Versuch das Treffen zwischen Willy Brandt und Willi Stoph in Kassel (1970) zu sabotieren

Absichten reaktionärer Kräfte zum Besuch in Kassel

 

Ein historisches Ereignis nach einem Dokument des MfS wiedergegeben.

Pläne und Maßnahmen reaktionärer Kräfte zum Treffen des Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Willi Stoph, mit dem Bundeskanzler der BRD Willy Brandt am 21. Mai in Kassel.

Anlässlich des Treffens des Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Willi Stoph, mit dem Bundeskanzler der BRD, Willy Brandt, am 21.05.1970 in Kassel planten rechte, nationalistische und revanchistische sowie linksradikale, anarchistische Kreise eine Anzahl gegen die DDR und gegen die DDR-Delegation und Willi Stoph persönlich gerichtete Aktionen.

Nach dem Treffen der Regierungschefs der BRD, Willy Brandt, und der DDR, Willi Stoph, zu einem ersten Gipfeltreffen in Erfurt, fand am 21.05.1970 in Kassel ein Folgetreffen statt. Diese Begegnungen waren Ausdruck der „Neuen Ostpolitik“ der Bundesregierung. Konkrete Beschlüsse brachten die Treffen nicht. In Reaktion auf diese Situation schlug Willi Stoph eine „Denkpause“ und die Aussetzung weiterer Gespräche vor. Erst im November 1970 wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen. (Im Nachhinein kann man sagen, dass diese Treffen der erste „Sargnagel“ für die DDR waren. Doch damals schöpfte man in der BRD und der DDR Hoffnungen auf Frieden und Verständigung.P.R.)

Obwohl einzuschätzen ist, dass eine Vielzahl der geplanten Vorhaben nicht umsetzbar waren, wurden unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der DDR-Delegation alle Hinweise auf mögliche Provokationen, Störmanöver usw. ernstgenommen. In diesem Zusammenhang ist besonders darauf hinzuweisen, dass internen Informationen (des MfS P.R.) zufolge Führungskräfte der westdeutschen Polizei teilweise stärker auf die geplanten Aktionen progressiver Organisationen sowie auf die erwarteten Auseinandersetzungen dieser Organisationen mit reaktionären Kräften orientierten als auf die Absicherung der Verhandlungsdelegation und des Verhandlungsortes.

Nachstehend eine Übersicht über die dem MfS in diesem Zusammenhang intern offiziell bekannt gewordenen feindlichen Plänen und Absichten:

Der Schwerpunkt der geplanten feindlichen Maßnahmen lag im Raum Kassel, wo besonders am 21.05. 1970 bzw. bereits am Vorabend des Verhandlungstages sogenannte Protestdemonstrationen, Hetzkundgebungen und andere Provokationen stattfinden sollten.

Im Vorfeld und während des Besuches von Willi Stoph kam es im Raum Kassel zu mehreren großen und zum Teil auch gewaltsamen Protesten, die von verschiedenen Gruppen aus dem konservativen und rechtsradikalen Lager organisiert wurden, sowie zu Gegendemonstrationen aus dem linken Spektrum.

Als unmittelbare Initiatoren und Veranstalter sollten insbesondere die NPD, die Junge Union und revanchistische Organisationen in Erscheinung treten. Darüber hinaus wurden dem MfS zum damaligen Zeitpunkt folgende Einzelheiten bekannt:

In der „National-Zeitung“, Ausgabe Nr. 19 vom 08.05.1970, wurden Leserstimmen veröffentlicht, die auffordern, „unter Führung der CDU/CSU, der Leiter der Vertriebenenverbände“, des „Deutschen Soldatenbundes“ und „aller freiheitlich Gesinnten“ in „Massen“ nach Kassel zu kommen.

Die „National-Zeitung“ war eine zwischen 1950 und 2019 erschienene rechtsradikale Wochenzeitung.

Der Ende des 19. Jahrhunderts gegründete Kyffhäuserbund war bis 1945 Dachverband der Kriegervereine, wurde aufgrund seiner Nähe zum Nazi-Regime bei Kriegsende verboten und 1952 in der BRD als Deutscher Soldatenbund (Kyffhäuserbund) wiedergegründet.  

Der damalige NPD-Vorsitzende von Tadden erklärte offiziell demagogisch, dass am Tage des Treffens selbst die NPD in Kassel keine Aktionen veranstalten werde. Die NPD wolle jedoch auf einer Kundgebung in Kassel am Abend des 20.05.1970 „gegen die Anerkennung der deutschen Teilung und für das Recht des deutschen Volkes auf Selbstbestimmung“ eintreten. Auf einer Hetzkundgebung wollte von Tadden selbst sprechen. Nach inoffiziellen Hinweisen plante die NPD außer der Kundgebung am Abend des 20.05.1970 eine Demonstration in Kassel unter der Teilnahme von Mitgliedern aus dem Bundesgebiet. Nach internen Hinweisen wollte die NPD ihren sogenannten Ordnungsdienst neu organisieren und in Kassel einsetzen. Vorbereitungen wären im Gange.

Adolf von Tadden war ein rechtsextremer Politiker, 1939-1945 Kriegsdienst, 1945/46 Haft in Polen mit anschließender Flucht nach Deutschland, 1947 Eintritt in die rechtsextreme Deutsche Rechtspartei, 1950 Mitbegründer der Deutschen Reichspartei, 1961-64 deren Vorsitzender, 1964 Mitbegründer der NPD, 1967 – 71 deren Vorsitzender, 1964-72 Herausgeber des NPD-Parteiorgans „Deutsche Nachrichten“, ab 1975 Chefredakteur der „Deutschen Wochenzeitung“.

Eine „lautlose Demonstration“ in Form einer „Schweigefahrt“ mit dem PKW wollten – wie intern bekannt wurde- die NPD-Landesverbände Hessen und Bayern durchführen. Die Fahrzeuge sollten mit Hetzlosungen versehen werden („Kein freies Geleit für Mörder“, „Freiheit für unsere Brüder“, „Raus mit Stoph“ usw.). Sollte diese Demonstration nicht genehmigt werden, wollten sich diese NPD-Gruppen unter Umständen Demonstrationen der CDU7CSU anschließen, ohne sich äußerlich zu erkennen zu geben.

Rechtsextremistische Kreise, besonders aus der NPD, haben in Flugblättern zu einer „Gesamtdeutschen Aktion“ Willi Stoph in Kassel aufgerufen. Es wird gefordert, unter „Freunden und Bekannten“ für eine Demonstration“ am 21.05.1970 zu werben und an vorgesehene Adressen namentlich mitzuteilen, wer daran teilnimmt. Weiterhin wird in dem Flugblatt aufgefordert, „Vorschläge für Aktionen in Kassel“ zu machen.

Die Junge Union plante am Vorabend der Begegnung in Kassel einen „Schweigemarsch“. In dem Zug-es wurden etwa 3 000 Mitglieder erwartet- sollten 535 Fackeln getragen werden. (Die Zahl würde den Toten „der Mauer und Demarkationslinie“ entsprechen.) Die Initiative für diese Provokation ging von den Landesverbänden Hessen und Westberlin aus, die dazu ein Aktionskomitee „Wir gehen nach Kassel“ unter Vorsitz von Wohlrabe (MdB/CDU) geründet und alle Landesverbände der Jungen Union in Westdeutschland aufgefordert haben, an der Demonstration teilzunehmen. In Westberlin sollten ca. 500 Mitglieder für die Teilnahme gewonnen werden. Etwa 1 200 Anmeldungen aus Westdeutschland und Westberlin würden bereits vorliegen. Für die gesamte Aktion stellten die CDU und der Bundesvorstand der Jungen Union 350 000 DM zur Verfügung.

Jürgen Wohlrabe, Jahrgang 1936, CDU-Politiker, ab 1958 in der Studentenbewegung der CDU, 1979-95 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Westberlin, 1989-91 Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses.

Der neue SPD-Informationsdienst „intern“ berichtete in seiner ersten Nummer vom 10.05.1970, dass der Bundesvorstand der CDU erwäge, in Kassel durch eine Plakataktion „Akzente zu setzen“. Auf den Plakaten soll der Bonner Regierung „Verzichtsausverkaufspolitik“ vorgeworfen werden.

Der Informationsdienst „intern“ wurde zwischen 1970 und 2017 als Nachfolger der „bonner depeschen“ vom Bundesvorstand der SPD herausgegeben.

Auf einer Bundesvorstandssitzung des „Freundeskreises der CSU“ seien nach Mitteilung einer zuverlässigen Quelle folgende Maßnahmen festgelegt worden:

  • Blockierung der Fahrstrecke vom Bahnhof Wilhelmshöhe bis zum Tagungsort am 21.05.1970 durch Organisierung von Sitzstreiks;

  • Aufstellung von schwarzen Kreuzen und Hetzplakaten (Darstellung der Sicherungsanlagen der Staatsgrenze der DDR) sowie Organisierung von Sprechchören;

  • Druck von 10 000 Hetzflugblättern, in denen gegen Willi Stoph gehetzt werden soll.

Die Kirche hatte die Absicht, in Kassel auf einem größeren Platz, zusammen mit der Inneren Mission ein großes Zelt aufzustellen und darin Veranstaltungen durchzuführen. (Derselbe Standort für die Errichtung eines Zeltes sei der DKP abgelehnt worden.)

Der „Bund der Vertriebenen“ wollte am 21.05.1970 demonstrieren. Einen entsprechenden Antrag auf Genehmigung habe er an den Kasseler Magistrat gestellt. Weitere Einzelheiten lagen zum damaligen Zeitpunkt nicht vor.

Der Bund der vertriebenen Deutschen (BVD, seit 1954) wurde 1949 von Linus Kather als Zentralverband der vertriebenen Deutschen gegründet. Im Jahre 1957 schloss sich der BVD mit dem Verband der Landsmannschaften zum Bund der Vertriebenen – Vereinigte Landsmannschaften und Landesverbände zusammen.

Die „Vereinigung der Opfer des Stalinismus“ (VOS) hatte ebenfalls die Absicht, am 21.05.1970 in Kassel zu demonstrieren. Es sollte ein Demonstrationszug von etwa 200 Mitgliedern organisiert werden, die in Häftlingskleidung auftreten sollten.

Die „Vereinigung der Opfer des Stalinismus“ wurde 1950 in Westberlin gegründet. Sie betreute vormals in sowjetischen Lagern und Haftanstalten inhaftierte sowie kriegsgefangene Deutsche und setzte sich für die Aufarbeitung der diktatorischen Herrschaft primär in der DDR ein. (Ach das kennen wir ja. Die Opferverbände – heute gehören sie zu den Siegern der Geschichte. P.R.)

Der Westberliner Landesvorstand der „Vereinigung 17. Juni 1953“ hatte die westdeutschen Landesverbände aufgerufen, am 21.05.1970 nach Kassel zu kommen. Das Ziel bestand darin, etwa 2000 Mitglieder für Kassel zu mobilisieren. Es sollte erreicht werden, dass die Mitglieder der Vereinigung aus „Protest“ die Anfahrtsstrecke zum Tagungsort blockieren. Weiterhin sollten Lautsprecherwagen eingesetzt werden. Darüber hinaus wurde eine Flugblattaktion vorbereitet.

Aus dem „Komitee 17. Juni“, das aus Aktivisten des „Aufstandes“, die sich durch Flucht in den Westen ihrer Verantwortung entzogen haben, hervorgegangener, im August 1957 gegründeter Verein, der sich besonders nach dem 13.08.1961 antikommunistischer Propaganda, der Ablehnung von Verständigungs- und Entspannungsbemühungen westlicher Politiker und militanter Übergriffe auf Funktionäre und Büros der SEW oder Repräsentanten der DDR und UdSSR widmete.

Außer den bisher genannte Aktionen der von rechten Kräften entfachten Atmosphäre der Morddrohung hatten Personen aus Westdeutschland an Willi Stoph Drohbriefe gerichtet. So hatte jemand aus Mannheim Willi Stoph angedroht, er werde „auf dem Boden von Kassel von Scharfschützen abgeschossen“.

Strafantrag gegen Willi Stoph haben außer Gerhard Frey (Herausgeber der „National-Zeitung“) folgende Personen gestellt:

  • Pöhlmann (stellv. NPD-Bundesvorsitzender und NPD-Fraktionsvorsitzender im bayrischen Landtag)

  • Heinze (NPD-Abgeordneter aus Augsburg)

  • Kuhnt (Fraktionsvorsitzender der NPD vom Landtag Baden-Württemberg)

  • Stöckicht (stellvertretender NPD-Fraktionsvorsitzender vom Landtag Baden-Württemberg)

  • Und noch Einer aus Starnberg/Bayern

Wie eine vertrauenswürdige Quelle berichtete, hatten auf dem Landesparteitag der NPD von Nordrhein-Westfalen am 25. und 26.04.1970 einzelne Delegierte Drohungen gegen Willi Stoph geäußert. So erklärte das 1968 im Zusammenhang mit einem bewaffneten Überfall auf das DKP-Büro in Bonn bekanntgewordene NPD-Mitglied Hengst, Bernd, es sei für ihn „Ehrensache“ nach Kassel zu reisen, denn er wolle Stoph „persönlich ohrfeigen“.

Am 02.10.1968 verübte der Rechtsextremist Bernd Hengst einen bewaffneten Überfall auf ein DKP-Büro in Bonn.

Bernd Hengst Jahrgang 1943, NPD-Politiker, 1967/68 bis zu seiner Verhaftung am 13.02.1971 führender Kopf der „Wehrsportgruppe Hengst“, einer rechtsterroristischen Vereinigung, die Anschläge plante und verübte.

Das Mitglied der Gewerkschaftsorganisation „Christlicher Metallarbeiterverband“ im Volkswagenwerk Baunatal bei Kassel, äußerte nach offizieller Darstellung der DPK: „Wenn es schon keine Handhabe gibt, den Stoph zu verhaften, so wird sich ein deutscher Mann finden, der hinter dem Zielfernrohr den Finger krumm macht.“

Gemeint ist die 1899 geründete „Christliche Gewerkschaft Metall“, die zum Christlichen Gewerkschaftsbund gehört.

Es lagen Informationen darüber vor, dass neben rechtsextremistischen Kräften auch linksradikale, anarchistische Kreise um die „Internationale Arbeiterkorrespondenz“ in Frankfurt/Main versuchen unter den Funktionären des DGB und der SPD Stimmung zu machen für Parolen, wie „Zwingt Brandt und Stoph am 21. Mai Farbe zu bekennen“.

„Internationale Arbeiterkorrespondenz“ ist der Name einer trotzkistischen Zeitschrift, die von 1965 bis 1981 erschien.

Auch die „Kommunistische Partei Marxisten-Leninisten“ trat gegen das geplante Treffen in Kassel auf. Eine ihrer Losungen lautete: „Stoph und Brandt: Verräter der deutschen Arbeiterklasse“. Mit solchen Losungen planten die sogenannten Marxisten-Leninisten sowie Trotzkisten in Kassel aktiv zu werden (nähere Einzelheiten waren zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt).

Die Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten war eine westdeutsche kommunistische Kleinpartei, die 1968 in Hamburg gegründet wurde und sich zunächst an das maoistische China, später an Albanien anlehnte. Sie ging 1986 in der Vereinigten Sozialistischen Partei auf. (Das war eine der damaligen K-Gruppen, aus denen später Politikerinnen und Politiker der SPD und der GRÜNEN hervorgegangen sind. P.R.)

Nach einer internen, nicht bestätigten Information sollten die Kubaner Jorge Fraga, Regisseur aus Havanna, und Alfredo Guevara, Präsident des ICAIC (Kubanisches Institut für Filmkunst und Filmindustrie, gegründet 1959, größte staatliche Filmgesellschaft Kubas), anlässlich der Dokumentar- und Kurzfilmwoche (11.-18.04.1970 in Oberhausen) zum Ausdruck gebracht haben, dass sie es begrüßen würden, wenn auf Stoph geschossen würde. Die Kubaner erklärten, die „Linken“ wären klug, wenn sie einen solchen Anschlage inszenierten, da dann die wirklichen Zustände in der BRD zur Oberfläche kämen. (Eigenartige Logik- P.R.)

Geplante Störmaßnahmen und Hetzkundgebungen, die über den Raum Kassel hinausgehen, wurden seitens der NPD nicht bekannt. Im Einzelnen handelt es sich um

  • Abbrennen von „Mahnfeuern“ entlang der Staatsgrenze zur DDR am Vorabend des Treffens. Dazu will die NPD die Landsmannschaften und andere revanchistische Organisationen mobilisieren.

  • Durchführung von Hetzkundgebungen in einigen-zum damaligen Zeitpunkt unbekannten- westdeutschen Städten.

  • Verteilung von Hetzflugblättern in Westdeutschland.

Vom MfS wurden die notwenigen Maßnahmen zur weiteren Aufklärung der feindlichen Pläne, Absichten und Maßnahmen eingeleitet.

Nachbemerkungen von Petra Reichel

Dass damals in der BRD im Vorfeld eines Staatsbesuchs nicht die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen geplant und durchgeführt wurden, ist aus heutiger Sicht verwunderlich.

Die „Hau-drauf“- und „Hau-Ruck“- Methoden gegen die DDR hatten keinen Erfolg. Allerdings hatten die damals Verantwortlichen der DDR übersehen, dass die indirekte Strategie, die DDR von innen zu erodieren, auf lange Zeit Erfolg hatte.

Siehe Egon Bahr und die Tutzinger Rede von Egon Bahr und den Gastbeitrag von Karl-Heinz Schulze zum Brandt-Besuch in der DDR 1970 und MfS-Dokument zum Brandt-Besuch von 1970.

Dokument nur noch als Abschrift erhalten. Zum Original-Dokument ist nur noch die 1. Seite als Faksimile vorhanden.

entnommen aus dem Bundesarchiv – Stasi-Unterlagen-Archiv

Reaktion der Bevölkerung der DDR auf das Treffen zwischen Willi Stoph und Willy Brandt in Kassel (1970)

Ein historisches Ereignis nach einem Dokument des MfS wiedergegeben.

Entnommen aus dem Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv

Der Umfang der Reaktion der Bevölkerung der DDR war in der Phase der Vorbereitung des Treffens in Kassel relativ gering, nahm aber unmittelbar am Verhandlungstag wesentlich zu.

Nachdem am 19.03.1970 die Regierungschefs der BRD, Willy Brandt, und der DDR, Willi Stoph, zu einem ersten Gipfeltreffen in Erfurt zusammengekommen waren, fand am 21.05.1970 in Kassel ein Folgetreffen statt. Die Begegnungen waren Ausdruck der „Neuen Ostpolitik“ der Bundesregierung, die auf eine Annäherung der beiden deutschen Staaten abzielte. Konkrete Beschlüsse brachten die Treffen nicht, beide Seiten beharrten auf Maximalforderungen für weitere deutschlandpolitische Initiativen, die eine Annäherung zu diesem Zeitpunkt unmöglich machten. In Reaktion auf diese Situation schlug Willi Stoph eine „Denkpause“ und die Aussetzung weiterer Gespräche vor. Erst im November 1970 wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen.

Nach dem Treffen setzte eine stark rückläufige Tendenz in der Reaktion der Bevölkerung auf das Treffen in Kassel ein, was sich zum damaligen Zeitpunkt fortsetzte.

Stärker wurden Fragen diskutiert, wie

  • Die Aggression gegen Kambodscha und den Libanon,

  • ungeklärte Probleme im Zusammenhang mit der Planerfüllung in Industrie und Landwirtschaft,

  • Schwierigkeiten auf dem Gebiet von Handel und Versorgung (besonders die teilweise unkontinuierliche Versorgung mit Fleisch- und Wurstwaren),

  • geplante lohnpolitische Maßnahmen im Bereich der Volksbildung.

Zwischen März 1969 und Mai 1970 versuchten amerikanische Truppen in einer zunächst geheimen Luftoffensive den Nachschub für den prokommunistischen Vietcong aus Kambodscha zu unterbinden. Als die Bombardements nicht die erhofften Erfolge zeitigten, gingen im Frühjahr 1970 südvietnamesische and amerikanische Truppen zu begrenzten Bodeneinsätzen im Süden Kambodschas über.

Am 08.05.1970 töteten libanesische Terroristen in einem Kibbuz in Israel mehrere Schulkinder. Als Vergeltung bombardierte die israelische Armee Dörfer im Libanon, wobei ebenfalls mehrere Menschen zu Tode kamen.

Unmittelbar am Tage der Verhandlungen in Kassel bestand nach übereinstimmenden Berichten bei einem großen Teil der Bevölkerung der DDR ein starkes Informationsbedürfnis, wobei das Interesse hauptsächlich auf mögliche Ergebnisse des Treffens richtete.

Vermehrt wurden an diesem Tage wiederum Sendungen westlicher Rundfunk- und Fernsehstationen abgehört, mehrfach mit einer solchen Begründung, dass man sich „von beiden Seiten her“ informieren müsste. Verbreitet setzte sich am Verhandlungstag die Meinung durch, dass die Sender der DDR anlässlich dieses Ereignisses eine ausreichende und übersichtliche Publikation geleistet hätten, wobei solche Argumente auch von Personen bekannt wurden, die als ständige Empfänger westlicher Stationen bekannt waren.

Obwohl der Umfang der Diskussionen zum Treffen in Kassel erheblich nachgelassen hatte und zum damaligen Zeitpunkt keinen Schwerpunkt mehr darstellte, wurden eine Reihe politischer Meinungsäußerungen besonders von dem an politischen Tagesfragen interessierten Teil der Bevölkerung weiterhin an Verlauf, Inhalt und Ergebnis bestimmt. Der überwiegende Teil dieser Diskussion beinhaltete zustimmende Äußerungen zum Zustandekommen des Treffens in Kassel.

Das Treffen wurde mehrfach als konkreter Bestandteil der Klassenauseinandersetzung gewertet.

Folgende inhaltliche Komplexe spiegelten sich in den positiven Diskussionsrichtungen wider:

  • Der Vertragsentwurf der DDR ist und bleibt eine reale Grundlage für die Normalisierung zwischen beiden deutschen Staaten.

  • Die völkerrechtliche Anerkennung der DDR ist Voraussetzung für normale Beziehungen zwischen der DDR und der BRD und gleichzeitig Maßstab dafür, inwieweit die Bundesregierung an der Schaffung solcher Beziehungen interessiert ist.

  • Mit ihrer Initiative leistet die DDR einen konstruktiven Beitrag für die Entspannung in Deutschland und die Sicherheit in Europa.

  • Verhandlungen sind notwendig und richtig. Je länger der Frieden erhalten wird, umso stärker wird die DDR und das gesamte sozialistische Lager.

  • Die DDR hat seit Jahren immer wieder Verhandlungsvorschläge unterbreitet. Das Treffen in Kassel ist das Ergebnis unseres Staates und ein Zeichen der wachsenden Autorität der DDR.

Am 18.12.1969 hatte Walter Ulbricht den Entwurf eines Vertrages über die „Aufnahme gleichberechtigter Beziehungen“ an Bundespräsident Gustav Heinemann geleitet. Vgl. zur Übergabe des Briefes in Bonn ausführlich: Kaiser, Monika _ Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker. Funktionsmechanismen der SED-Diktatur in Konfliktsituationen 1962 bis 1972. Berlin 1997, Seite 349

Gleichzeitig spiegelten die zum Teil abgebenden Verpflichtungen die Bereitschaft vieler Bürger und Bürgerinnen wider, durch den Kampf um eine hohe Planerfüllung ihren Beitrag zur Stärkung der DDR zu leisten.

In allen Bevölkerungsschichten war am Verhandlungstag eine starke Reaktion auf die Vorkommnisse in Kassel zu verzeichnen, wobei diese Ereignisse auch seinerzeit noch einen relativ großen Anteil der bekannt gewordenen Äußerungen der Bevölkerung einnahmen. Die überwiegende Zahl der sich zu diesem Komplex äußernden Personen brachte ihre Empörung über

  • die Schändung der DDR-Staatsflagge vor dem Verhandlungshotel,

  • das provokatorische Auftreten neonazistischer Kräfte, besonders bei der Ankunft der DDR-Delegation und an der Mahn- und Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus in Kassel,

  • die Schändung des Kranzes der DDR-Delegation,

  • die Tatsache, dass diese gefährlichen Provokationen unter den Augen und mit Duldung der westdeutschen Polizei unternommen werden konnten,

  • das zynische und arrogante Auftreten des Regierungssprechers Ahlers während der Pressekonferenz in Kassel

    zum Ausdruck und werteten diese Ereignisse als Zeichen einer zunehmenden Faschisierung in Westdeutschland.

Als Willi Stoph im Schlosshotel Wilhelmshöhe in Kassel zu Unterredungen mit Willy Brandt weilte, rissen drei jugendliche Rechtsextreme die DDR-Flagge vor dem Tagungsort herunter. Die Gespräche wurden nach einem förmlichen Protest Stophs unterbrochen und nach einer Entschuldigung Brandts fortgesetzt.

Die für den Nachmittag des 21.05.1970 geplante Kranzniederlegung am Mahnmal für die Opfer des Faschismus im Fürstengarten wurde angesichts massiver und teils gewalttätiger Proteste abgesagt und konnte erst nach Auflösung der Demonstration am Abend erfolgen.

Die Schleifen an dem vom Willi Stoph am Abend des 21.05.1970 vor dem Mahnmal für die Opfer des Faschismus im Fürstengarten niedergelegten Kranzes wurden in der darauffolgenden Nacht von Unbekannten entwendet.

Conrad Ahlers, Jahrgang 1922, Journalist und SPD-Politiker, 1951/52 Chef vom Dienst des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, 1952-54 Pressereferent im Amt Blank, 1954-57 Redakteur der Tageszeitung „Die Welt“, 1957-59 Korrespondent des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, 1962-65 dessen stellvertretender Chefredakteur, 1966-69 stellvertretender, dann 1969-72 Regierungssprecher und Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. (siehe auch „Die Spiegelaffäre“)

Die Unterstützung neofaschistischer und revanchistischer Kräfte durch die führenden politischen Kreise in der BRD sei offensichtlich gewesen. Im Zusammenhang mit der Beurteilung dieser Vorkommnisse traten auch solche Personen positiv in Erscheinung, die zu anderen Anlässen als politisch desinteressiert eingeschätzt wurden. Diese positiven Stellungnahmen waren oft mit der Forderung verbunden, die BRD sollte nun Endlich eine der Realität entsprechende Haltung zu den von der DDR gestellten Grundproblemen, besonders zur völkerrechtlichen Anerkennung, einnehmen.

Betont wurde, durch die Berichterstattung im Fernsehen usw. seit vor der internationalen Öffentlichkeit der wahre Charakter der BRD entlarvt worden. Andererseits sei aber auch klar geworden, dass viele fortschrittliche Menschen in Westdeutschland die Bonner Politik nicht billigen und den Mut aufbringen, durch konzentriertes Auftreten ihren friedlichen Absichten vor der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Wiederholt traten Meinungen auf, durch die Störaktionen der Neonazis seien auch Teilen der westdeutschen Bevölkerung die Augen geöffnet worden, sodass es zur weiteren Differenzierung unter der westdeutschen Bevölkerung kommen könnte. Im Ausland seien über das Erstarken des Neonazismus in der BRD bestätigt worden, da der Faschisierungsgrad in Kassel besonders deutlich geworden sei. Vereinzelt sind in den Diskussionen jedoch auch Tendenzen der Abschwächung der Bedeutung der neofaschistischen Ausschreitungen bekannt geworden.

Sie beinhalten im Wesentlichen:

  • Die Vorfälle sollten nicht zu ernst genommen und nicht „aufgebauscht“ werden.

  • Die Fahnenprovokation wäre lediglich eine Einzelaktion dreier Unverbesserlicher.

  • In Kassel hätten sich nur einige Jugendliche vor Fernsehen und Presse hervortun wollen, um Abenteuerlust zu stillen; mit Politik habe das aber nichts zu tun.

  • Die Aktionen in Kassel seinen lediglich so zu sehen, dass die westdeutsche Bevölkerung Familienzusammenführungen usw. wünschten. Von unserer Seite würden die Vorkommnisse aufgewertet.

  • Das Verhalten Einzelner sei nicht mit der politischen Konzeption der Bonner Regierung zu identifizieren.

Im Zusammenhang mit Diskussionen über die Ergebnisse des Kasseler Treffens setzte sich immer mehr die Kenntnis durch, dass eine lange Periode von Verhandlungen notwendig ist, ehe es zu konkreten Vereinbaren zwischen der DDR und der BRD kommen kann. Überwiegend wurde anerkannt, dass der erste Schritt die völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch die BRD sein muss. Es wurde betont, die Chancen, zu realen Ergebnissen und sofortigen Übereinkommen zu kommen, wären von vornherein äußerst minimal gewesen.

Ausgangspunkt solcher Erwägungen sind bereits im Zusammenhang mit dem Erfurter Treffen aufgetretene Widersprüche zwischen Wort und Tat des westdeutschen Bundeskanzlers, der Verlauf des SPD-Parteitages in Saarbrücken, die Haltung zum WHO-Aufnahmeantrag der DDR, die Verhaftung von DDR-Journalisten u.a.m.

Wiederholt traten Äußerungen auf, das Treffen in Kassel stelle lediglich eine Erwiderung des Brandt-Besuches in Erfurt dar und sei daher nur als Geste der Demonstration zu bewerten.

Die SED-Führung schlug im Vorfeld des Erfurter Gipfeltreffens Berlin/DDR als Ort der Begegnung vor. Sie bestand allerdings darauf, dass Brandt nicht über Westberlin einreiste, sondern auf dem Flughafen Schönefeld landen sollte. Dies lehnte die Bundesregierung ab. Am 12.03.1970 einigten sich die Unterhändler auf Erfurt als Ort der Begegnung. Wenige Tage vor dem Treffen äußerte sich Regierungssprecher Conrad Ahlers auf einer Pressekonferenz über die Arbeitsbedingungen der westdeutschen Delegation, die DDR sei ein „halbwegs zivilisiertes Gebiet“. Diese in den Medien der BRD aber auch der DDR verbreiteten Äußerungen sorgten für Verärgerung bei der SED. Vgl. Seltsame Töne. In: ND v. 14.03.1970, Seite 2; Erfurter Bürger weisen Frechheiten von Ahlers entschieden zurück. In: ND v. 17.03.1970, Seite 1

Der 14. SPD-Parteitag fand vom 11. Bis 14.05.1970 in Saarbrücken statt.

Die SED-Führung stellte 1966 einen offiziellen Antrag auf Aufnahme in die Weltgesundheitsorganisation. Im April 1970 stellte die im Westen noch immer nicht anerkannte DDR einen neuen Aufnahmeantrag, der ebenfalls scheiterte. Die Aufnahme kam aber erst 1973 mit der Aufnahme in die Vereinten Nationen zustande.

Die Reporter des DDR-Magazins „Neue Berliner Illustrierte“, Hans-Joachim Mollenschott und Manfred Schulz, waren am 14.05.1970 auf der Fahrt nach München an der Weiterreise gehindert und zur Rückkehr in die DDR gezwungen worden. Vgl. Unerhörte Provokation. Polizei der Bundesrepublik verhaftet DDR-Journalisten. In ND v. 14.05.1970 Seite 1

Unter solchen Personenkreisen, die auf sogenannte menschliche Erleichterungen gehofft hatten, ist eine Enttäuschung und gewisse Resignation darüber festzustellen, dass es während des Kasseler Treffens zu keinen konkreten Vereinbarungen gekommen ist. (Erwartet wurden u.a. sogenannte Erleichterungen im Reiseverkehr der zwischen der DDR und Westdeutschland, im Besucherverkehr DDR/Westberlin, im Zusammenhang mit den Grenzsicherungsmaßnahmen und im Handelsaustausch, Familienzusammenführungen usw.)

Während ein kleiner Teil der interessierten Personen davon ausgeht, dass die Ursache des „Scheiterns“ darin zu suchen sei, dass die DDR zu keinem „Zugeständnis“ bereit gewesen sei, äußert der überwiegende Teil bei richtiger Einschätzung der Situation, dass Fragen der sogenannten menschlichen Erleichterungen lediglich eine untergeordnete Rolle bei diesen Verhandlungen spielen können.

Der Teil der Äußerungen, in denen von einem generellen „Scheitern“ der Treffen in Erfurt und Kassel gesprochen wird, ist nach übereinstimmenden Einschätzungen aus den Bezirken als sehr gering zu beurteilen.

Überwiegend werden die große politische Bedeutung der Treffen und die vor der Weltöffentlichkeit gezeigte Initiative und Friedensbemühungen der DDR erkannt. Die Blockierung der Gespräche wird weitestgehend mit der Haltung der Bonner Regierung in Zusammenhang gebracht.

Unterschiedliche Meinungen werden über die Weiterführung der Gespräche geäußert. Am weitesten verbreitet ist in allen Bevölkerungsschichten die Annahme, vorläufig würden überhaupt keine Verhandlungen mehr stattfinden, da sowohl in Erfurt als auch in Kassel gezeigt haben, dass eine Annäherung der Standpunkte nicht zu erwarten sei.

Vereinzelt wurde Enttäuschung darüber gezeigt, dass es zu keinen Verhandlungen auf unterer und mittlerer Ebene gekommen sei, wobei die Hoffnung zum Ausdruck gebracht wurde, durch Bonner Initiativen könnten derartige Zusammenkünfte doch noch bis zum Herbst zustande kommen. Unter diesen Umständen sei eventuell doch noch ein drittes „Gipfeltreffen“ zu erwarten, während dem die in den vorbereitenden „Kommissionen“ gesammelten Erfahrungen ausgewertet werden könnten.

In Einzeldiskussionen wurde behauptet, die DDR habe nach dem Kasseler Treffen keine politischen Interessen mehr an einem weiteren Gespräch auf Regierungsebene, da besonders mit den letzten Verhandlungen die Ziele, die Politik der DDR gegenüber der BRD vor aller Weltöffentlichkeit unter Beweis zu stellen, erfüllt seien. Mit weiteren Gesprächen sei deshalb lediglich nach einer völkerrechtlichen Anerkennung der DDR durch die BRD zu rechnen.

Politisch-ideologische Unklarheiten waren in allen Bevölkerungsschichten aufgetreten, besonders aber unter Personen mit loyaler politischer Einstellung und ungenügendem politischen Wissen. Sie resultierten aus einer falschen Beurteilung bzw. Nichtanerkennung der Aggressivität des westdeutschen Imperialismus, aus Unkenntnis der Klassenkampfsituation und der politischen Ziele der BRD.

Einen inhaltlichen Schwerpunkt bilden dabei die Einschätzung des Charakters der westdeutschen SPD/FDP-Führung und der politischen Rolle Brandts, wobei häufig eine Auswertung der Person Brandts vorgenommen wird.

Vorherrschend sind solche Tendenzen wie:

  • Die Brandt-Regierung befasst sich mit „echten“ Problemen und humanitären Anliegen. Es ist die erste westdeutsche Regierung welche die Interessen der Werktätigen vertritt.
  • Die Brandt-Regierung betreibt realistischere Politik als die vorangegangen westdeutschen Regierungen. Die DDR-Regierung sollte anerkennen und mit ihren Forderungen einen Schritt zurückgehen.
  • Nur noch der vorhandene Einfluss der CDU/CSU hat Brandt und seine Regierung abgehalten, konstruktiver für die Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten einzutreten.
  • Die Brandt-Regierung ist ebenfalls eine „Arbeiterregierung“ und muss entsprechend „geachtet“ werden (vereinzelt).

Weiterhin traten Unklarheiten über die Notwendigkeit der völkerrechtlichen Anerkennung der DDR in folgenden Richtungen auf:

  • Unverständnis über das Beharren der DDR-Regierung auf die Forderung nach völkerrechtlicher Anerkennung.
  • Mit der Forderung auf völkerrechtliche Anerkennung sei die SPD und die Regierung der BRD überfordert. Westdeutschland allein sei nicht zu solchen „Zugeständnissen“ in der Lage.

Westdeutschland habe wesentliche Souveränitätsrechte durch den Anschluss an westliche Verträge aufgegeben (unter Hinweis auf „Pariser Verträge“) und könne keine alleinige Entscheidung treffen.

  • Unverständnis darüber, warum wir überhaupt mit Brandt verhandeln und von seinem Staatsapparat die Anerkennung fordern, wenn feststeht, dass er lediglich die Monopole vertritt und auf Grundsatzforderungen nicht eingeht.

Außerdem trat in allen Bezirken die Tendenz in Erscheinung, die DDR sei nicht ausreichend zu Kompromissen bereit und erschwere dadurch das Stattfinden weiterer Verhandlungen. Unsere Delegation (die der DDR P.R.) habe nicht ausreichend Interesse gezeigt, Ansatzpunkte zu weiteren Vereinbarungen aufzugreifen. Vereinzelt wurde die Frage gestellt, ob die DDR nicht die Verhandlungen kompliziert habe, dass sie vor dem Treffen verstärkt gegen die Praktiken der westdeutschen Regierung polemisiert hätte.

Weitere Unklarheiten bestanden über Verlauf und das Ergebnis der beiden Treffen unter dem Gesichtspunkt, dass sie der DDR nicht genutzt hätten und letzten Endes eine „Verhärtung der Fronten“ bedeuteten.

In vielen Diskussionen wurde das konsequente Auftreten der Delegation der DDR in Kassel begrüßt. Das fand seinen Ausdruck in vielen Sympathiebekundungen, die häufig auch von solchen Personen ausgesprochen wurden, die bisher abwartend in Erscheinung traten. Im Zusammenhang mit der Ablehnung des Verhaltens neofaschistischer Kräfte in Kassel wurde die kluge und taktische Haltung unserer Delegation herausgestellt, wobei der Großmut der Delegationsleitung gelobt wurde.

Die von Willi Stoph vorgetragene Konzeption wurde von vielen Bürgerinnen und Bürgern als richtungsweisend und eindeutig hervorgehoben.

Anlässlich des Treffens mit Willy Brandt in Erfurt trug Willi Stoph ein 7-Punkte-Programm vor, das unter anderem die Gleichberechtigung der beiden deutschen Staaten und die Aufgabe des Alleinvertretungsanspruchs der BRD zum Gegenstand hatte. Die Forderungen waren für die westdeutsche Regierung zu diesem Zeitpunkt nicht annehmbar. Vgl. Erklärung des Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Willi Stoph, beim Treffen mit dem Bundeskanzler in Erfurt 19. März 1970. Eine Dokumentation. Hg. V. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Bonn 1970, Seite 15-44

In Unkenntnis der Lage wurde jedoch auch vereinzelt zum Ausdruck gebracht, die DDR solle den Weg unterhalb der Schwelle der völkerrechtlichen Anerkennung durch „starre Erklärungen“ nicht verbauen und die SPD innenpolitisch nicht in Schwierigkeiten bringen. Eingehend auf die Verhandlungskonzeption Brandts wurde von diesen Bürgerinnen und Bürgern geäußert, die Vorschläge im 20-Punkte-Programm seien eine Grundlage zu weiteren Verhandlungen, die man ausnutzen müsse. Brandt lasse in seinen Ausführungen erkennen, dass er kein Nazi gewesen sei.

Die Bundesregierung übergab Willi Stoph am 21.05.1970 in Kassel ein 20 Punkte-Programm über die „Grundsätze und Vertragselemente für die Regelung gleichberechtigter Beziehungen“. Sie reagierte damit auf ein von der DDR bereits 1969 vorgelegtes Papier, das gleichfalls Bedingungen für die Aufnahme bilateraler Beziehungen enthielt. Das 20-Punkte-Programm war unter anderem wegen Formulierungen, die Deutschland als Ganzes bzw. die „deutsche Nation“ betrafen und einen Sonderstatus der DDR definierten, die ihrerseits auf gleichwertige Anerkennung beharrte, nicht annehmbar. Im Weiteren beinhaltete das Programm Fragen der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, einen Gewaltverzicht und die territoriale Integrität der beiden deutschen Staaten. Vgl. den Wortlaut „Grundsätze und Vertragselemente für die Regelung gleichberechtigter Beziehungen“. In: Bulletin der Bundesregierung, 1970, Seite 670-672.

Negativ-feindliche Diskussionen waren im Verhältnis zum Erfurter Treffen-bereits damals waren sie vom Umfang her gering- noch weiter zurückgegangen. Sie lassen keine territoriale und personelle Schwerpunktbildung erkennen, tragen den Charakter von Einzelerscheinungen und hatten keine Massenwirksamkeit.

Offensichtlich wurde ein Teil dieser „Argumente“ von Kommentaren westlicher Rundfunk- und Fernsehstationen übernommen. In ihrem Inhalt richteten sie sich fast ausschließlich gegen die Politik unserer (der DDR P.R.) Partei (SED P.R.) und Regierung bzw. direkt gegen die Leitung der DDR-Delegation, wobei sie bis zur Verleumdung führender Persönlichkeiten der DDR reichten.

Außerdem waren folgende Tendenzen vorherrschend:

  • Anlehnung an die Konzeption der Regierung der BRD und von Brandt unterbreitete Vorschläge.
  • Unterstützung der Bonner Ostpolitik hinsichtlich der „Politik der kleinen Schritte“.
  • Unterstellung, in der DDR würde nur von Entspannung geredet. In der Wirklichkeit ging es der DDR nicht um Verständnis, sondern um die Ausweitung ihres politischen Einflusses.
  • Diskriminierung der Friedenspolitik der DDR. Der DDR gehe es nicht um die europäische Sicherheit (Argument, sie würde durch den Auf- und Ausbau der NVA und der Grenzsicherungstruppen selbst zur Verschärfung beitragen), sie habe durch „sture“ Forderung nach völkerrechtlicher Anerkennung die Verhandlungen zum Scheitern verurteilt.
  • Unterstellung, eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR bringe für den „einfachen Arbeiter“ keine Vorteile, sondern würde nur die Spaltung Deutschlands vertiefen.
  • Verleumdungen im Zusammenhang mit der freundschaftlichen Zusammenarbeit zwischen DDR und SU: Die DDR-Regierung sei völlig von der SU abhängig und dürfe selbstständig keine Entscheidung treffen.

Die „Politik der kleinen Schritte“ war neben dem „Wandel durch Annäherung“ Leitgedanke der neuen Ostpolitik, wie sie von Willy Brandt und Egon Bahr entwickelt worden war. Die „Politik der kleinen Schritte“ hatte Brandt erstmals am 18.03.1963 in seiner Regierungserklärung als Regierender Bürgermeister von Westberlin öffentlich als Maxime ausgegeben. Die Strategie von Brandt und Bahr, durch Verhandlungen schrittweise eine Annäherung zu erreichen, erwies sich 1970 mit den Begegnungen in Erfurt und Kassel sowie dem Abschluss bilateraler Verträge zwischen der BRD und der Sowjetunion bzw. Polens als erfolgreich. (Im Nachgang muss man sagen, dass auf Zeit gespielt wurde. Das ist schließlich gelungen. P.R.)

Einzelne negative Personen stellten „Vergleiche“ zwischen den beiden führenden Staatsmännern an und bezeichneten Willy Brandt gegenüber Willi Stoph als „redegewandter“ und „sicherer im Auftreten“. Brandt sei ein „wirklicher Staatsmann“ und eine „Persönlichkeit“. Vereinzelt wurde die Verbreitung politischer Witze festgestellt, die sich auf die Fahrt von Willi Stoph nach Kassel beziehen.

Dokument nur noch als Abschrift erhalten. Zum Original-Dokument ist nur noch die 1. Seite als Faksimile vorhanden.

Vorwort zur Mai-Ausgabe 2025

Von Februar 2025 bis Mai 2025 hat sich DIE TROMMLER mit der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber: Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv, beschäftigt. Manches war ganz schön knifflig.

Diese Broschüre ist an die heutigen Schülerinnen und Schüler gerichtet. Ob im Unterricht soviel Zeit ist, um das alles auszuarbeiten, ist fraglich. Vielleicht ist es als Projektarbeit gedacht. Sind die heutigen Lehrerinnen und Lehrer in der Lage entsprechende Anleitung zu geben? Denn die meisten Lehrkräfte sind zu jung, um die DDR noch zu kennen. Es besteht die Gefahr, dass letztendlich die Geschichtsschreibung der Sieger vermittelt wird. Doch Original-Dokumente geben die Chance die historischen Ereignisse ohne Vorurteile auszuwerten. DIE TROMMLER bietet der heutigen und nachfolgenden Generationen die Möglichkeit historische Ereignisse aus der Sicht der Verlierer der Geschichte wahrzunehmen.

Näheres siehe Inhaltsverzeichnis

Broschüre

Arbeitsaufträge 5

Aufgabe 1

Informieren Sie sich im Abkürzungsverzeichnis und im Internet über die Stasi-Abteilung „M“. In welchen Gebäuden hatte sie ihre Außenstellen? Nennen Sie Argumente, mit denen die Einstellung der Arbeit dieser Abteilung begründet wurde.

 

Aufgabe 2

Erläutern Sie, welche Auswirkungen die Umwandlung des MfS in das AfNS für viele Stasi-Mitarbeiter hatte. Auf welche Weise wollte die Stasi das Arbeitsplatzproblem für ehemalige Mitarbeiter lösen?

 

Aufgabe 3

Fassen Sie anhand des Dokumentes 11 zusammen, worin die angeblich wichtigsten Neuerungen beim AfNS (ANS) bestanden.

 

Aufgabe 4

Dokument 12 ist ein mit Bleistiftbemerkungen versehener Entwurf der Leitung der AfNS. Untersuchen Sie anhand dieses Dokuments, mit welchen Spitzeln das neue Amt nicht mehr zusammenarbeiten wollte.

 

Aufgabe 5

Setzen Sie sich mit der 1989 oft zu hörenden Auffassung auseinander, das AfNS sei nur Etikettenschwindel gewesen, um die Stasi über die Krisenzeit zu retten. Schreiben Sie auf, was dafür und dagegen spricht. Bilden Sie sich eine abschließende Meinung und begründen diese.

Antwort zu Aufgabe 1

Die Abteilung „M“ beim MfS war die Abteilung für Postkontrolle. Diese Diensteinheit war für die Kontrolle und Auswertung der Postsendungen sowie für die Führung des Schriftenspeichers und spezieller Adressdateien zuständig.

Die Außenstellen befanden sich in Gebäuden der Post und der Zollverwaltung. Die Räumlichkeiten mussten geräumt und im Anschluss so hergerichtet werden, das nichts auf die Abteilung „M“ hinweist.

Trotz gesetzlicher Regelungen wurde auch die Postzollfahndung beendet. Aufgrund der Krise waren diese Tätigkeiten nicht mehr durchführbar. Der amtierende Minister, Rudi Mittig, hat das so entschieden.

Siehe auch: „Dokument zur Postkontrolle nach Abschluss der KSZE“

 

Antwort zu Aufgabe 2

Man wollte sich angleichen, an wen auch immer. Es sah nach Angleichung an die BRD aus. Andererseits schwurbelte man herum, dass es um Erneuerung des Sozialismus ginge und ähnlichen Stuss. Das war Irreführung der Aufrechten.

Bei der Lösung des Arbeitsplatzproblems für ausscheidende Mitarbeiter des MfS, bzw. AfNS hat man auf eine alte Regelung aus dem Jahre 1982 zurückgegriffen.  Man hatte nicht beachtet, dass bei der Krisen- und Umbruchssituation die Regelung aus alter Zeit nicht mehr real anwendbar war.

Siehe auch Beitrag „Erklärung des Kollegiums des MfS zum Thema Umstellung des MfS zum AfNS (Vom Ministerium für Staatssicherheit zum Amt für Nationale Sicherheit)“

 

Antwort zu Aufgabe 3

Ausführlich ist das im Beitrag „Über ein Gespräch im Landestheater Halle in Reaktion auf einen Brief des Landestheaters“ dargelegt worden.

Es geht um eine Angleichung in Richtung Geheimdienst eines bürgerlichen Staates. Mit dem Sozialismus hatte man abgeschlossen. Die Aufgaben des Geheimdienstes änderten sich folglich. Es wurden innerhalb des Theaters keine Spitzel und IM mehr gebraucht.

 

Antwort zu Aufgabe 4

Im Beitrag „(Vorläufige) Grundsätze für die inhaltliche und methodische Gestaltung der Arbeit mit IM“ wird auf einen früheren Beitrag in DIE TROMMLER verwiesen, der das Thema IM ausführlich behandelt. Außerdem wird auf den entsprechenden Abschnitt aus dem Buch „Die Sicherheit“ hingewiesen, dass man in Teilen oder als Ganzes auf der Website des ISOR Sozialvereins Archiv herunterladen kann.

Nicht mehr zusammenarbeiten wollte man mit IMs, die für innere und äußere Feinde zuständig waren. (Mensch wozu ist dann ein Geheimdienst da? P.R.)

  • mit IMs die mit den Bereichen Politik, leitenden Mitarbeitern staatlicher Organe, Funktionären aus Parteien und Organisationen zu tun hatten.
  • mit IMs die unzuverlässig und unehrlich waren.
  • mit IMs die eine weitere Zusammenarbeit ablehnten
  • mit IMs, die man nicht mehr für geeignet hielt
  • na und mit IMs, die die Umstellung und Angleichung nicht mitmachen wollten

Soweit in Kürze die Antwort auf die gestellte Aufgabe. Man könnte noch viel sagen, wenn man ins Detail ginge.

 

Antwort zu Aufgabe 5

Dass die Umstellung vom MfS auf das AfNS nur ein Etikettenschwindel wäre, nur eine Namensänderung stattgefunden hätte usw. wurde 1989 stets behauptet. Doch befasst man sich tiefer mit der Materie, stellt man fest, dass dem nicht so ist. Es ist die Angleichung und Umstellung auf den Geheimdienst eines bürgerlichen Staates vorgenommen worden. Als Vorbild diente die BRD.  Doch letztendlich war das sinnlos. Es war eben noch nicht entschieden, ob die DDR ohne Sozialismus weiterhin bestehen sollte oder, wie dann geschehen, die DDR nicht mehr existent sein wird.

 

 

 

Dokument 9

Dokument 10

Dokument 11

Dokument 12

Entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv, bearbeitet von Petra Reichel

Arbeitsaufträge 6

Aufgabe 1

Anfang Dezember besetzten Bürgerinnen und Bürger der DDR viele Stasi-Dienststellen. Was war der Auslöser für diese Aktionen? Überlegen Sie, warum die Häuser der Staatssicherheit erst zu diesem Zeitpunkt besetzt wurden.

 

Aufgabe 2

Beschreiben Sie die Reaktionen des AfNS auf die Ereignisse am 4. Und 5. Dezember 1989. Erörtern Sie die Gründe für das Zurückweichen der Stasi-Mitarbeiter in den Bezirken und Kreisen der DDR.

 

Aufgabe 3

Im Dokument 15 beklagt die Staatssicherheit die schlechte Zusammenarbeit mit der Volkspolizei Anfang Dezember 1989. Geben Sie mit eigenen Worten wieder, welche Punkte bemängelt wurden.

 

Aufgabe 4

Jahrzehntelang waren die DDR-Behörden, wie die Volkspolizei, gezwungen, sich nach Anweisungen der Stasi zu richten. Diskutieren Sie, warum diese ungeschriebene Regel seit Anfang Dezember 1989 nicht mehr funktionierte.

Antwort zu Aufgabe 1

Ob das nur Bürgerinnen und Bürger waren, welche die Dienststellen des MfS besetzten, sei mal dahingestellt. Ich denke da haben sich Krawallmacher, Kriminelle und Spione anderer Geheimdienste druntergemischt. Anhand des bekanntgewordenen Falls der „Rosenholzdateien“ wurde ja zugegeben, dass fremde Geheimdienste die Gunst der Stunde nutzten. Was war der Auslöser? Gute Frage. Ist auch uninteressant. Ein Geheimdienst, der seine Gebäude und Anlagen nicht schützen kann, hat versagt.

 

Antwort zu Aufgabe 2

Kurz und gut, die Geheimdienstmitarbeiter haben aufgegeben. Ein Geheimdienst, der sein Land nicht schützen kann, nicht mal seine Gebäude und Anlagen schützen kann, hat versagt.

 

Antwort zu Aufgabe 3

Siehe auch Beitrag „Hinweise zum Zusammenwirken des Amtes für Nationale Sicherheit, Ministeriums für innere Angelegenheiten und der Staatsanwälte auf verschiedenen Ebenen.“

Es war die gesetzlose Zeit, während die Konterrevolution marschierte. Ausführliches im Beitrag.

 

Antwort zu Aufgabe 4

Sehr sinnig. In bestimmten Fällen, insbesondere bei Delikten mit politischem Hintergrund, muss die Polizei, bzw. die Staatsanwaltschaft mit dem Geheimdienst zusammenarbeiten. Das ist überall so. Nun gut, das MfS übernahm Aufgaben, die in anderen Ländern von anderen Behörden erledigt werden. Aber ob das so entscheidend ist?

Siehe auch Beitrag „MfS: Der Anfang“

Was gibt’s da zu diskutieren? Die Konterrevolution marschierte. Behörden waren nicht mehr handlungsfähig, wurden umstrukturiert u.ä.  Das MfS/AfNS war in Auflösung begriffen.  Die Endzeit der DDR war faktisch eine gesetzlose Zeit.

Dokument 13

Dokument 14

Dokument 15

Entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv, bearbeitet von Petra Reichel

Arbeitsaufträge 7

Aufgabe 1

Die beiden Telegramme wurden innerhalb von 24 Stunden geschickt. Vergleichen Sie die Inhalte und benennen Sie die wichtigsten Unterschiede. Diskutieren Sie, was die Gründe dafür gewesen sein könnten.

 

Aufgabe 2

Ministerpräsident Modrow hatte die Schaffung eines Amtes für Nationale Sicherheit (AfNS) Mitte November initiiert. Finden Sie Motive, warum er das Amt nur drei Wochen später wieder fallen ließ!

 

Aufgabe 3

Auf einer der letzten Dienstberatungen im AfNS musste der Leiter große Veränderungen verkünden (Dok. 17). Geben Sie die wichtigsten Veränderungen mit eigenen Worten wieder.

 

Aufgabe 4

An den Rand der „Hinweise“ hatte ein Stasi-Mitarbeiter geschrieben: „Zoll, Passkontrolle(olle)“. Entwickeln Sie Szenarien, aus denen hervorgeht, was die Staatssicherheit vorhatte. Bedenken Sie dabei, dass eine große Entlassungswelle von Stasi-Mitarbeitern bevorstand.

 

Aufgabe 5

Erläutern Sie, warum ab 9. Dezember Volkspolizisten und Vertreter der Bürgerbewegung die Sicherung aller Stasi-Dienststellen übernehmen sollten.

Antwort zu Aufgabe 1

Die Ersteller der Broschüre und der darin enthaltenen Aufgaben sind anscheinend jüngere Leute, die nicht wissen, dass Telegramme und Fernschreiben verschiedene Dinge waren. Hier geht es um Fernschreiben und nicht um Telegramme.

Na, was soll man da sagen? Die konterrevolutionären Ereignisse überschlugen sich. So war nach 24 Stunden manche Festlegung nicht mehr aktuell. Ansonsten fehlen einem für die damaligen Zustände die Worte.

Siehe Beitrag: „Zwei Fernschreiben an die Beauftragten des Vorsitzenden des Ministerrates“

Antwort zu Aufgabe 2

Was soll man dazu noch sagen? Die Konterrevolution schritt voran. Möglicherweise war absehbar, dass die DDR nicht mehr lange existiert. Es ging darum alles für die Übergabe vorzubereiten. Näheres siehe Beitrag „Hinweise für die Dienstbesprechung am 08.12.1989, 17 Uhr“

 

Antwort zu Aufgabe 3

Siehe auch Beitrag „Hinweise für die Dienstbesprechung am 08.12.1989, 17:00 Uhr“

Zum damaligen Zeitpunkt war zu erwarten, dass das Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) bald aufgelöst wird. Man sah voraus, dass eine größere Anzahl von Mitarbeitern keine weitere Dienstverwendung finden wird.

Die Dienststellen sollten aufgelöst werden.

Alles Weitere: bitte Link zum Beitrag klicken.

Antwort zu Aufgabe 4

Na, was da noch handschriftlich zum Dokument hinzugefügt wurde, war wohl die falsche Hoffnung die ehemaligen Mitarbeiter des nunmehrigen AfNS beim Zoll und der Passkontrolle unterzubringen. Wir wissen, dass das bald obsolet wurde.

Antwort zu Aufgabe 5

Nun musste die Volkspolizei herhalten, um die Sicherung der Dienststellen des MfS (in der Aufgabe als „Stasi-Dienststellen“ bezeichnet), gemeinsam mit den Konterrevolutionären, in der Aufgabe als „Bürgerbewegung“ bezeichnet, zu sichern. Na ja, der Fall „Rosenholzdateien“ ist ja bekannt geworden. Es ist davon auszugehen, dass westliche Geheimdienste die Gunst der Stunde nutzten und vieles abgegriffen haben. Schließlich ist ja nicht alles bekanntgeworden.

Dokument 16

Dokument 17

Entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv, bearbeitet von Petra Reichel

Arbeitsaufträge 8

Aufgabe 1

Erläutern Sie, mit welchen Schwierigkeiten das in der Auflösung befindliche AfNS seit Mitte Dezember 1989 zu kämpfen hatte.

Aufgabe 2

Erklären Sie, weshalb sich die Beschäftigten in Betrieben und öffentlichen Einrichtungen erst ab Dezember 1989 massiv gegen die Einstellung ehemaliger Stasi-Mitarbeiter wehrten.

Aufgabe 3

Seit Dezember herrschte in vielen Familien von Stasi-Mitarbeitern die Angst vor Ausgrenzung, Verhaftung und sogar Lynchjustiz. Erörtern Sie, was die ehemaligen Stasi-Mitarbeiter befürchteten. Waren ihre Ängste real zu begründen? Was für Ansichten und Vorstellungen der Stasi-Leute kamen dabei zum Vorschein?

Antwort zu Aufgabe 1

Man konnte die ehemaligen Mitarbeiter nicht oder nur schwer in Arbeit unterbringen.  Die Zusammenarbeit mit anderen Behörden ist zum Erliegen gekommen. Es herrschte eine gesetzlose Zeit.

Siehe auch „Bericht über die Lage in den Bezirksämtern für Nationale Sicherheit sowie im Zusammenhang mit der Auflösung der Kreisämter für Nationale Sicherheit (15.12.1989)“

Antwort zu Aufgabe 2

Was soll man dazu sagen?  Die sahen, dass es mit dem MfS, bzw. AfNS zu Ende ging und sie fühlten sich sicher. So zeigten sie offen die Ablehnung gegenüber den ehemaligen Mitarbeitern des MfS/AfNS. Ja, sie „rechneten sogar mit ihnen ab“.

Siehe auch „Tagesbericht aus Halle“

Antwort zu Aufgabe 3

Natürlich waren die Ängste zu begründen. Es herrschte die gesetzlose Zeit. Der Mob war damals zu allem fähig.

Entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv, bearbeitet von Petra Reichel

Dokument 18

Dokument 19

entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv, bearbeitet von Petra Reichel

Arbeitsaufträge 1

Brief der Kirchen an Erich Honecker

Aufgabe 1

Erarbeiten Sie anhand des Briefs an den DDR-Staatschef, welche Veränderungen die Kirchenleitung in der DDR wünschte. Geben Sie die Forderungen mit eignen Worten wieder.

Aufgabe 2

Erörtern Sie, warum die Kirchenoberen ihre Anhänger zum Dableiben aufriefen.

Aufgabe 3

Ermitteln Sie mithilfe des Abkürzungsverzeichnisses die Aufgaben und Befugnisse einer Bezirkseinsatzleitung in der DDR. Diskutieren Sie anhand Ihrer Erkenntnisse, mit welcher drastischen Maßnahme die alte SED-Führung um Honecker im Oktober 1989 die friedliche Revolution verhindern wollte.

Antwort zu Aufgabe 1

Das ist weitgehend in der Bearbeitung und den Nachbemerkungen zu diesem Dokument erledigt.

Hier nochmal die Forderungen:

  • offene und wirklichkeitsnahe Diskussionen über die allgemeine Unzufriedenheit in der DDR
  • kritische Einwände von Bürgerinnen und Bürgern der DDR zu berücksichtigen und zum Wohle aller in erkennbaren Veränderungen wirksam werden zu lassen
  • Änderung der Medienpolitik
  • besserer Umgang der Behörden mit den Bürgerinnen und Bürgern Reisemöglichkeiten in alle Länder
  • ehemaligen Bürgerinnen und Bürgern der DDR, die in ein anderes Land übergesiedelt sind die Rückkehr zu ermöglichen.  (Zu dieser Thematik siehe Schwesterblog „Aufnahmeheim Röntgental“. P.R.)

    Die aufgelisteten Forderungen klingen vernünftig, denn es geht da tatsächlich um Defizite in der DDR.

Antwort zu Aufgabe 2

Werner Leich hatte als Vertreter der Evangelischen Kirchen in der DDR an die Vernunft der Bürgerinnen und Bürger der DDR appelliert.

Er warnte vor der Illusion vom besseren Leben in der BRD. Außerdem zeigte er auf, welche Lücken der Weggang von vielen Bürgerinnen und Bürgern gerissen hatte. So z.B. im Gesundheitswesen und in der Wirtschaft.

Werner Leich appellierte an das Verantwortungsbewusstsein jedes Einzelnen nicht nur für sein eigenes Leben, sondern für das Leben der Gemeinschaft.

Um den Frieden zu wahren und des geordneten Miteinanders von verschiedenen Staaten, hatte er die Botschaftsbesetzungen und die Massenflucht über Ungarn nicht gutgeheißen.

Er appellierte in der heimatlichen Gemeinschaft zu bleiben und die DDR nicht zu verlassen und erklärte außerdem, dass alle an ihrem Platz wichtig sind.

Werner Leich hatte geschrieben, dass die Kirche ihre Aufgabe darin sieht, in der Gesellschaft der DDR zu wirken und hatte die Menschen gelobt, die keinen Antrag auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR (Ausreisantrag) mehr stellen wollten.

Er hatte auch geschrieben, dass die Mitarbeit aller gefragt ist, unter den Defiziten der DDR leiden und Veränderungen anstreben. (Na ja, das ist „Wischi-Waschi“. Ging es um die Hilfe von Ungerechtigkeit Betroffenen oder um Konterrevolution? Außerdem hielt sich die Kirche ein „Hintertürchen“ offen, um flexibel reagieren zu können, egal was kommt.)

Siehe Bearbeitung des Dokuments

Aufruf der Konferenz der evangelischen Kirchen vom 08. September 1989

Antwort zu Aufgabe 3

Entnommen aus dem Abkürzungsverzeichnis der Broschüre, wie in der Aufgabe vorgegeben.

„Oberstes Führungsorgan im Bezirk zur Leitung der Verteidigungsmaßnahmen im Kriegsfall und in Krisensituationen. Der BEL gehörten u.a. die Chefs von Staatssicherheit, Polizei und Militär im Bezirk an. Vorsitzender war der Chef der SED-Bezirksleitung. Die BEL unterstand dem vom SED-Generalsekretär geführten Nationalen Verteidigungsrat, der die Mobilmachung anordnen und den Ausnahmezustand verhängen konnte.“

Was gibt es da zu diskutieren? Jeder Staat trifft Maßnahmen in Kriegs- und Krisensituationen. Wir kennen das ja noch aus der Corona-Zeit. Heute wissen wir, dass die Maßnahmen überzogen waren. Doch da findet keine Aufarbeitung statt. Wenn es echte Krisen oder gar Kriegssituationen gibt, hat jeder Staat entsprechende Maßnahmen in der Reserve. In der DDR war das natürlich auch angedacht. Doch letztendlich war die Staatsmacht nicht in der Lage diese durchzusetzen. Erich Honecker war durch seine Krankheit zu lange handlungsunfähig. Als er wieder handlungsfähig war, war die Konterrevolution bereits zu weit fortgeschritten und er musste zurücktreten.

Aufgaben entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv

Arbeitsaufträge 2

Vergleich Montagsdemo Halle Geheimdienst – und Polizeibericht sowie des MfS Dresden

 

  1. Vergleichen Sie Inhalt und Stil der Dokumente 4 und 5 (Fernschreiben des MfS Dresden nach Berlin und der Bericht des MfS Halle an die SED-Kreisleitung) Fassen Sie Unterschiede und Gemeinsamkeiten zusammen. Versuchen Sie Erklärungen für die Unterschiede zu finden. Besprechen Sie die Ergebnisse in der Gruppe.

 

  1. Die Dokumente 5 und 6, sind der Geheimdienstbericht (des MfS) und der Polizeibericht. Es sind verschiedene Berichte zu ein und demselben Ereignis. Arbeiten Sie durch Vergleiche heraus, welche Eindrücke der Verfasser von Dokument 5 (Bericht an die SED) beim Leser erwecken wollte.

 

  1. Charakterisieren Sie die in den Berichten Dok.5 und 6, also dem Polizeibericht und dem Geheimdienstbericht, geschilderten Verhaltensweisen der kirchlichen Amtsträger während der Ereignisse am 09.Oktober 1989 in Halle. Erörtern Sie die Gründe für das Verhalten. Beachten Sie dabei, wer die Berichte verfasst hatte.

 

 

  1. Auch in Demokratien, wie der Bundesrepublik Deutschland, kann es vorkommen, dass Polizeikräfte gewaltsam gegen Demonstranten vorgehen. Diskutieren Sie in der Gruppe, worin Sie Unterschiede zum Vorgehen der DDR-Sicherheitskräfte sehen.

 

 

Dokument 4

Dokument 5

Dokument 6

Diese Aufgaben sind knifflig. Es geht einmal um den Polizeibericht und den Geheimdienstbericht zur Montagsdemo am 10.10.1989 in Halle. Das soll verglichen werden. Dann kommt noch der Geheimdienstbericht von Dresden ins Spiel, der auch verglichen werden muss.

In den Beiträgen habe ich mich mehr auf den Geheimdienstbericht konzentriert, was Halle angeht, da es sich um einunddasselbe Ereignis handelt. Erst bei der Lösung der Aufgaben sind mir die Unterschiede bewusst geworden. Der Geheimdienstbericht von Dresden war MfS-intern. Der Geheimdienstbericht von Halle ging an die SED-Kreisleitung und war subjektiv abgefasst.

Den Geheimdienstbericht von Dresden habe ich extra abgefasst, da es sich um ein anderes Ereignis handelt. Da dieser Bericht MfS-intern war, wurde dieser nüchtern-sachlich abgefasst.

Petra Reichel

Antwort zu Aufgabe 1

Das Schreiben des MfS-Dresden (Dokument 4) ist nüchtern-sachlich abgefasst. Die Kirchen, wo die Veranstaltungen stattfanden, wurden genannt und die Forderungen von Demonstranten aufgelistet. In Dresden gab es laut diesem Bericht keine „feindlich-negative“ oder „provozierende Vorkommnisse“. Es war ein MfS internes Schreiben. Man konnte dabei nüchtern-sachlich bleiben.

Das Schreiben der MfS-Kreisdienststelle Halle an die SED-Kreisleitung (Dokument 5) enthält die Meinung des Verfassers.  Es wird von internen Quellen berichtet, die vor Störungshandlungen warnen. Es wird über einen Sicherungseinsatz in Zusammenarbeit mit der Volkspolizei und den Kampfgruppen der Arbeiterklasse berichtet. Der Hauptfokus wird auf „feindlich-negative Kräfte“ und „dekadenter Jugendlicher“ gerichtet. Das werden die Demonstranten mit dem Inhalt ihrer Transparente genannt. Die mitwirkenden Pfarrer werden genannt. Die rebellischen Jugendlichen waren aber eine Nebenhandlung, die das Ereignis ausnutzten. Das MfS sah es aber anders.

Es wird eine Mitarbeiterin der Kaderabteilung (Personalabteilung) der HO (eine Handelskette in der DDR) genannt, die neben anderen Personen vorläufig festgenommen wurde, im DDR-Amtsdeutsch „zugeführt“ wurde.

Die Amtspersonen der Kirche machten laut diesem Bericht erst verspätet ihren Einfluss geltend, dass die Versammlung ordnungsgemäß aufgelöst wurde. Im Bericht werden Amtspersonen der Kirche beschuldigt die rebellischen Jugendlichen zu ihren Aktionen ermuntert zu haben.

Laut Bericht wurde durch das konsequente Handeln der Sicherungskräfte die beabsichtigte Konfrontation unterbunden.

Antwort auf Aufgabe 2

Welchen Eindruck wollte der Verfasser des Schreibens der Kreisdienststelle des MfS (Bericht an die SED-Kreisleitung) (Dokument 5) beim Leser erwecken? Der Verfasser war ein Oberstleutnant Thomas. Ob er noch lebt?  Leider besteht nicht die Möglichkeit ihn selbst zu fragen, was ja der Fairness dienen würde. So äußere ich meine, in der Aufgabe geforderte, Meinung.

Der Fokus wurde auf die rebellischen Jugendlichen gerichtet. Allerdings nutzten diese nur die Veranstaltung um zu provozieren und über die Stränge zu schlagen. Ihre Aktion war ein Nebenereignis. Das Beschuldigen der kirchlichen Amtspersonen für zu spätes Eingreifen wäre nicht nötig gewesen. Dass es mehrheitlich unbescholtene Bürgerinnen und Bürger waren, welche die Veranstaltung in der Kirche besuchten, war das Hauptereignis. Das ist in diesem Schreiben untergegangen.

Der Verfasser wollte vermutlich vor der SED-Kreisleitung das Ereignis verharmlosen und „gut dastehen“. Von unzufriedenen Bürgerinnen und Bürgern sollte die SED-Kreisleitung keine Kenntnis erhalten. Warum auch immer. Im Schlusssatz wurde vermittelt: „Wir haben die Lage im Griff.“

Die Festnahme der Mitarbeiterin der Kaderabteilung (Personalabteilung) der HO (Handelskette in der DDR) Industriewaren ist in diesem Schreiben herausgestellt worden. Warum war diese Person so wichtig, dass man dies der SED-Kreisleitung mitteilen musste? War sie SED-Mitglied? Wenn ja, wurde sie als einzelne Person hingestellt, die sich parteischädigend verhalten hatte.  Nur sie war dann von Disziplinarmaßnahmen betroffen. So machte man es sich einfach. Es ist die Frage, ob sie ins Gegnerlager übergelaufen ist oder sich nur ihrer Unzufriedenheit Luft machen wollte und es dabei übertrieben hatte. Doch man machte sich wohl nicht die Mühe das herauszufinden. Es war einfacher Disziplinarmaßnahmen zu verhängen. Das machte diese Frau noch unzufriedener und ließ sie tatsächlich ins Gegnerlager überlaufen.

In Halle wurde die Aktion der rebellischen Jugendlichen aufgebauscht. In Dresden wird wohl ähnliches als Nebenhandlungen passiert sein, aber das wurde nicht wichtig genommen. Da wurde der Bericht an das MfS in Berlin nüchtern-sachlich abgefasst.

Der Polizeibericht über den Sicherungseinsatz vom 09.10.1989, von 16:30 bis 22:00 Uhr ist nüchtern sachlich abgefasst.

Gegnerische Personen werden benannt, hier aus heutigen Datenschutzgründen geschwärzt.

Es wird erwähnt, dass eine Demo außerhalb der Kirche geplant war. Man hatte Angst vor möglichem gewalttätigen Einschreiten der Volkspolizei. Die Kirche öffnete die Türen für Schutzsuchende. (Menschenskind, die wissen gar nicht, was gewalttätiges Einschreiten der Polizei ist.)

Die Sicherung wird beschrieben.

Über ein Gespräch mit Kirchenvertretern wird berichtet und die Aufforderung ein draußenhängendes Transparent zu entfernen. (Damals war es nur in privaten Innenräumen, wozu Kirchenräume zählten, zulässig solcherart Transparente aufzuhängen.)

Es wird über kleine Auseinandersetzungen berichtet, wobei es zu ersten Festnahmen kam. Es werden zwei Leute genannt, wobei einer unter Alkoholeinfluss stand. Womöglich ging es diesen Leuten ums Krawallmachen, wobei sie die ersten konterrevolutionären Ereignisse ausnutzten.

Nochmal wird ein Plakat erwähnt, das Leute mit aus der Kirche genommen haben. Nach Aufforderung brachten sie es wieder in die Kirche zurück.

Nun kommt auch in diesem Bericht, die bereits im Bericht des MfS an die SED-Kreisleitung, benannte Frau vor, die damals in der Kaderabteilung (Personalabteilung) der HO (Handelskette in der DDR) Industriewaren arbeitete. Hier ist ersichtlich, dass sie für das „Neue Forum“ aktiv war. Also war sie bereits eine Gegnerin. Sie leistete Widerstand und der Schlagstock kam zum Einsatz.

Dann werden noch eine Sachbearbeiterin und eine Sekretärin im Bereich Medizin (vermutlich eine Arztsekretärin) benannt. Diese Frauen leisteten Widerstand, zeigten sich später aber einsichtig.

Diese Widerstandshandlungen ereigneten sich in Halle in Höhe des Kaufhauses „1000 kleine Dinge“.

An anderer Stelle ist ein Ingenieur vorläufig festgenommen worden, der, nach eigenen Angaben, als Abgeordneter beim Rat des Stadtbezirkes Halle/Ost tätig war. Es ist nicht sicher, ob er tatsächlich ein Abgeordneter war, weil im Bericht mit „..nach eigenen Angaben..“ eingeschränkt wird. Er könnte ein Hochstapler sein. Falls er doch Abgeordneter war, gehörte er vermutlich einer Blockpartei an. Denn das MfS interessierte sich nicht für diesen Mann. Hätte er der SED angehört, hätte das MfS an die SED-Kreisleitung gemeldet. Das MfS interessierte sich ohnehin nur für den Ereignisort Kirche, aber nicht für die anderen, im Polizeibericht aufgeführten Ereignisorte.

Insgesamt wurden 41 Leute vorläufig festgenommen. Über den Einsatz und Befehl zum Einsatz des Schlagstockes wird berichtet. Eine Frau, bereits oben erwähnt, aus heutigen Datenschutzgründen geschwärzt, ist beim Schlagstockeinsatz verletzt worden. Aus dem Zusammenhang erkennt man, dass es sich um die um die renitente Frau handelt, die in der Kaderabteilung (Personalabteilung) der HO (Handelskette in der DDR) Industriewaren arbeitete.

Soweit in Kürze der Polizeibericht.

Antwort zu Aufgabe 3

Hier wird nochmal der Vergleich zwischen dem Geheimdienst- und Polizeibericht betreffs der Verhaltensweisen der Amtsträger der Kirche gefordert. Bei der Lösung der vorigen Aufgaben ist das bereits eingeflossen. Hier nochmal.

Der Bericht des MfS ist subjektiv. Die Amtspersonen der Kirche machten laut diesem Bericht erst verspätet ihren Einfluss geltend, dass die Versammlung ordnungsgemäß aufgelöst wurde. Im Bericht werden Amtspersonen der Kirche beschuldigt die rebellischen Jugendlichen zu ihren Aktionen ermuntert zu haben.

Der Verfasser, Oberstleutnant Thomas, wollte vermutlich vor der SED-Kreisleitung gut dastehen. Er lenkte von der Unzufriedenheit der Bevölkerung ab.

Der Polizeibericht ist nüchtern sachlich über Gespräche mit den anwesenden Kirchenvertretern und dass durch Aufforderung die in der Öffentlichkeit illegalen Transparente entfernt und in den Innenraum gebracht wurden, berichtet worden.

Antwort zu Aufgabe 4

Na, das ist ja sinnig. Was in damals in der DDR abging, war harmlos gegen das, was heute los ist, wenn sich der Staat angegriffen fühlt. Die Volkspolizei der DDR war nicht derart ausgerüstet, wie heutige Spezialeinheiten. Die Sonderausrüstung der Volkspolizei gab es erst im Verlaufe der konterevolutionären Ereignisse. In diesem Bericht wird eine Verletzte genannt.  (Vermutlich diese renitente Frau.) Heute gibt es mehr Verletzte, wenn die Spezialeinheiten zuschlagen. Dabei wurde damals tatsächlich der Staat aus den Angeln gehoben. Das ist heute undenkbar. Wenn sich heute der Staat angegriffen fühlt, wird zugeschlagen und Festnahmen durchgeführt.

Siehe auch folgende Beiträge:

Siehe Beitrag „Wurden in der DDR Demonstranten misshandelt?“ in „Was war die DDR?“ Bitte auch den Nachtrag des Zeitzeugen Gernot Budach lesen.

Ich erinnere an Phillip Müller, ein Kommunist aus der alten BRD, der am 11. Mai 1952 auf einer Demonstration in Essen von der Polizei erschossen wurde. Siehe Beiträge in DIE TROMMLER-ARCHIV und Kalter Krieg und „Entspannungspolitik“. In der DDR wurden Straßen nach Phillip Müller benannt. Diese Namensgebung  fiel nach der Konterrevolution und Annexion der DDR durch die BRD der Schilderstürmerei zum Opfer.

Aufgaben entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv

Arbeitsaufträge 3

Dokument 7

Arbeitsaufträge zu Dokument 7

  1. Ermitteln Sie im Abkürzungsverzeichnis und im Internet, was die „Kampfgruppen der Arbeiterklasse“ waren und welche Funktion sie im System der DDR hatten.
  2. Erläutern Sie, welche Aufgabe die Kampfgruppen während der Friedlichen Revolution (Unter diesem Slogan wird die Konterrevolution in der DDR heute „verkauft“ P.R.) im Oktober 1989 erledigen sollten und ob sie, laut Quelle, dazu in der Lage waren.
  3. Mitglieder der Kampfgruppen sollten nur vom Sozialismus überzeugte Menschen sein. Analysieren Sie, warum es 1989 trotzdem zu massenhaften Austritten aus den Kampfgruppen kam.

Hier geht es um das in der Broschüre als Dokument 7 bezeichnete Schriftstück.

Thema ist der Zerfall der Kampfgruppen der Arbeiterklasse.

Das sind drei Aufgaben. Die kann man aber zusammenziehen. Im Beitrag in DIE TROMMLER zu diesem Schriftstück und im Beitrag in DIE TROMMLER-ARCHIV zum Thema ist alles gesagt, um auf diese Aufgaben zu antworten.

Aufgaben entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv

Aufgaben beantwortet von Petra Reichel