Rudolfine Steindling, geboren am 10. September 1934 als Rudolfine Eckel; gestorben am 27. Oktober 2012 in Tel Aviv. Sie wurde auch „Rote Fini“ genannt.
Rudolfine Steindling arbeitete nach dem Zweiten Weltkrieg als Buchhalterin in der Wiener Dependance der ungarischen Central Wechsel- und Creditbank. Dort lernte sie ihren – damals noch mit der früheren Widerstandskämpferin Vilma Steindling verheirateten – Ehemann, den jüdischen Holocaust-Überlebenden und Résistance-Kämpfer Adolf Dolly Steindling (1918–1983), kennen,[3] der ab 1974 Generaldirektor der Bank war.[4] Rudolfine Steindling verließ das Bankhaus 1966 und begann ihren Aufstieg im Firmenimperium der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ),[3] in der sie von 1959 bis 1969 Mitglied war.[5] Sie galt als gut vernetzt mit der österreichischen Wirtschaft sowie mit der politischen Elite der DDR.[6] Auch nach ihrem Austritt aus der KPÖ verwaltete sie als am Wiener Kohlmarkt ansässige Treuhänderin nicht nur Vermögen der KPÖ, sondern auch Gelder der DDR.
Ab 1973 war sie Geschäftsführerin derNovum GmbH, über die die DDR Außenhandelsbeziehungen in den Westen unterhielt.[7]Die Gesellschaft vertrat als Teil des BereichsKommerzielle Koordinierung Firmen wieBosch,Ciba-Geigy,Voest-AlpineundSteyr Daimler Puchin der DDR und brachte es so auf beträchtlicheProvisionseinnahmen.[8]Steindling übernahm 1978 die Hälfte und 1983 sämtliche Geschäftsanteile der Novum,[6]die nie in einenOrganisationseigenen BetriebderSEDüberführt worden war, sondern die Rechtsform einerGmbHbeibehalten hatte.[9]Die Novum GmbH verfügte zurAnnexion der DDR durch die BRDüber ein Vermögen von rund einer halben MilliardeDMauf Konten in Österreich und der Schweiz.[10]
Aufgrund von Treuhandvereinbarungen zugunsten der SED-Firma VOB Zentrag übernahm ab 1992 die Treuhandanstalt die Verwaltung der Novum GmbH. Daraufhin verklagte Steindling die Treuhand-Nachfolgerin Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Sie gab an, seit April 1983 Alleingesellschafterin der Novum im Auftrag der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) gewesen zu sein, und erhielt zunächst in erster Instanz Recht.[9] Das Oberverwaltungsgericht Berlin entschied in zweiter Instanz jedoch, dass die Novum GmbH ab 1983 nur zum Schein von Steindling geführt wurde, um SED-Vermögen ins Ausland zu transferieren, und darum als eine mit der SED verbundene juristische Person anzusehen war.[11]
Noch vor der endgültigen juristischen Klärung des Falles hob Steindling rund die Hälfte des Guthabens von den Novum-Konten ab, deren weiterer Verbleib zum Teil ungeklärt blieb.[12] Im Jahr 2009 schloss die BvS mit Steindling einen Vollstreckungsvergleich über die Zahlung von 106 Millionen Euro zuzüglich der Erlöse aus Rücklagen, sodass die Bundesanstalt insgesamt 120 Millionen Euro erhielt, welche an die neuen Bundesländer ausgezahlt wurden.[13] Steindling lebte zuletzt in Wien und Tel Aviv, wo sie als Spenderin und Mäzenin in Erscheinung trat. Unter anderem unterstützte sie die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und errichtete zu Ehren ihres verstorbenen Mannes den Dolly Steindling Fund.[14] Steindling pflegte einen extravaganten Lebensstil und hatte größere Vermögenswerte – wie ihre Villa in Döbling – bereits zu Lebzeiten auf ihre Tochter überschrieben.[15] Rudolfine Steindling verstarb am 27. Oktober 2012 in Tel Aviv;[12] sie ist in der Neuen Israelitischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs bestattet.
Die Bank Austria, die (damals noch als Länderbank) Steindlings Hausbank war und der Komplizenschaft mit der Geschäftsfrau beschuldigt wurde, wurde im März 2010 vom Obergericht des Kantons Zürich zur Zahlung von insgesamt 245 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt, von der Berufungsinstanz wurde das Urteil jedoch zunächst aufgehoben und das Verfahren an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen.[8] Ein erneutes Urteil des Zürcher Obergerichts[16] wurde nach Zurückweisung einer Beschwerde durch das Schweizer Bundesgericht 2013 rechtskräftig, so dass die Bank Austria 128 Millionen Euro zuzüglich 5 Prozent Zinsen seit 1994 an die BRD zahlen musste.[17][18]
Am 21. August 2014 reichte die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) als Treuhänderin für das Vermögen der ehemaligen DDR beim Bezirksgericht Zürich Klage gegen die schweizerische Bank Julius Bär & Co. AG auf Schadenersatz für verschwundenes DDR-Staatsvermögen in Höhe von umgerechnet 135 Millionen Euro ein.[19] Diese Summe soll über die Novum GmbH durch Rudolfine Steindling auf Schweizer Konten der „Cantrade Privatbank AG“ (Zürich) transferiert worden sein. Später soll Steindling das Geld abgehoben und in Banksafes gelagert haben, wobei der endgültige Verbleib unbekannt ist. 2019 verurteilte das Schweizer Bundesgericht in Lausanne die Bank Julius Bär als Rechtsnachfolgerin der Cantrade Privatbank dazu, 88 Millionen Euro zuzüglich Zinsen an die BRD zu zahlen. Auf den zwischen Steindling und der BvS 2009 geschlossenen Vergleich konnte sich die Bank nicht berufen.[20]
Die Novum GmbH war ein Außenhandelsbetrieb der DDR. Im Auftrag der SED organisierte sie Geschäfte zwischen volkseigenen Betrieben und Unternehmen im westlichen Ausland. Rudolfine Steindling übernahm treuhänderisch 1978 die Hälfte und 1983 sämtliche Geschäftsanteile der Novum. Die Gesellschaft wurde nie in einen Organisationseigenen Betrieb der SED überführt, sondern behielt die Rechtsform einer GmbH.
Die am 31. Mai 1951 inBerlin/DDRgegründete Handelsgesellschaft diente zunächst dem Zweck, für die DDR Waren amWirtschaftsembargowestlicher Staaten vorbei zu besorgen.[1]Später war sie als Teil des BereichsKommerzielle Koordinierung[2]für die Beschaffung westlicherDevisenverantwortlich. Hierfür organisierte sie Geschäfte zwischen DDR-Betrieben und Firmen in derBRD,Österreich und derSchweiz. In den knapp 40 Jahren ihres Bestehens erwirtschaftete das Unternehmen hoheProvisionsgewinne. Auf einige Konten der Novum hatte nur die DDR Zugriff, ein Großteil der Novum-Erlöse floss in die Staatskasse der DDR oder diente zur Finanzierung von Spionageoperationen desMinisteriums für Staatssicherheit.[3]
ZurKonterrevolution verfügte die NovumGmbHüber ein Vermögen von rund einer halben MilliardeDMauf Konten in Österreich und der Schweiz.[4]
Juristische Auseinandersetzungen nach 1990
Nach dem Auffinden von Treuhanderklärungen vom 16. März 1978 sowie aus dem Jahr 1983, die die SED-Firma „VOB Zentrag“als Novum-Inhaber benannte, übernahm im Januar 1992 dieTreuhandanstalt die Verwaltung der Novum GmbH und ließ die Konten der Firma einfrieren.[3][5]
Hieraufhin verklagte die GeschäftsfrauRudolfine Steindlingdie Treuhand-NachfolgerinBundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben(BvS) vor demOberverwaltungsgerichtBerlin. Sie gab an, mit dem Erwerb von Novum-Anteilen seit April 1983 Alleingesellschafterin der Novum im Auftrag derKommunistischen Partei Österreichs(KPÖ) gewesen zu sein und erhielt am 12. Dezember 1996 in erster Instanz Recht.[6]
In zweiter Instanz stellte das Oberverwaltungsgericht Berlin jedoch fest, dass die Novum GmbH nicht – wie von der Klägerin angegeben – im Eigentum der KPÖ stand, sondern auf Grund von Treuhandvereinbarungen zum SED-Vermögen zu zählen ist.[7] So entschied das Gericht, dass die Novum ab 1983 nur zum Schein von Steindling geführt wurde, um SED-Vermögen ins Ausland zu transferieren.[8] Damit fiel das verbliebene Guthaben von 255 Millionen Euro der Bundesanstalt zu.[9] Die Revision war unter anderem deshalb möglich geworden, weil ein Anwalt der Novum Informationen über die Fälschung bzw. Vernichtung von Beweismaterialien geliefert hatte, mit dem Ziel, die ausgelobte Belohnung für das Auffinden von SED-Parteivermögen zu kassieren.[10] Weitere Revisionen wurden nicht zugelassen.[11] Vor Inkrafttreten des Urteils wurden hohe Geldbeträge von Firmenkonten überwiesen, sodass nur ein Teil des Vermögens sichergestellt werden konnte. Man einigte sich in einem Vergleich auf die Zahlung von 106 Millionen Euro sowie den Erlösen aus Rücklagen, sodass die Bundesanstalt insgesamt 120 Millionen Euro erhielt, welche an die neuen Bundesländer ausgezahlt wurden.[12]
Am 27. März 2010 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich die Unicredit Bank Austria zur Zahlung von 230 Millionen Euro an die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben. Diese hatte geklagt, da die Bank (damals noch als Länderbank) Steindling Anfang 1992 umgerechnet rund 128 Mio. Euro von den Novum-Konten ausgezahlt hatte, obwohl sich die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt bereits unter Verwaltung der Treuhand befand.[13] Die Richter urteilten, dass die Banker bei der Auszahlung fahrlässig gehandelt hätten und die entsprechende Summe nebst 5 % Zinsen p. a. daher von der Bank zu ersetzen seien.[14] Die dagegen gerichtete Berufung der Bank Austria wurde zurückgewiesen und der Betrag aufgrund der Zinsen auf 245 Millionen Euro erhöht. Die Bank focht das Urteil an,[15] das Urteil wurde von der Berufungsinstanz aufgehoben und das Verfahren an das ursprüngliche Gericht zurückverwiesen.[16] Dieses wies 2013 die Beschwerde zurück und somit wurde das Urteil rechtskräftig. Die Bank Austria musste an die BRD 128 Mio. Euro, zuzüglich 5 % Zinsen seit 1994, zahlen.[17]
Am 21. August 2014 reichte die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) als Treuhänderin für das Vermögen der ehemaligen DDR beim Bezirksgericht Zürich Klage gegen die schweizerische Bank Julius Bär & Co. AG auf Schadenersatz für verschwundenes DDR-Staatsvermögen in Höhe von umgerechnet 135 Millionen Euro ein.[18] Diese Summe soll über die Novum GmbH durch Rudolfine Steindling auf Schweizer Konten der „Cantrade Privatbank AG“ transferiert worden sein. Später soll Steindling das Geld abgehoben und in Banksafes gelagert haben, wobei der endgültige Verbleib unbekannt ist. 2019 verurteilte das Schweizer Bundesgericht in Lausanne die Bank Julius Bär als Rechtsnachfolgerin der Cantrade Privatbank dazu, 88 Millionen Euro zuzüglich Zinsen an die BRD zu zahlen. Auf den zwischen Steindling und der BvS 2009 geschlossenen Vergleich konnte sich die Bank nicht berufen.[19]
Alexander Schalck-Golodkowski (gebürtig Alexander Golodkowski; geboren am 3. Juli 1932 in Berlin-Treptow; gestorben am 21. Juni 2015 in Rottach-Egern[1]) war ein deutscher Politiker (SED), Oberst im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und Wirtschaftsfunktionär(in der DDR verwendete man nicht die heute gebräuchliche US-amerikanische Bezeichnung Manager. P.R.)der DDR. Er war Leiter des geheimen Bereichs für Kommerzielle Koordinierung im Ministerium für Außenhandel, der durch die Arbeitsgruppe Bereich Kommerzielle Koordinierung (AG BKK) des MfS kontrolliert wurde. Der Bereich Kommerzielle Koordinierung war zuständig für den (inoffiziellen) Handel mit dem kapitalistischen Ausland. Bekanntheit erlangte er im Nachhinein für die Aushandlung eines Kredits in Höhe von einer Milliarde DM, den ein westdeutsches Bankenkonsortium der DDR 1983 gewährte.[2] Schalck-Golodkowskis Verhandlungspartner auf westdeutscher Seite war der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß (CSU).[3]
Schalk-Golodkowski war ein Geschäftsmann vom Typ „windiger Hund“. Er musste so auftreten, um die Embargos umgehen, Geschäfte zum Wohle der DDR machen und Devisen heranzuschaffen. P.R.
Alexander Golodkowskis Vater Peter Golodkowski war ein Staatenloser mit russischen Wurzeln, dessen Vater ein höherer russischer Finanzbeamter in Gomel gewesen war. Peter Golodkowski war Offizier der zaristischen Armee, bevor er vor den Bolschewiki floh. Später leitete er die russische Dolmetscherschule der Wehrmacht in Berlin-Moabit. Sein Sohn Alexander wurde im Jahr 1940 vom Ehepaar Schalck adoptiert.
Schalck-Golodkowski begann zunächst eine Bäckerlehre und absolvierte dann von 1948 bis 1950 eine Lehre als Feinmechaniker. 1951 trat er in die Freie Deutsche Jugend (FDJ) ein. Ab 1952 arbeitete Schalck-Golodkowski als Sachbearbeiter in einem Außenhandelsbetrieb; nach kurzer Zeit wechselte er in das Ministerium für Außenhandel und innerdeutschen Handel der DDR, wo er innerhalb eines Jahres zum Hauptreferenten des Referates Werkzeugmaschinen aufstieg. Nachdem er an der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin sein Abitur abgelegt hatte, absolvierte Schalck-Golodkowski von 1954 bis 1957 ein Studium der Ökonomie an der Hochschule für Außenhandel in Staaken, das er als Diplomwirtschaftler abschloss[4]
Am 5. März 1953 stellte Schalck-Golodkowski den SED-Aufnahmeantrag und wurde nach der Kandidatenzeit 1955 als Mitglied aufgenommen. Bereits 1956, also noch vor Ende seines Studiums, wurde er Hauptverwaltungsleiter beim Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel. Diese Position hatte er bis 1962 inne. 1958 wurde er außerdem zum Vertreter des Außenhandels in der Ständigen Kommission für Bauwesen des Rats für Gegenseitige Wirtschaftshilfe ernannt. Von 1962 bis 1966 war er hauptamtlicher Erster Sekretär der SED-Kreisleitung im Ministerium für Außenhandel.
Ab 1966 war er für den neu gegründeten Bereich Kommerzielle Koordinierung (KoKo) zuständig, den er maßgeblich mit aufbaute. Dieser Bereich sollte mit verdeckten Geschäften zur Devisenerwirtschaftung die Zahlungsfähigkeit der DDR sichern.
Seine Karriere im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) begann 1967, als er zum Offizier im besonderen Einsatz (OibE) der Arbeitsgruppe Bereich Kommerzielle Koordinierung (AG BKK) ernannt wurde. 1975 wurde Schalck-Golodkowski zum Oberst befördert. Ein weiterer Aufstieg zum General kam nicht in Frage, da dies zwangsweise seine Enttarnung als MfS-Offizier nach sich gezogen hätte; er erhielt zuletzt jedoch das Gehalt eines Generalleutnants.
1970 verteidigte er gemeinsam mit seinem Führungsoffizier, MfS-Oberst Heinz Volpert, an der zum Ministerium für Staatssicherheit gehörenden Juristischen Hochschule in Golm bei Potsdam seine Dissertation zum Thema „Vermeidung ökonomischer Verluste und Erwirtschaftung zusätzlicher Devisen“. Diese Arbeit war bis zum Ende der DDR geheim. „Doktorvater“ war neben zwei Doktoren des MfS der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke, der selbst weder Abitur hatte noch einen akademischen Grad besaß.[5][6][7]
Von 1967 bis 1975 war Schalck-Golodkowski offiziell einer der stellvertretenden Minister für Außenhandel und im Anschluss daran bis 1989Staatssekretärim Ministerium für Außenhandel. BeimPolitbüro des ZK der SEDwar er seit 1976 Mitglied der Wirtschaftskommission, ab 1981 der Kommission zur Koordinierung der ökonomischen, kulturellen und wissenschaftlich-technischen Beziehungen der DDR zu Ländern Asiens, Afrikas und des arabischen Raums. 1981 nahm er an den Verhandlungen zwischen BundeskanzlerHelmut Schmidtund demStaatsratsvorsitzendenErich HoneckerimJagdhaus HubertusstockamWerbellinseeteil. In der Folge führte er 1983 die erfolgreichen Verhandlungen mit dembayrischen MinisterpräsidentenFranz Josef Straußüber einen westdeutschen Milliardenkredit für die DDR.
Als stellvertretender Minister, Staatssekretär, ZK-Mitglied und Leiter der Kommerziellen Koordinierung war Schalck-Golodkowski einer der wichtigsten Männer der DDR-Wirtschaft und Angehöriger derNomenklatura. Durch seinen Zugriff auf Westwaren aller Art war er innerhalb der DDR-Führung eine gefragte und hofierte Persönlichkeit.
ADN-ZB Mittelstädt Leipziger Frühjahrsmesse 1987
Begegnung im Gästehaus – von l.n.r.: Alexander Schalck-Golodkowski, Georg [Gerold] Tandler, Günter Mittag, Franz Josef Strauß, Theo Waigel und Erich Honecker.
Schalck-Golodkowski selbst wohnte in einem Einfamilienhaus in der Manetstraße im Villenviertel am Orankesee in Berlin-Hohenschönhausen unweit von anderen Domizilen hochrangiger Mitarbeiter des MfS, wie dem Reihenhaus von Mielkes Sohn und dem Gästehaus Mielkes. Er besaß ein Ferienhaus in der Schorfheide, dessen Bau genehmigt wurde, obwohl es inmitten eines Naturschutzgebietes lag, und dessen sanitäre Erschließung über 200.000 Mark (DDR) kostete. Beide Häuser wurden von Westfirmen gebaut und eingerichtet. Wie diese Gebäude heute genutzt werden, schreibt Wikipedia nicht. P.R.
Schalck-Golodkowski war zusammen mit Gerhard Schürer, Gerhard Beil, Ernst Höfner und Arno Donda einer der Autoren der „Analyse der ökonomischen Lage der DDR mit Schlußfolgerungen“, einer Vorlage für die Sitzung des Politbüros der SED am 30. Oktober 1989. In diesem auch als „Schürer-Papier“ bekannt gewordenen Geheimbericht wurde die Überschuldung und wirtschaftliche Zerrüttung der DDR erstmals deutlich benannt.Allerdings ist später das Schürer-Papier widerlegt worden. P.R. Wenn man bedenkt, wie verschuldet die Staaten heute sind, dann müsste man ja viele Staaten auf dieser Welt auflösen. P.R.
Im Zuge der Konterrevolution und der Endphase der DDR wurde Schalck-Golodkowski wegen Pressemeldungen über kriminelle Machenschaften von KoKo-Firmen auf der letzten Sitzung des ZK der SED am 3. Dezember 1989 aus dem ZK und der SED ausgeschlossen. Er flüchtete daraufhin am 4. Dezember mit seiner Ehefrau Sigrid nach Westberlin, wo er sich den Behörden stellte und für circa sechs Wochen in Untersuchungshaft kam. Er gab an, dass er eine Abstempelung als Buhmann und die Beseitigung durch seine ehemaligen Genossen fürchte. Ein Auslieferungsantrag der DDR-Generalstaatsanwaltschaft wurde abgelehnt. Im Januar 1990 zog das Ehepaar Schalck-Golodkowski nach Rottach-Egern am Tegernsee. Dort betrieb er die Firma „Gusimex Handelsgesellschaft GmbH“, deren Unternehmensgegenstand als „Handel mit Waren aller Art“ angegeben wurde.[8] Die Gesellschaft wurde 2015 aufgelöst.[9]
Unter dem Decknamen „Schneewittchen“ machte er beim Bundesnachrichtendienst umfangreiche Aussagen über die kriminellen Wirtschaftsmethoden des Bereichs Kommerzielle Koordinierung und seine Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit. Er erhielt vom BND Straffreiheit und bekam Papiere mit falschem Namen in Aussicht gestellt. Es wird gemutmaßt, dass Schalck-Golodkowski aufgrund dieser Ausweisdokumente in der Lage war, auf zuvor geschaffene Rücklagen in Form von Geheimkonten zuzugreifen. Bestätigt ist nur der Zugriff auf ein West-Berliner Bankschließfach mit unbekanntem Inhalt.
Bei der Auflösung seiner alten Wirkungsstätte Kommerzielle Koordinierung wurden weitere dubiose Einzelheiten seiner Tätigkeiten bekannt, die mehrere Ermittlungsverfahren zur Folge hatten. Unter anderem wurden Schalck-Golodkowski Straftaten gemäß Betäubungsmittelgesetz, Untreue, Betrug und Spionage vorgeworfen. 1991 wurde öffentliche Kritik an der Verzögerung der Ermittlungen gegen Schalck-Golodkowski laut, die in der Presse mit den aus DDR-Zeiten bestehenden Kontakten zwischen ihm und bedeutenden westdeutschen Politikern und Unternehmern in Zusammenhang gebracht wurde. Vermutungen, dass Schalck-Golodkowski von westdeutschen Behörden geschützt würde, widersprach der damalige Bundesjustizminister Klaus Kinkel energisch. Natürlich hat Klaus Kinkel diese Aussage getroffen. Es war Klaus Kinkel, der zur Delegitimierung der DDR aufgerufen hat. P.R.
Schalk-Golodkowski selbst beteuerte in einem Auftritt in der Fernsehsendung „Der heiße Stuhl“ auf RTL, „alles anständig und korrekt abgewickelt“ und „nach bestem Wissen und Gewissen“ gehandelt zu haben, „in der Absicht, der DDR und den Menschen zu dienen“.
Der Gesamtbereich der Kommerziellen Koordinierung, insbesondere die Aufgaben und Tätigkeiten von Schalck-Golodkowski, war Gegenstand des 1. Untersuchungsausschusses des 12. Deutschen Bundestages unter dem Vorsitz des CDU-Abgeordneten Friedrich Vogel. Über das Ergebnis der Untersuchungen gibt es umfangreiche Berichte, vor allem Beschlussempfehlung und Bericht Drucksache 12/7600 vom 27. Mai 1994 mit drei Anlagenbänden und einem Anhangband.[10]
Das Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz wurde 1992, das Verfahren wegen Veruntreuung von Milliardenbeträgen der DDR-Regierung durch Überweisungen ins Ausland 1993 eingestellt. Zum Prozess kam es jedoch 1995 wegen des Vorwurfs der Abwicklung illegaler Waffengeschäfte. Als Ergebnis wurde Schalck-Golodkowski im Januar 1996 wegen Verstoßes gegen das als Bundesrecht weitergeltende Militärregierungsgesetz Nr. 53 zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Eine Revision gegen das Urteil wurde vom Bundesgerichtshof verworfen.[11] Die Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Im Juli 1996 kam es zu einer weiteren Anklageerhebung wegen Embargovergehen. 1998 wurde Schalck-Golodkowski wegen eines Krebsleidens für verhandlungsunfähig erklärt und brauchte zunächst nicht mehr vor Gericht zu erscheinen. Dennoch wurde er im Juli 1998 zu einer erneuten Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt; wiederum wurde die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Sein Verteidiger war der Berliner Anwalt und spätere SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Danckert, der auch andere MfS-Offiziere vertrat.
Im März 2003 erlitt Schalck-Golodkowski während eines Urlaubs einen Herzstillstand und musste sich einer Notoperation unterziehen. Nach langem Krebsleiden verstarb er am 21. Juni 2015 in seinem Haus am Tegernsee.[12] Er wurde auf dem Auferstehungsfriedhof in Berlin-Weißensee beigesetzt.[13]
Grabstein für Alexander Schalk-Golodkowski auf dem Auferstehungsfriedhof in Berlin-Weißensee
Schalck-Golodkowski war zweimal verheiratet. Seine erste Frau Margareta (geb. Becker; * 23. August 1932) war gelernte Schneiderin. Nach der Heirat 1955 wurde 1956 ein Sohn geboren. Die gemeinsame Tochter kam 1964 zur Welt. Die Ehe wurde 1975 geschieden.
Kurz darauf folgte 1976 die Heirat mit seiner zweiten Frau Sigrid (geb. Gutmann; geboren am 28. Oktober 1940). Sie war die Tochter der ehemaligen Oberbürgermeisterin von Schwerin Johanna Blecha(geb. Kutzerra, geschiedene Gutmann). Ihr Stiefvater Kurt Blecha war Leiter des Presseamtes des DDR-Ministerrats. Beruflich war sie als Diplomfinanzwirtschaftlerin ebenfalls im Bereich KoKo als Leiterin der Arbeitsgruppe Spezialimporte, insbesondere Sonderversorgung Politbürosiedlung Wandlitz, tätig. Sie hatte den Rang eines Obersten des MfS (OibE).
Alexander Schalk-Golodkowski war eine Figur der „Entspannungspolitik“. Es gab keine klaren Fronten mehr. Aus ökonomischen Gründen diente man sich dem Erzfeind an. Ausgerechnet der größte Antikommunist Franz-Josef Strauß und andere konservative bayrischen Politiker wurden nun Handelspartner. Ob das wirklich in vollem Umfang notwendig war, mögen ehrliche Experten beantworten. Ich (P.R.) sehe das als die langsame Aufweichung der sozialistischen Gesellschaftsordnung der DDR bis hin zur Beseitigung des ganzen Staates. P.R.