfüllung von Aufgaben der geordneten Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit benötigt werden, sind mit Wirkung vom 11.12.1989 zu beurlauben. Die erforderlichen Verbindungen zu diesen Mitarbeitern für die gegenseitige Übermittlung von Informationen sich zu gewährleisten.

 

  • Durch die Leiter der Diensteinheiten sind die personellen Entscheidungen unter dem Gesichtspunkt zu treffen, dass lediglich die für die Aufgaben der Sicherung und Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit unbedingt notwendigen Mitarbeiter im Dienst verbleiben.

 

  • Die zentral und in den Diensteinheiten ablaufenden Maßnahmen zur Eingliederung der Mitarbeiter in zivile Tätigkeiten sind beschleunigt weiterzuführen.

 

  • In den Diensteinheiten sind geeignete Leiter und Mitarbeiter zu bestimmen, die gemeinsam mit dem Kaderorgan (Personalabteilung P.R.) die erforderlichen Entscheidungen zur weitergehenden Freisetzung von Mitarbeitern für zivile Tätigkeiten treffen. Die für diese Aufgaben benötigten Mitarbeiter des Kader- und Finanzorgans (der Personal- und Finanzabteilung P.R.) sind unbedingt im Dienst zu belassen. (Die sollten am Ende das Licht ausmachen. P.R.)

Schlussanmerkungen von Petra Reichel:

Wir wissen, dass es so nicht geklappt hatte. Die ehemaligen MfS- bzw. AfNS-Angehörigen in Arbeit zu bringen hat ja nicht geklappt. Siehe hier vorgestelltes Dokument. (Link)

Original-Dokument entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv, bearbeitet von Petra Reichel

Bericht über die Lage in den Bezirksämtern für Nationale Sicherheit sowie im Zusammenhang mit der Auflösung der Kreisämter für Nationale Sicherheit (15.12.1989)

Zunächst geht es um technische Dinge. Dann wieder um die bis zum 31.12.1989 zur Entlassung vorgesehen Mitarbeiter.

Von den bis zum 31.12.1989 zur Entlassung vorgesehenen 3 215 Mitarbeitern des AfNS und 3 500 Mitarbeitern der Bezirksämter wurden 620 bzw. 300 zum Zoll vermittelt.

Die Situation unter den Mitarbeitern der ehemaligen Kreisämter und der Bezirksämter war weiterhin äußerst gespannt. Kritisiert wurde vor allem die überstürzte Aktion zur Auflösung der Kreisämter. Die unter den Mitarbeitern verbreitete Ungewissheit über ihre eigene Perspektive innerhalb oder außerhalb der Bezirksämter- fehlende Aussagen, wieviel Mitarbeiter künftig noch benötigt werden – hat zu einem verstärkten Abgeng vor allem von den Spezialisten geführt. Zum Teil war die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit von Objekten bereits eingeschränkt.

Die Probleme bei der Beschaffung von geeigneten Arbeitsplätzen für aus den Ämtern ausscheidende Mitarbeiter halten an. Überwiegend sind fünf oder mehr Rücksprachen notwendig, bevor eine neue Arbeitsstelle gesichert ist. Durch die Mitteilung über die Auflösung des gesamten AfNS in den Massenmedien hat sich die Unruhe unter den Mitarbeitern noch verstärkt. (Die Unruhe war ja berechtigt, da sich diese Meldung letztendlich bewahrheitet hat. P.R.) Zum Teil herrscht unter den Mitarbeitern Angst, von Untersuchungskommissionen wegen ihrer Tätigkeit im ehemaligen MfS zur Verantwortung gezogen zu werden.

Am 14.12.1989 wurden gegen den stellvertretenden Leiter des Bezirksamtes Schwerin ein Ermittlungsverfahren mit Haft wegen Verdachts der Urkunden- und Aktenvernichtung und gegen den ehemaligen Leiter des Bezirksamtes Schwerin ein Ermittlungsverfahren mit Haft (unbefugter Waffen- und Sprengmittelbesitz) eingeleitet. Dazu wurde die Öffentlichkeit durch Vertreter des „Neuen Forums“ auf einer Pressekonferenz informiert.

Im Objekt der Bauakademie der DDR in Berlin-Hohenschönhausen, wurde ein Schreiben an der Aushängetafel mit folgendem Text festgestellt:

„Für ein sauberes Hohenschönhausen – Stasi raus“.

Darunter befindet sich eine Aufstellung von Objekten des ehemaligen MfS (Ledigenwohnheime, private Wohnhäuser und Dienstobjekte). Der geforderten Räumung der Objekte stimmten ca. 20 – 30 Personen unterschriftlich zu.

Weiterhin anhaltend waren Auffassungen von nicht organisierten Bürgern sowie Vertretern neugegründeter Parteien und Bewegungen, die sich gegen die vollständige Auflösung der Kreisämter aussprachen. In diesem Zusammenhang wurde auf verstärkte Erscheinungen und Tendenzen des Neofaschismus und des zu erwartenden Drogenmissbrauchs verwiesen. (Na, da gab es doch noch vernünftige Leute, die sahen was für ein Unglück über die (Noch-)DDR gekommen war. P.R.)

Vertraulich äußerte ein Mitarbeiter einer Botschaft eines NATO-Staates, dass kein Geheimdienst der Welt so mit sich umgehen lasse, wie das seinerzeit in der DDR geschah. (In dieser Richtung äußere ich mich ja auch immer wieder. Das ist nach der langen Zeit immernoch nötig. Nun ja, wenn das schon damals ein Vertreter eines NATO-Staates äußerte, dann heißt das schon was. Das sollen sich mal die „Aufarbeiter“ u.ä. zu Gemüte führen. P.R.)

Am 14.12.1989 wurde in Berlin-Lichtenberg, Marie-Curie-Allee, einem Mitarbeiter des AfNS ein Flugblatt übergeben, in dem für den 18.12.1989, 15:00 Uhr, zu einer Demonstration zum Objekt des AfNS, Magdalenenstraße, aufgerufen wurde.

In diesem Flugblatt wurde u.a. gefordert:

  • Die unverzügliche Übergabe des gesamten Objekts an das Gesundheitswesen der Hauptstadt,
  • die Umschulung und Resozialisierung der ehemaligen Mitarbeiter.

(Ob dann tatsächlich deine Einrichtung des Gesundheitswesens eingezogen ist, wissen wir nicht. Selbst das Regierungskrankenhaus der DDR ist nicht weiter genutzt worden und nun ein „lost Place“.

 Heute schließen reihenweise Kliniken. Das ist den damaligen Schreihälsen heute wohl egal. P.R.)

„Resozialisierung“, das hört sich nach Strafentlassenen an, die man wieder an das Leben in Freiheit gewöhnt. Na und Umschulung und Vermittlung in eine andere Arbeit, war aufgrund des Hasses in der Bevölkerung nicht möglich. Ich denke, das Flugblatt diente der Verhöhnung der ehemaligen Mitarbeiter des MfS/AfNS. P.R.)

Original-Dokument entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv, bearbeitet von Petra Reichel

Tagesbericht aus Halle

Es ist nur eine Seite als Auszug des Original-Dokuments vorhanden.

Am 21.12.1989 wurde Im VEB Wohnungsbaukombinat Halle-Neustadt, Abteilung Wissenschaft und Technik ein Text der sich gegen Mitarbeiter des ehemaligen MfS und dessen patriotischen (helfenden P.R.) Kräfte (Patriotismus hatte in der DDR und den anderen sozialistischen Ländern eine andere Bedeutung, als heute. Patriotismus hatte nichts mit Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus zu tun, wie es heute der Fall ist. P.R.) richtet, zum Aushang gebracht. Im Verlauf des Tages erfolgte die Unterzeichnung durch mehrere Mitarbeiter dieses Bereiches.

 

Am 22.12.1989 wurde einem ehemaligen Mitarbeiter des Kreisamtes Halle durch den Bereichsleiter Hauptauftragnehmer im VEB Rationalisierung Halle mitgeteilt, dass der abgesprochene Arbeitsvertrag zum Einsatz als Objektingenieur in diesem Bereich nicht erfolgen, da die 8 Beschäftigten des Bereiches eine Resolution verfasst hätten, in der sie androhen, im Falle der Einstellung eines ehemaligen Angehörigen des MfS zu kündigen.

 

Im Zusammenhang mit der Auflösung des AfNS richtete der Direktor des Bezirkshygieneinstituts Halle ein Schreiben mit Arbeitsstellenangeboten an das Bezirksamt, in dem u.a. für 15 bis 20 jüngere Mitarbeiter (unter 40 Jahre) eine Einstellung als Hygieneinspektor in Aussicht gestellt wurde. In dem am 21.12.1989 erfolgten Kadergespräch (Vorstellungsgespräch P.R.) eröffnete der verantwortliche Chef, der erst die Stellen als Hygieneinspektor anbot, nun den 8 Bewerbern (ausscheidende MfS-Mitarbeiter mit Fachschul- bzw, Hochschulabschluss), dass für ein zu errichtendes Konsultationszentrum in einem unter Denkmalschutz stehenden baufälligen Gebäude in der Großen-Klaus-Straße in Halle ca. 20 „Hilfs“-Handwerker würden. Für die zu bewältigenden Aus- und Umbauarbeiten wären keine Bilanzen vorhanden, da dass die Fertigstellung des Objektes mit entsprechenden provisorischen Möglichkeiten erfolgen müsste (z.B. wird Zement benötigt, dann müssten dafür als Äquivalent (als Tauschobjekt P.R.) Sonderschichten im Herstellerbetrieb gefahren werden; z.B. besteht Bedarf nach Brettern, dann müsste Holz geschlagen werden und dessen Verarbeitung im Sägewerk organisiert werden usw.) Nach Errichtung des Konsultationszentrums, würden für den verbleibenden Teil an Arbeitskräften in diesem Objekt auch Arbeitsplätze als Handwerker möglich sein.

Nachbemerkungen von Petra Reichel:

Der Hass gegen das MfS, im Volksmund wurde meist die hetzerische Bezeichnung „Stasi“ verwendet, saß in der Bevölkerung tief.  So war es letztendlich unmöglich ehemalige MfS-Angehörige in die zivile Arbeitswelt einzugliedern. Nach Ende der DDR waren die meisten arbeitslos und dann vom Rentenstrafrecht betroffen.

Im ersten genannten Fall haben die potentiellen Kollegen ihre Ablehnung kund getan mit einem ehemaligen MfS-Angehörigen und deren Helfer zu arbeiten.

Im zweiten genannten Fall wurde musste eine Einstellungszusage zurückgezogen werden, weil die potentiellen Kollegen abgelehnt haben mit einem ehemaligen MfS-Angehörigen zu arbeiten. Sie drohten mit Kündigung. (Was zum damaligen Zeitpunkt noch möglich war.)

Der dritte genannte Fall mit dem Hygieneinstitut ist ja der „Hammer“. Zunächst sollten die ehemaligen MfS-Angehörigen ihrer Qualifikation entsprechende Arbeitsplätze erhalten. Dann war plötzlich keine Rede mehr davon. Sie weit unterhalb ihrer Qualifikation arbeiten. Anstatt als Hygieneinspektoren, wie zunächst vorgesehen, sollten sie als Bau-Hilfsarbeiter arbeiten. Nun ja die beschriebene Tauschwirtschaft war aufgrund der Mangelwirtschaft in der DDR normal. Nach der Vollendung des Baus sollten eventuell auch nur ein Teil der ehemaligen MfS-Angehörigen weiterbeschäftigt werden. Und das wieder als Hilfs-Handwerker/Bauhelfer.  Wären da eingearbeitete/gelernte Bauarbeiter nicht sinnvoller als Tauschobjekt gewesen? Körperliche Arbeit waren die ehemaligen hochqualifizierten MfS-Angehörigen nicht gewöhnt. Da hätte es doch ohnehin nicht geklappt mit der Arbeit. Na ja, es ging schlichtweg darum die ehemaligen MfS-Angehörigen zu demütigen, ihnen ihren Lebensmut zu nehmen u.ä.

Original-Dokument entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv, bearbeitet von Petra Reichel

Aufruf der Konferenz der evangelischen Kirchen vom 08.September 1989

Werner Leich war von 1986 bis 1990 Vorsitzender der Konferenz der Kirchenleitungen des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK). Die VELK  DDR löste sich bereits 1988 auf, der BEK nach der Konterrevolution. (siehe Wikipedia

ADN-ZB Kasper 23.11.89 Gera: Gebet In der Johanniskirche fanden sich etwa 2000 Menschen zum traditionellen Friedensgebet ein. An der Seite des Geraer Pfarrers Joachim Ubig (l) Landesbischof Dr. Werner Leich.

Friedensgebet in der Geraer Johanniskirche: links der Geraer Pfarrer Joachim Urbig, rechts Landesbischof Werner Leich (1989)

Bildquelle: Von Bundesarchiv, Bild 183-1989-1123-036 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5347640

Bischof Werner Leich richtet einen Aufruf an die Gemeinden der Evangelischen Kirchen in der DDR.

Es wird ein Brief an die Regierung der DDR erwähnt. Im Dokument steht in Klammern „Vorlesen des Briefes“. Der Brief an Erich Honecker wird in einem gesonderten Beitrag behandelt.

Der Aufruf von Werner Leich appelliert an die Vernunft der Bürgerinnen und Bürger der DDR.

Er warnt vor der Illusion vom besseren Leben in der BRD. Außerdem zeigt er auf, welche Lücken der Weggang von vielen Bürgerinnen und Bürgern gerissen hat. So z.B. im Gesundheitswesen und in der Wirtschaft.

Werner Leich appelliert an das Verantwortungsbewusstsein jedes Einzelnen nicht nur für sein eigenes Leben, sondern für das Leben der Gemeinschaft.

Um den Frieden zu wahren und des geordneten Miteinanders von verschiedenen Staaten, heißt er die Botschaftsbesetzungen und die Massenflucht über Ungarn nicht gut.

Er appelliert in der heimatlichen Gemeinschaft zu bleiben und die DDR nicht zu verlassen und erklärt außerdem, dass alle an ihrem Platz wichtig sind.

Werner Leich schreibt, dass die Kirche ihre Aufgabe darin sieht, in der Gesellschaft der DDR zu wirken und lobt die Menschen, die nun keinen Antrag auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR (Ausreiseantrag) mehr stellen wollen.

Er schreibt, dass die Mitarbeit aller gefragt ist, die unter den Defiziten der Gesellschaft in der DDR leiden und Veränderungen anstreben. (Na ja, das ist „Wischi-Waschi“. Geht es um die Hilfe von Ungerechtigkeit Betroffenen oder um Konterrevolution? P.R.)

Dann folgen Grüße

bearbeitet von Petra Reichel

Nachbemerkung von Petra Reichel:

Außer dem „Wischi-Waschi“ im letzten Satz, klingt dieser Aufruf vernünftig.

Original-Dokument entnommen aus der Broschüre: „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber: Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv

Schreiben der Konferenz der evangelischen Kirchen an Erich Honecker vom 08.09.1989

Die Konferenz der Kirchenleitungen teilt in ihrem Brief an Erich Honecker die Sorge betreffs der Massenflucht über Ungarn mit und prangert Versuche die Ausreise aus der DDR zu erzwingen an.

Die Konferenz beschreibt ihre Ratlosigkeit und weiß keine Rezepte für eine kurzfristige Lösung der Problematik.

Es wird auf Überfällige Reformen hingewiesen. („Reform“, was heißt das schon? Wir wissen doch, dass „Reform“ schon lange, einschließlich 1989 nicht Gutes bedeutet. P.R.)

Die aufgelisteten Forderungen klingen vernünftig, denn es geht da tatsächlich um Defizite in der DDR. Z.B.

  • offene und wirklichkeitsnahe Diskussionen über die allgemeine Unzufriedenheit in der DDR
  • kritische Einwände von Bürgerinnen und Bürgern der DDR zu berücksichtigen und zum Wohle aller in erkennbaren Veränderungen wirksam werden zu lassen
  • Änderung der Medienpolitik
  • besserer Umgang der Behörden mit den Bürgerinnen und Bürgern Reisemöglichkeiten in alle Länder
  • ehemaligen Bürgerinnen und Bürgern der DDR, die in ein anderes Land übergesiedelt sind die Rückkehr zu ermöglichen.  (Zu dieser Thematik siehe Schwesterblog „Aufnahmeheim Röntgental“. P.R.)

Die Konferenz weist nochmal darauf hin das nur durch Offenheit und Hörbereitschaft Kräfte zu gewinnen seien, die zur Lösung der Probleme gebraucht werden.

Die Konferenz war sich dessen bewusst, dass dies ein langwieriger Prozess sein wird und in diesen Prozess auch die Veränderungsbereitschaft anderer einbezogen werden muss. Dabei wird die  BRD genannt. (In der BRD haben maßgebende Kräfte die Gunst der Stunde genutzt. Da ging es nicht mehr um Verhandlungen, sondern um das Befeuern der Konterrevolution. P.R.)                                                     Im vorletzten Abschnitt des Schreibens teilt die Konferenz mit, dass man auch bedenken muss, was es für die Kirchengemeinden bedeutet, wenn die Menschen ihre Heimat verlassen. Dieses Schreiben ist den Gemeindemitgliedern zur Kenntnis gegeben worden, um anzuregen über die Problematik nachzudenken.

Als letztes wird auf das Handeln der Christen eingegangen, wobei erkennbar sein soll, dass sie selbst bereit sind, sich zu verändern und in der Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen.

Werner Leich als Vorsitzender der Konferenz der Kirchenleitungen hat diesen Brief an Erich Honecker unterzeichnet.

Entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“ Herausgeber Bundesarchiv, Stasi Unterlagen-Archiv, bearbeitet von Petra Reichel

Nachbemerkungen von Petra Reichel:

Zum Einen klingt dieses Schreiben vernünftig. Die aufgelisteten Forderungen klingen vernünftig. Andererseits sind die Floskeln „sich zu verändern“, „in der Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen“ wiederrum verschieden auslegbar. Solche Floskeln hörte man auch in der alten BRD und hört man auch heute.  Es sieht aus, als hätte die Kirche ein „Hintertürchen“ offengelassen um flexibel zu reagieren. Egal, was da komme.

Original-Dokument, entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi Unterlagen-Archiv

Eine Montagsdemo in Halle. Bericht der Kreisdienststelle Halle des MfS vom 10.10.1989

Bearbeitet von Petra Reichel

Die Montagsdemos waren wichtige Ereignisse der Konterrevolution in der DDR. Das hatte das MfS nicht erkannt. Es ist von aufmüpfigen Jugendlichen ausgegangen worden, die in diesem Schreiben als „dekadent“ bezeichnet werden. Dass sich rechtschaffende Bürgerinnen und Bürger an den Montagsdemos beteiligten, war dem MfS entgangen. PR.

Störungshandlungen feindlich-negativer Kräfte und „dekadenter“ Jugendlicher auf dem Markt

Auf der Grundlage von Informationen interner Quellen über geplante Störungshandlungen am 09.10.1989 auf dem Obermarkt wurde im Zusammenwirken mit dem Volkspolizei-Kreisamt, Der Volkspolizei-Bereitschaft Halle und in den Kampfgruppen der Arbeiterklasse ein Sicherungseinsatz zur Gewährleistung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durchgeführt.

Zwischen 16:45 Uhr und 17:15 Uhr versammelten sich ca. 350 – 400 Personen (davon ca. 80% Jugendliche im Alter von 14 bis 20 Jahren) vor dem Eingang der Marktkirche. Der Zulauf erfolgte über den Ober- und Untermerkt in kleineren Gruppen zwischen 5 bis 25 Personen. Nachdem bereits 17:15 Uhr innerhalb der Ansammlung Kerzen (ca. 10 bis 15 Stück) angezündet wurden, kam es 17:30  Uhr zur Entfaltung von zwei Transparenten (Betttuch) mit den Texten:

  1. „Gewaltloses Widerstehen, Schweigen für Leipzig, Schweigen für Reformen, Schweigen für Hierbleiben“
  2. „Wir schweigen, obwohl wir viel zu sagen haben“                                                                                         

Das mit (1) gekennzeichnete Transparent wurde von Pfr. Hanewinckel (ev. Georgengemeinde) gehalten, der sich zusammen mit den kirchlichen Amtsträgern

  • Sup. Buchenau
  • Probst (Name unkenntlich gemacht)
  • Pfarrer (Name unkenntlich gemacht)
  • Pfarrer (Name unkenntlich gemacht)

In der Nähe der Ansammlung aufhielt. Am Schaukasten der Marktkirche war das mit (2) gekennzeichnete Transparent angebracht.

Erst nachdem im Gespräch Probst (Name unkenntlich gemacht) aufgefordert wurde, disziplinierenden Einfluss geltend zu machen, wurden die Kerzen gelöscht und die Transparente entfernt.

Ca. 200 Personen, darunter überwiegend Gläubige, betraten 18:05 Uhr die Kirche, wobei der andere Teil von ebenfalls 200 Personen vor der Kirche verblieben. Da diese sich trotz mehrfacher Aufforderung und vereinzelter Zuführungen (vorläufiger Festnahmen P.R.) nicht entfernten, mussten sie durch die Volkspolizei von der Kirche abgedrängt werden. Der hartnäckige Kern „dekadenter“ Jugendlicher und Jungerwachsener verblieb im Bereich des Roten Turm und widersetzte sich der Auflösung der Ansammlung. Daraufhin wurden von 18:10 Uhr bis 19:25 Uhr weitere Personen (insgesamt 38 Personen) zugeführt (vorläufig festgenommen P.R.). Darunter befand sich auch die Mitarbeiterin der Kaderabteilung (Personalabteilung P.R.) HO Industriewaren

(Name unkenntlich gemacht)

Halle-Neustadt, Block 399/1.

Gegen Initiatoren wurden Ermittlungsverfahren und Verfahren zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten eingeleitet. Alle anderen wurden belehrt.

Die eigentliche kirchliche Veranstaltung in der Marktkirche wurde als Andacht von 18:10 bis 19:00 Uhr durchgeführt. Im Verlauf wurde durch die kirchlichen Amtsträger Einfluss auf die Anwesenden genommen, so dass nach Beendigung ein reibungsloser Abgang vom Markt erfolgte.

Im Ergebnis konnte eingeschätzt werden, dass die genannten Amtsträger, insbesondere Pfr. Hanewinckel und (Name unkenntlich gemacht) ihre Einflussnahme herauszögerten und indirekt zu den genannten Aktionen ermunterten. Die am Roten Turm versammelten Jugendlichen suchten offensichtlich die Konfrontation mit den Sicherungskräften, was durch provozierende Äußerungen und Widerstandshandlungen zum Ausdruck kam. (Krawallmacher hatten die Situation ausgenutzt. Das MfS hatte sie Leute überbewertet. P.R.)

Durch das konsequente offensive Handeln der Sicherungskräfte konnte die beabsichtigte Eskalation der Störungshandlungen unterbunden werden.

Der Leiter der Kreisdienststelle hat unterschrieben.


Ein weiteres Schreiben von der Volkspolizei (Tagesbericht) befasst sich mit demselben Ereignis.  Es ist sachlich-nüchtern gehalten und nennt mehrere Personen namentlich, die festgenommen wurden, da sie seinerzeit illegales Material dabeihatten. Es handelt sich um bislang rechtschaffende Bürgerinnen und Bürger. Einer war betrunken und nutzte die Situation, um Krawall zu machen. Dieses Schreiben hängt auch als Dokument diesem Beitrag an.

Entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“.  Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv,  bearbeitet von Petra Reichel

Die Originaldokumente entstammen derselben Quelle.

Fernschreiben von Erich Honecker an alle Bezirkssekretäre vom 08.10.1989 (Auszug)

Bearbeitet von Petra Reichel:

Im Verlauf des gestrigen Tages (07.10.1989/ 40. Jahrestag der DDR P.R.) kam es in verschiedenen Bezirken, besonders in Berlin, Leipzig, Dresden, Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz), Halle, Erfurt und Potsdam zu Demonstrationen, die gegen die verfassungsmäßigen Grundlagen das sozialistischen Staates gerichtet waren.

Vor allem in Dresden, Plauen und Leipzig trugen sie den Charakter rowdyhafter Zusammenrottungen und gewalttätiger Ausschreitungen, die die Bürgerinnen und Bürger in höchstem Maße beunruhigten.

Es ist damit zu rechnen, dass es zu weiteren Krawallen kommt. Diese sind von vornherein zu unterbinden.

Deshalb sind folgende Aufgaben auszuführen:

  • Die sofortige Zusammenkunft der Bezirksleitungen, in der die Lage im Bezirk eingeschätzt wird und entsprechende Maßnahmen festgelegt werden:
  • Unverzügliche Information der Partei-, Gewerkschafts– und FDJ-Funktionäre sowie der Mitarbeiter der staatlichen Organe über die Lage im Bezirk, bzw. Kreis und Erläuterung der Aufgaben zur offensiven politisch-ideologischen Arbeit in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, damit diese Funktionäre unmittelbar vor Ort an der Unterbindung der Krawalle teilnehmen und offensiv in Erscheinung treten. (Oh, arme DDR. Wozu politisch-ideologische Arbeit? Um mit Krawallmachern fertig zu werden? Ein Armutszeugnis, dass man mit den Krawallmachern nicht fertig wurde. P.R.)
  • Veröffentlichung entsprechender Mitteilungen und sachlicher Berichte über die statt gefundenen Krawalle in allen Bezirkszeitungen der Partei (SED P.R.), verbunden mit Stellungnahmen von Arbeitern und Arbeiterinnen und anderen Werktätigen.
  • Tägliche Information an die Abteilung Parteiorgane des ZK über die Lage und eingeleiteter Maßnahmen (jeweils bis 06:00 Uhr mit Stand von 04:00 Uhr bzw. sofort).

Nachbemerkungen von Petra Reichel:

Leider ist nur eine Seite des Fernschreibens vorhanden. Es geht da um (versuchte) Krawalle um den 40. Jahrestag der DDR. Die Krawallmacher waren zu wichtig genommen worden.  Auf die allgemeine Unzufriedenheit der rechtschaffenden Bürgerinnen und Bürger der DDR ist nicht eingegangen worden. Ein Armutszeugnis, dass man mit den Krawallmachern nicht, bzw. nur teilweise fertiggeworden ist.


Einschließlich des Original-Dokuments entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv

Fernschreiben der Bezirksverwaltung Dresden an das MfS Berlin vom 10.10.1989 an das MfS Berlin (Auszug)

Entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“ Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv, bearbeitet von Petra Reichel


Im Laufe des 09.10.1989 wurde durch mündliche Weitergabe, aber auch vereinzelt durch schriftliche Aushänge an Kirchen und auf dem Meißner Bahnhof das Ergebnis der am Vorabend bei der Beendigung der Demonstrationen erzielten Vereinbarung bekanntgegeben. In diesen Bekanntgaben wurden folgende Kirchen genannt, in denen das Gespräch mit dem Oberbürgermeister der Stadt Dresden  informiert wird:

    • Kreuzkirche
    • Christuskirche
    • Versöhnungskirche
    • Kathedrale

In diesem Gespräch hatten 29 namentlich bekannte Personen Fragen gestellt und Forderungen erhoben, wie:

    • Freie und gerechte Wahlen
    • Pressefreiheit
    • Keine Ablehnung des „Neuen Forums“
    • Schulreform
    • Reisefreiheit
    • Keine Gewalt gegen friedliche Demonstrationen
    • Größere Dialogbereitschaft des Staates
    • Wehrersatzdienst

Gegen 19:00 Uhr begann ein reger Zustrom zu allen vier genannten Kirchen, die bereits um 19:30 Uhr überfüllt waren, so dass sich große Menschenansammlungen, besonders vor der Kreuzkirche, bildeten.

Dadurch sahen sich die Vertreter der Kirche veranlasst, bekanntzugeben, die die Informationsveranstaltungen um 21:30, in der Kreuzkirche um 22:00 Uhr wiederholt werden. Ein Ersuchen des Sup. Ziemer, die Informationsveranstaltungen mittels Lautsprecher auf dem Altmarkt zu übertragen, wurde durch den OB der Stadt Dresden ( Ach nee, der Herr Berghofer. Heute wissen wir, dass dieser ein Wendehals ist. P.R.)  nach Abstimmung abgelehnt: Insgesamt nahmen nach vorliegenden Schätzungen an den Informationsveranstaltungen teil:

    • Kreuzkirche:  1. Veranstaltung 5500 Personen
          • 2.Veranstaltung 2500 Personen
        1.  
    • Kathedrale    1. Veranstaltung 5500 Personen
          • 2. Veranstaltung 3000 Personen
        1.  
    • Christuskirche   1. Veranstaltung 2000 Personen
          • 2. Veranstaltung 2000 Personen
        1.  
    • Versöhnungskirche   1. Veranstaltung 1500 Personen
            • 2. Veranstaltung 600 Personen
          1.  

Während der 1. Veranstaltung standen die Personen, die keinen Einlass fanden, ruhig vor den Kirchen und zeigten keinerlei provozierende Aktivitäten. Lediglich vor der Kreuzkirche wurden 2 Plakate gezeigt mit folgenden Texten:

  • „Reiseerleichterungen statt Massenflucht“
  • „Wir wollen das ‚Neue Forum‘

Gegen 23 Uhr waren alle Informationsveranstaltungen beendet, und alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer verstreuten sich ohne jegliche Vorkommnisse im Stadtgebiet.

Es gab im Zeitraum von 19:00 Uhr bis 24:00 Uhr im gesamten Stadtgebiet von Dresden keinerlei feindlich-negative oder provozierende Vorkommnisse.

Über den Inhalt der Informationsveranstaltungen in den Kirchen wurde bisher folgendes bekannt:

Hier endet der Auszug des Dokuments. Hier musste das MfS erkennen, dass es sich nicht nur um ein paar Jugendliche, die Krawall machen, handelte. Die lange schwelende allgemeine Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger der DDR machte sich hier Luft. Was das „Neue Forum“ brachte, wissen wir heute. Die Verantwortlichen hatten die allgemeine Unzufriedenheit ignoriert, bis es dann zu spät war und die Konterrevolution ihren Lauf nahm.

Petra Reichel

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Originaldokument entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv