Kreisdienststelle Treptow Berlin, 22. Oktober 1985
Zum Erreichen der im Sachstandsbericht vom 16.04.1985 zum OV (geheime Ermittlungen) „Bekenntnis“ genannten Zielstellung macht es erforderlich vorrangig und intensiv solche politisch-operativen Maßnahmen einzuleiten, die zur Zersetzung der Laienspielgruppe „Die Wühlmaus“ führen. Im Einzelnen werden folgende Maßnahmen realisiert:
Einsatz inoffizieller Kräfte der KD(Kreisdienststelle) Treptow und anderer Diensteinheiten
Der Einsatz des IMS „Sandra“ erfolgt entsprechend eines konkreten Informationsbedarfs mit folgenden Schwerpunkten:
Weitere Aufklärung der Mitglieder der Laienspielgruppe,
Informationen zur Aufgabenverteilung der Mitglieder der Laienspielgruppe „Die Wühlmaus“,
Erkennen von Handlungsbereitschaft zur Begehung von strafbaren oder negativen Handlungen,
Aufklärung bestehender Kontakte zu ähnlichen Gruppierungen sowie Verbindungen in das Operationsgebiet,
Reaktionen von Mitgliedern der Laienspielgruppe „Die Wühlmaus“ zu eingeleiteten operativen Maßnahmen, vorrangig Maßnahmen, die zur Zersetzung der Gruppierung führen sollen,
Beschaffung von Texten und dem Inhalt des Programmablaufs der Laienspielgruppe „Die Wühlmaus“,
Erarbeitung von Informationen zu geplanten Auftritten und anderen Aktivitäten der Laienspielgruppe „Die Wühlmaus“,
Erarbeitung von Beweisen gemäß §§ 218 (1), (2) und 220 (2) StGB,
Beschaffung von Schriftenvergleichsmaterial (Hand- und Maschinenschrift von den Mitgliedern der Laienspielgruppe „Die Wühlmaus“.
Der IMS „Andreas Harms“ der KD (Kreisdienststelle) Waren wird im Interesse der Zersetzung der Laienspielgruppe „Die Wühlmaus“ aus dieser herausgelöst. Der IMS wird so instruiert, dass er den Grimm, Peter (OV ((geheime Ermittlungen)) „Robert“ der KD ((Kreisdienststelle)) Köpenick beeinflusst, ebenfalls die Laienspielgruppe zu verlassen. Zwischen Grimm und dem IM besteht ein freundschaftliches Verhältnis. Diesbezüglich erfolgt eine Absprache mit dem Genossen Mietzner der KD Waren, in der konkrete Vorstellungen über das Herauslösen des IMS „Andreas Harms“ festgelegt werden.
Termin: November 1985
1.3 IMS „Zwerg“
In Abstimmung mit der KD (Kreisdienststelle) Königs Wusterhausen, Gen. Hendrich, wird der IMS „Zwerg“ aus der Laienspielgruppe „Die Wühlmaus“ herausgelöst. Der IM wird so auftreten, dass er keine Lust mehr an der Arbeit in der Laienspielgruppe hat, da er die Tätigkeit dieser Gruppe für sinnlos erachtet.
nicht leserlich
2.1 ist unleserlich gemacht worden
2.2
In Abstimmung mit der KD (Kreisdienststelle) Köpenick, Genossen Piepkorn, werden in die Laienspielgruppe solche (Wort unleserlich) eingespielt, die für die Kreisdienststelle Köpenick erfassten und im OV (geheime Ermittlungen) „Robert“ bearbeiteten Grimm, Peter verunsichern und ihn veranlassen, sich aus der Gruppierung zurückzuziehen. Grimm sieht die Tätigkeit in der Laienspielgruppe nicht als sein Hauptbetätigungsfeld. Zur Erreichung dieser Zielstellung werden im Einzelnen realisiert:
Zusammenstellung von verwertbaren Informationen und vorliegenden Erkenntnissen zu Grimm, Peter durch Genossen Piepkorn der KD Köpenick.
Termin: 28.10.1985
Nutzung der Person Meier, Bernd mit dem bereits ein Gespräch im WKK Treptow geführt wurde (siehe Gesprächsbericht vom 23.09. 1985 und Treffbericht des IMS „Sandra“ vom 18.09. 1985), um über diesen gezielt Informationen in die Laienspielgruppe einzuspielen, die den Grimm und auch die anderen Mitglieder der Gruppierung zu verunsichern. Meier soll mit solchen Informationen ausgestattet werden, die den anderen Mitgliedern der Laienspielgruppe bisher nicht bekannt sich und den Grimm in Bezug auf seine Stellung in der Gruppierung diskriminieren.
Die eingespielten Informationen sollen dazu beitragen, dass die Mitglieder der Laienspielgruppe Vorbehalte gegen Grimm anmelden. Diesbezüglich wird mit Meier, Bernd ein weiteres Gespräch geführt.
Termin: 29.10. 1985
2.3
Über den stellvertretenden Stadtbezirksbürgermeister für Inneres, Genossen (Name geschwärzt) wird dem Superintendenten (Name geschwärzt) gegenüber in einem Gespräch das Befremden zum Ausdruck gebracht, dass die Laienspielgruppe „Die Wühlmaus“ nach wie vor unter dem Deckmantel der Kirche sich in einem Sinn betätigt, der den konstruktiven Beziehungen Staat-Kirche nicht förderlich ist. Ziel des Gespräches ist es, dass der Laienspielgruppe die Betätigungsmöglichkeit im Kirchenkreis Oberspree und Treptow entzogen wird.
Termin: November 1985
2.4 Über die HA XX/9 wird anlasst, den für dies DE erfassten
Metzner, Jörg
Geb. 05.09.1965
Im Interesse der Zersetzung der Laienspielgruppe „Die Wühlmaus“ aus dieser herauszulösen. Diesbezüglich erfolgt mit Genossen Paulik der HA XX/9 eine Absprache, bei der ihm konkrete Vorstellungen zum Herauslösen des Metzner unterbreitet werden.
Termin: November 1985
2.5
Rücksprache mit Genossen Nitz von der HA II/14 zur Durchführung eines Gespräches mit den Eltern des Mitgliedes der Laienspielgruppe
Born, Hella
Geb. (geschwärzt) 1969
erf. KD Treptow
mit der Zielstellung der positiven Beeinflussung der Born und Übersendung aller vorhanden Informationen zu ihr an die KD Treptow.
Termin: November 1985
Maßnahmen zur weiteren Aufklärung von Verbindungen der Laienspielgruppe „Die Wühlmaus“
Aufklärung von Verbindungen in das Operationsgebiet. Bestehende Kontakte einzelner Mitglieder in das Operationsgebiet werden weiter aufgeklärt und über weitere einzuleitende politisch-operative Maßnahmen entschieden.
Aufklärung von Verbindungen innerhalb der DDR. Entsprechend unter Punkt 1.1. genannten Informationsbedarf erfolgt der Einsatz des IMS „Sandra“ zur Feststellung von Verbindungen und Kontakten zu Personen in der DDR mit ähnlichen Interessen und Anschauungen.
Unterzeichnet vom Referatsleiter und dem Sachbearbeiter
Der IMS berichtete, dass die Laienspielgruppe „Die Wühlmaus“ am 12. Und 13.10.1985 einen Auftritt in Dresden in der „Weinbergskirche“ hatten. Sie traten dort im Rahmen einer Friedenswerkstatt mit weiteren Kabarett- und Liedergruppen auf. Der Laienspielgruppe stand für ihren Auftritt eine Zeit von ca. 40 Minuten zur Verfügung. Aus diesem Grunde konnten nur Teile des Programms vorgetragen werden. An der Fahrt nach Dresden beteiligten sich folgende Mitglieder der Laienspielgruppe:
Es folgt die Namensliste und wo diese Leute erfasst sind.
Der IM wies darauf hin, dass es in letzter Zeit häufiger zu Auseinandersetzungen zwischen Roolf und Grimm gekommen ist. Diese sind darauf zurückzuführen, dass Grimm Texte mitbringt, die nicht den Auffassungen von Roolf entsprechen.
Auch in Diskussionen innerhalb der Gruppierung stempelt Roolf den Grimm häufig als dumm und zu intellektuell ab. Der IM schätzt ein, dass Roolf im Gegensatz zu Grimm ein gutes Allgemeinwissen hat. Roolf ist in der Lage, sich für alle verständlich auszudrücken. Roolf hat auf fast alle Fragen eine entsprechende Antwort.
Grimm drückt sich im Gegensatz zu Roolf oft unverständlich und zu kompliziert aus. Nicht selten wird er als „intellektueller Spinner“ abgestempelt. Der IM schätzt ein, dass sowohl bei Roolf als auch bei Grimm Bemühungen ersichtlich werden, die dahin gehen, die Leitung der Laienspielgruppe inne zu haben.
Ein geschwärzter Name, erfasst bei der Kreisdienststelle Treptow, hat sich nun endgültig als Mitglied der Laienspielgruppe verabschiedet. Sie erwartet ein Kind.
Müller, Bernd und noch einige geschwärzte Namen, erfasst bei der Kreisdienststelle Treptow, erschienen bisher auch nicht mehr zu den Proben und Veranstaltungen der Laienspielgruppe. Meier wurde vor kurzem zur NVA einberufen. Meier muss noch einige Mitglieder der Laienspielgruppe vor seiner Einberufung getroffen haben, da bei der Probe am 05.11.1985 über Meier berichtet wurde.
Der Streit zwischen Grimm und Roolf hat sich inzwischen auf die gesamte Gruppe ausgewirkt. So erschienen am 29.10.1985 nur Altvogt, Born, Roolf und (Name geschwärzt)zur vereinbarten Probe. Auf Grund der intensiven Bemühungen von Roolf (z.B. tätigte er mehrere Anrufe) gelang es ihm, dass alle Mitglieder der Laienspielgruppe am 05.11.1985 zur Probe erschienen. Von Roolf wurde dargelegt, dass unabhängig von den bestehenden Differenzen der geplante Auftritt der Laienspielgruppe am 14.11.1985 in einer Kirche in Friedrichsfelde vorbereitet und auch durchgeführt wird. Alle Mitglieder der Gruppierung stimmten diesem Vorschlag zu. Roolf hat auch weiterhin die Möglichkeit eingeräumt, dass sich alle Mitglieder der Laienspielgruppe am geplanten „Menschenrechtsseminar“ am 23. Und 24.11.1985 beteiligen. Alle Mitglieder der Laienspielgruppe gaben eine Zusage.
Neben den bereits genannten 8 Personen der Laienspielgruppe, die sich am Auftritt in Dresden beteiligten, gehört noch
Name geschwärzt, erfasst bei der Kreisdienststelle Treptow
zur Laienspielgruppe „Die Wühlmaus“.
Weiterhin berichtete der IM, dass Roolf, Benn derzeitig ohne Arbeitsverhältnis ist. Er hatte sich als Elektriker im KEH (Königliches Elisabeth Hospital) in Herzberge beworben. Gleichzeitig hatte er im RMHW als Elektromonteur gekündigt. Eine Einstellung als Elektriker wurde abgelehnt (Wehe, wenn es in der DDR nicht mit der Arbeit geklappt hat. Da waren die sofort hinterher. P.R.)
Weiterhin hat auch Altvogt, Georg (erfasst Kreisdienststelle Waren) Probleme in seinem Arbeitsbereich. Er arbeitet derzeitig noch in einer Kaufhalle. Er hat die Absicht zu kündigen. Altvogt wird vom IM als ruhig und zurückhaltend charakterisiert. Wenn er sich jedoch einmal äußert, so spricht er aus. Was er denkt, auch wenn es den anderen nicht passt.
Quelle „Andreas Harms“ entgegengenommen: Oblt. Mitzkat 12.02.1986
Friedenskreis „Wühlmaus“
Mitglieder sind:
Es folgt eine Namensliste wovon einige geschwärzt sind.
Dadurch, dass vor ca. 2 Wochen Peter Grimm und (Name geschwärzt) die Zusammenarbeit im Friedenskreis gekündigt haben, hat die Gruppe die Möglichkeit, in einem anderen Stil und auf eine andere Art weiterzumachen. Das Verhältnis von Peter Grimm zu Gruppe war im letzten halben Jahr nicht mehr gut. Von ihm kamen keine konstruktiven Sachen mehr. Er hatte auch Streitereien mit Benn Roolf, die noch weiter ausuferten in Vorbereitung des „Menschenrechtsseminars“. (Name geschwärzt) hat bemängelt, dass im Kreis zu wenig abläuft, obwohl sie selbst in der Vergangenheit ebenfalls nichts dazu beigetragen hat. Sie hatte sich mehrmals entschuldigt, dass sie nicht der Typ ist, der Aktionen vorbereiten kann. Peter Grimm hatte in letzter Zeit ebenfalls gewartet, ob was kommt, woran er sich beherrlichen kann, ohne selbst was einzubringen.
Die Abende (dienstags) verliefen mehr oder weniger belanglos, d.h., es wurde wenig diskutiert, beschlossen, ausgedacht. Es waren mehr oder weniger Privatabende, an denen sich ausgetauscht wurde. Es hat sich im Nachhinein herausgestellt, dass es viel an Peter Grimm lag, dass die Kreativität völlig verlorengegangen ist, da alle Ideen aus der letzten Zeit durch Diskussionen als nicht brauchbar verworfen wurden, obwohl viele Ideen hätten verwirklicht werden können. Jetzt hat sich das so entwickelt, dass sich der Friedenskreis fester zusammenschließen wird, denn die persönliche Bindung untereinander ist größer.
Anmerkung von Petra Reichel: Hier hat der IM versehentlich die Gruppe „Wühlmäuse“ genannt. „Die Wühlmäuse“ ist ein Kabarett aus Westberlin.
Das Programm nimmt jetzt langsam Form an.
Thema:
„Die da oben und wir da unten“
„Was versprechen wir uns vom Parteitag?“
Zur Zeit laufen hierzu auch starke Diskussionen, weil wir uns bis jetzt noch nicht im klaren darüber sind, was die Leute am meisten interessiert.
Es folgt ein unleserlicher Abschnitt.
Weiter:
Bei Hella Born waren vor kurzem 2 Genossen vom Ministerium für Staatssicherheit, so erzählte es uns Hella. Das Gespräch soll am letzten Freitag, 07.03.1986, in der Wohnung der Eltern von Hella geführt worden sein. Die beiden Genossen sollen sie in der elterlichen Wohnung empfangen haben.
Hella erzählte uns, dass sie ihre Eltern von 2 Monaten darüber informierte, was sie macht. Vorher erzählte sie ihnen immer nur, dass sie sich bei Freunden aufhält und nun sprach sie erstmals über ihre Mitgliedschaft zur Gruppe „Wühlmäuse“. Darüber waren die Eltern echt erschrocken, sie führten mit ihr eine Diskussion, was sie sich von ihrer Zukunft erhofft, wenn sie sich an sowas beteiligt. Es handele sich doch bei der Gruppe um Leute, die alle fehlgeleitet sind und irrige Ansichten vertreten usw.
Beide Elternteile von Hella sind Staatsangestellte. (Den Beamtenstatus gab es in der DDR nicht. P.R.)
Jedenfalls sprachen die Genossen vom MfS mit ihr darüber, wie sie sich ihre Zukunft vorstellt, wenn sie weiter in der Gruppe mitmacht. Ob sie nicht Dialogbereitschaft zeigen würde usw.
Nach Aussagen der Hella hat immer nur einer der beiden geredet, sie nimmt an, ein Höhergestellter. Dieser hat ihr einiges erzählt über alle möglichen Leute, die in der Friedensbewegung aktiv sind und gefragt, ob sie diesen oder jenen kennt, ob sie bestimmte Vorgänge/Sachverhalte kennt bzw. dabei war, so z.B. den Brief, der von Hirsch, nächster Name unleserlich, Templin und Eppelmann(spätere Konterrevolutionäre P.R.)abgeschickt wurde, ob sie über Stendal informiert ist – Friedensseminar- usw. Speziell wurde nach Templin, Hirsch, Grimm gefragt. Das Interesse soll sich wohl auf Hirsch konzentriert haben.
Also dieser ältere Genosse hat fast die ganze Zeit geredet und erzählt, was das MfS schon alles herausbekommen hat.
Hella selbst verhielt sich dabei nach eigenen Aussagen absolut bockig und patzig. Sie soll entgegnet haben: „Ich habe Sie nicht eingeladen und beabsichtige nicht, mit Ihnen zu reden.“
Dies alles erzählte sie innerhalb der Gruppe, sie ist sofort damit herausgeplatzt.
Auch über Benn Roolf haben sich die beiden ziemlich ausgelassen, dass Benn die Hella negativ beeinflusst usw. So, sie sie die beiden vom MfS beschrieben hat, soll es sich um die beiden Genossen handeln, die vor 2 Jahren bereits mit Benn Roolf gesprochen haben.
Auf alle Fälle besteht jetzt ein gespanntes Verhältnis zu den Eltern. Da die Eltern jetzt absolut nicht mehr wissen, wie sie ihre Tochter in den Griff bekommen sollen.
Benn Roolf erzählte, dass er zur NVA gezogen wird. Er teilte in diesem Zusammenhang mit, dass er bei der Musterung seine Erklärung zur Ableistung des Bausoldatendienstes abgegeben habe. Er hofft ganz stark, dass er deswegen zurückgestellt wird.
Bericht 1 des IMS„Roland“ (Auszug) Es muss IMSheißen, aber in der Broschüre stehtIMB. Vermutlich ein Schreibfehler. P.R.
Kreisdienststelle Treptow Berlin, 25.04.1986
Information
Quelle: IMS „Roland“ (zuverlässig, ehrlich und überprüft)
Der IM besuchte die Zusammenkunft der Mitglieder der Laienspielgruppe „Die Wühlmaus“ am 22.04.1986 im Gebäude des evangelischen Kindergartens (Hier steht auch wieder „Kindergarten“, obwohl es wohl eher „Kirchengarten“ heißt. P.R.)in der Firlstraße 16.
Benn Roolf berichtete, dass er zum 6. Mai 1986 als Bausoldat zur NVA nach 8906 Ostritz, August-Bebel-Straße 259 (Panzergerätelager) einberufen wird.
Roolf zeigt sich sehr verärgert. Er hatte nicht mit einer so kurzfristigen Einberufung gerechnet.
Roolf brachte zum Ausdruck, dass die Einberufung aus dem Grunde erfolgen wird, dass er inzwischen den Sicherheitsorganen bekannt ist und einen Namen hat. Er ist den Sicherheitsorganen wahrscheinlich unbequem und man wollte ihn erst einmal loswerden.
Roolf brachte zum Ausdruck, dass diese Rechnung nicht aufgehen werde. Er werde als Bausoldat die „illegale Arbeit organisieren und eine Gruppe aufbauen“ (wörtliche Formulierung)
Roolf vertrat die Meinung, dass unter den Einberufenen ein „Spitzel der Staasi“ sein wird den es gilt vor der Gründung der Gruppe herauszufinden.
Roolf war auch deshalb über die kurzfristige Einberufung verärgert, da es für ihn den Anschein hatte, dass sich die Mitglieder der Laienspielgruppe jetzt fester zusammengeschlossen hatten und die Arbeit wieder vorwärts geht.
Roolf verkündete, dass er am 3. Oder 4. Mai in seiner Wohnung eine Abschlussfeier veranstalten wird.
Roolf bat alle Mitglieder der Laienspielgruppe darum, Bemühungen zu unternehmen, dass die Gruppe jetzt nicht auseinanderfällt.
Die in Besitz von Roolf befindlichen Schriftstücke (Kabarettstücke, Lieder, Texte und Bücher) sowie Matrizen zum Drucken für Texte wolle er demnächst an Jörg Metzner übergeben.
Ohne dass es ausgesprochen wurde war für die Mitglieder der Laienspielgruppe klar, dass Metzner die Leitung übernehmen wird.
Der Rest des Schreibens ist unleserlich gemacht worden.
IMS „Andreas Harms“, BV (Bezirksverwaltung) Neubrandenburg, Abt. XX
Nächster Abschnitt ist unleserlich gemacht worden.
Operative Ausgangsinformation, die zur Anlage des OV(Operationsvorganges) führte und Zielstellung und Bearbeitung
Durch überprüfte offizielle und inoffizielle Informationen wurde im Juni 1983 bekannt, dass sich in der Treptower evangelischen Bekenntniskirche (Es folgt die Adresse der Kirche.) eine Gruppe Jugendlicher etabliert hat, die sich als sogenannte „Treptower Friedensgruppe“ (TFG) bezeichnete und durch die an dieser kirchlichen Einrichtung fungierenden Pfarrer (Namen geschwärzt) angeleitet und unterstützt wurden. Die Zielstellung der TFG bestand darin, einen „eigenen Dienst am Frieden“ zu leisten und dafür möglichst viele Jugendliche zu gewinnen.
Zum Zeitpunkt der Einleitung des OV gehörten fast ausschließlich ehemalige Schüler der EOS „Klement Gottwald“-Treptow und der EOS „Alexander von Humboldt“- Köpenick zum Personenkreis der sogenannten „Treptower Friedensgruppe“.
Die Bearbeitung erfolgte mit folgender Zielstellung:
Verhinderung eines Zusammenschlusses mit festen Organisationsformen und pragmatischen Zielen, rechtzeitiges Erkennen und vorbeugende Verhinderung negativ-feindlicher Handlungen.
Aufdeckung feindlicher Pläne, Absichten, Mittel und Methoden im Zusammenhang mit der personellen Erweiterung der Gruppierung und deren Wirkungsbereich, um deren Ausweitung erfolgreich zu verhindern.
Schaffung von Möglichkeiten zur positiven Einflussnahme auf den R. zur Rückgewinnung auf gesellschaftsgerechte Positionen und zu Schaffung inoffizieller Möglichkeiten.
Einleitung erforderlicher Maßnahmen zur Zersetzung der Gruppierung durch inoffizielle Verbindungen in der TFG selbst.
Wesentliche Ergebnisse der bisherigen operativen Bearbeitung des OV
In Auswertung der durchgeführten operativen Maßnahmen zur Erreichung der Zielstellung des OV kann folgendes eingeschätzt werden:
Mitte 1984 wurde inoffiziell bekannt, dass die sogenannte „TFG“ zerstritten war und um eine neue Zusammensetzung und Funktionsaufteilung rang. Verschiedene Gründe führten dann zur vollständigen Auflösung der „TFG“.
Im 2. Halbjahr wirkte der Roolf vorwiegend individuell auf verschiedenen kirchlichen Veranstaltungen. Die damalige Freundin des Roolf. (Name geschwärzt) trennte sich in dieser Phase von Roolf.
Eine Zusammenarbeit der (Name geschwärzt) mit dem MfS zur Rückgewinnung des Roolf wurde von ihr abgelehnt. Es musste eingeschätzt werden, dass die durch die KD (Kreisdienststelle)Treptow eingeleiteten Maßnahmen, den Roolf unter positive Beeinflussung zu stellen, nicht fruchteten.
Durch den IMS „Lange“ wurde im 2. Halbjahr 1984 bekannt, dass der R. eine Theatergruppe „Die Wühlmaus“ gegründet hat. Diese Theatergruppe trat in der Folgezeit in den verschiedensten kirchlichen Einrichtungen in Berlin und Neuruppin mit eigenem Programm auf. Zu diesem Zeitpunkt gehörten folgenden Personen dieser Theatergruppe an:
Es folgt eine Namensliste.
Der nächste Abschnitt ist unleserlich gemacht worden.
Aufgrund des Auftritts von Buchheim, Gerd am 30.06.1985 auf der Evangelischen Friedenswerkstatt in der Erlöserkirche in Berlin-Rummelsburg wurde im Juli 1985 der Abteilung IX ein (jetzt folgt ein § aus dem Strafgesetzbuch – ein politischer §) im Rahmen des OV „Bekenntnis“ wegen Verletzung des Straftatbestandes (wieder ein politischer §) zu Buchheim festgelegt.
Diesbezüglich wurde entschieden, die beabsichtigte Übersiedlung des Buchheim nach Westberlin zu genehmigen.(Das war das Vernünftigste. Weg mit dem Scharfmacher. P.R.)
Durch die Einleitung koordinierter Zersetzungsmaßnahmen der KD Köpenick, der KD Königs Wusterhausen und der KD Treptow konnte erreicht werden, dass innerhalb der Laienspielgruppe Differenzen auftraten, die dazu führten, dass sich einige Mitglieder aus ihrer Tätigkeit in der Laienspielgruppe verabschiedeten.
Zu diesen politisch-operativen Zersetzungsmaßnahmen zählte
die Übersiedlung des Buchheim nach Westberlin,
-die Einberufung des Meier, Bernd zur NVA,
-das Herauslösen des (Name geschwärzt) seitens der KD Königs Wusterhausens aus der Laienspielgruppe.
-die Durchführung von zwei Gesprächen mit Meier, Bernd, bei den ihm Informationen gegeben wurden, die die Differenzen unter den Mitgliedern der Laienspielgruppe und speziell zwischen Roolf und Grimm weiter forcierten,
-das Herausbrechen eines Mitgliedes aus der Laienspielgruppe und Gewinnung zur inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS.
Weitere Maßnahmen führten dazu, dass der Zersetzungsprozess weiter beschleunigt werden konnte und die Gruppe derzeitig nicht in der Lage ist, ein Programm aufzuführen.
Derzeitig gehören der Laienspielgruppe „Die Wühlmaus“ folgende Personen an:
(Es folgt eine Namensliste.)
(Unvollständiger Satzanfang..) können derzeitig noch keine Aussagen getroffen werden. Mit der Born wurde ein Gespräch geführt, in dessen Ergebnis sie sich vorerst als Mitglied der Laienspielgruppe verabschiedete.
Am 09.04. 1986 fand nach längerer Pause wieder eine Veranstaltung der Laienspielgruppe, durch die Gestaltung eines Diskussionsabends im Gebäude des evangelischen Kindergartens (Vermutlich ist „Kindergarten“ ein Schreibfehler. Später ist vom „Kirchengarten“ die Rede. Das halte ich für wahrscheinlicher. P.R.) in der Firlstraße in Berlin-Oberschönweide, statt.
In diesem Gebäude finden regelmäßig dienstags Zusammenkünfte der Mitglieder der Laienspielgruppe statt. Seit dem 08.04.1986 gehört ein (Name geschwärzt) zu den Mitgliedern der Laienspielgruppe. Es bestehen Bemühungen, dass der Handlungsspielraum innerhalb der Kirche wieder stärker zu politisch-negativen Zwecken missbraucht wird und ein neues Programm erarbeitet wird. Im April 1986 ist es gelungen, den IMS „Roland“ der KD Treptow in die Laienspielgruppe zu integrieren.
Weitere Zielstellung der Bearbeitung
Erarbeitung von Informationen zur vorbeugenden Verhinderung negativ-feindlicher Aktivitäten in der Öffentlichkeit.
Einleitung weiterer Maßnahmen zur Zersetzung der Gruppe.
Feststellung des Charakters der festgestellten Kontakte zu Personen der sogenannten unabhängigen Friedensbewegung und Prüfung, ob von diesen eine Anleitung und Inspiration ausgeht.
Die weiteren konkreten Maßnahmen zur Bearbeitung des OV „Bekenntnis“ werden in einem gesonderten Operativplan festgelegt. Der Operativplan wird bis zum 5. Mai 1986 erarbeitet.
Die Personen Buchheim, (weitere Namen geschwärzt) werden vom Index des OV „Bekenntnis“ gelöscht und für die KD Treptow KK (eine Registrierungsart, siehe Abkürzungsverzeichnis) erfasst.
Sternchenvermerk: wie Eppelmann, nächster Name unkenntlich gemacht, Hirsch und Grimm. (Später bekannte Konterrevolutionäre. P.R.)
Es folgt der Verteiler und Unterzeichnung durch Leutnant Beyer
Am 09.06.1986 erfolgte zwischen dem Genosse Hauptmann Pogge und Leutnant Beyer der Kreisdienststelle Treptow und dem Genossen Gottwald der Hauptabteilung I, Abt. MfNV. Militärakademie Dresden, (Telefonnr.) ein Gespräch zu dem im OV „Bekenntnis“ bearbeiteten Roolf, Benn.
Genosse Gottwald brauchte eine erste Einschätzung zu Roolf nach seiner Einberufung als Bausoldat zur NVA.
Er leistet seinen Dienst im Teillager Charlottenhof, welches zum Panzergerätelager im Ostritz gehört.
Im Teilelager Charlottenhof sind 36 Bausoldaten tätig. 7 Bausoldaten unter ihnen Roolf wurden jetzt aus Berlin einberufen.
Ausgang und Urlaub für Bausoldaten ist sehr großzügig gestaltet. So erhalten die Bausoldaten alle 14 Tage bis 3 Wochen, Wochenendurlaub und 2-3 mal wöchentlich Ausgang.
Folgende Vereinbarungen werden getroffen:
Roolf bleibt für die Kreisdienststelle Treptow weiter erfasst. Genosse Gottwald veranlasst die Maßnahme -M- (Postkontrolle)zum NPV (Nationaler Postverkehr).
Weiterhin wird registriert, von wem Roolf am Dienstort Besuch erhält.
Darüber hinaus wird Roolf bevorzugt behandelt. So erhält er öfter Ausgang und wird bevorzugt mit Urlaub. Er wird auch öfter zum Vorgesetzten vorgeladen. Mit diesen Maßnahmen könnte eine Isolierung von Roolf erreicht werden.
Genosse Gottwald wies darauf hin, dass im Herbst 3 Bausoldaten aus Berlin Treptow zum Einsatzort von Roolf einberufen werden. (Eine diesbezügliche Überprüfung erfolgt über das Wehrkreiskommando Treptow.)
Die zuständige Kreisdienstelle für Ostritz ist die Kreisdienststelle Görlitz. Seitens der Kreisdienststelle sowie vom Genossen Gottwald bestehen keine inoffiziellen Möglichkeiten.
Der Genosse Gottwald wird einen Abschlussbericht von Roolf übergeben.
Am 19.06.1986 erfolgte die Absprache zwischen dem Genossen Mitzkat der Abteilung xx der Bezirksverwaltung Neubrandenburg und dem Unterzeichner. Genosse Mitzkat brachte zum Ausdruck, dass es derzeitig unmöglich ist, den IMS „Andreas Harms“ aus der Laienspielgruppe „Die Wühlmaus“ herauszulösen.
Es gibt Schwierigkeiten mit dem IM. Er ist auch nicht bereit offen über alles zu sprechen.
So deutete der IM nur an, dass 2 Mitarbeiter des MfS mit der Born, Hella und ihren Eltern gesprochen haben. Dadurch habe die Born Schwierigkeiten in der kirchlichen Tätigkeit. Weitere Fragen zu diesem Sachverhalt wollte der IM nicht beantworten. Er sagte dazu wörtlich „die gehört nicht hierher!“
Der IMS reagierte sehr ungehalten als ihm dargelegt wurde, dass er sich aus der Laienspielgruppe zurückziehen soll. Er sieht seine Tätigkeit in dieser Gruppe als Sprungbrett für eine noch festere Integrierung in der sogenannten unabhängigen Friedensbewegung.
Der IMS „Andreas Harms“ beabsichtigt ab September/Oktober 1986 eine neue Tätigkeit auszuüben. Ihm wurde die Möglichkeit gegeben als Handwerker im Bund der evangelischen Kirchen zu arbeiten. Verbunden damit ist ein Umzug nach Berlin Mitte.
Nach der Aufnahme der neuen Tätigkeit sowie des Umzuges wäre der IMS bereit, sich aus der Laienspielgruppe zurückzuziehen.
Von den Genossen der Abteilung xx der Bezirksverwaltung Neubrandenburg wird angestrebt, den IMS bis zum Oktober 1986 aus der Laienspielgruppe herauszulösen.
Dem Genossen Mitzkat wurde ein umfassender Informationsbedarf übergeben.
Eine weitere Absprache ist für September vorgesehen.
Anlässlich des Treffens des Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Willi Stoph, mit dem Bundeskanzler der BRD, Willy Brandt, am 21.05.1970 in Kassel planten rechte, nationalistische und revanchistische sowie linksradikale, anarchistische Kreise eine Anzahl gegen die DDR und gegen die DDR-Delegation und Willi Stoph persönlich gerichtete Aktionen.
Nach dem Treffen der Regierungschefs der BRD, Willy Brandt, und der DDR, Willi Stoph, zu einem ersten Gipfeltreffen in Erfurt, fand am 21.05.1970 in Kassel ein Folgetreffen statt. Diese Begegnungen waren Ausdruck der „Neuen Ostpolitik“ der Bundesregierung. Konkrete Beschlüsse brachten die Treffen nicht. In Reaktion auf diese Situation schlug Willi Stoph eine „Denkpause“ und die Aussetzung weiterer Gespräche vor. Erst im November 1970 wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen. (Im Nachhinein kann man sagen, dass diese Treffen der erste „Sargnagel“ für die DDR waren. Doch damals schöpfte man in der BRD und der DDR Hoffnungen auf Frieden und Verständigung.P.R.)
Obwohl einzuschätzen ist, dass eine Vielzahl der geplanten Vorhaben nicht umsetzbar waren, wurden unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der DDR-Delegation alle Hinweise auf mögliche Provokationen, Störmanöver usw. ernstgenommen. In diesem Zusammenhang ist besonders darauf hinzuweisen, dass internen Informationen (des MfS P.R.)zufolge Führungskräfte der westdeutschen Polizei teilweise stärker auf die geplanten Aktionen progressiver Organisationen sowie auf die erwarteten Auseinandersetzungen dieser Organisationen mit reaktionären Kräften orientierten als auf die Absicherung der Verhandlungsdelegation und des Verhandlungsortes.
Nachstehend eine Übersicht über die dem MfS in diesem Zusammenhang intern offiziell bekannt gewordenen feindlichen Plänen und Absichten:
Der Schwerpunkt der geplanten feindlichen Maßnahmen lag im Raum Kassel, wo besonders am 21.05. 1970 bzw. bereits am Vorabend des Verhandlungstages sogenannte Protestdemonstrationen, Hetzkundgebungen und andere Provokationen stattfinden sollten.
Im Vorfeld und während des Besuches von Willi Stoph kam es im Raum Kassel zu mehreren großen und zum Teil auch gewaltsamen Protesten, die von verschiedenen Gruppen aus dem konservativen und rechtsradikalen Lager organisiert wurden, sowie zu Gegendemonstrationen aus dem linken Spektrum.
Als unmittelbare Initiatoren und Veranstalter sollten insbesondere die NPD, die Junge Union und revanchistische Organisationen in Erscheinung treten. Darüber hinaus wurden dem MfS zum damaligen Zeitpunkt folgende Einzelheiten bekannt:
In der „National-Zeitung“, Ausgabe Nr. 19 vom 08.05.1970, wurden Leserstimmen veröffentlicht, die auffordern, „unter Führung der CDU/CSU, der Leiter der Vertriebenenverbände“, des „Deutschen Soldatenbundes“ und „aller freiheitlich Gesinnten“ in „Massen“ nach Kassel zu kommen.
Die „National-Zeitung“ war eine zwischen 1950 und 2019 erschienene rechtsradikale Wochenzeitung.
Der Ende des 19. Jahrhunderts gegründete Kyffhäuserbund war bis 1945 Dachverband der Kriegervereine, wurde aufgrund seiner Nähe zum Nazi-Regime bei Kriegsende verboten und 1952 in der BRD als Deutscher Soldatenbund (Kyffhäuserbund) wiedergegründet.
Der damalige NPD-Vorsitzende von Tadden erklärte offiziell demagogisch, dass am Tage des Treffens selbst die NPD in Kassel keine Aktionen veranstalten werde. Die NPD wolle jedoch auf einer Kundgebung in Kassel am Abend des 20.05.1970 „gegen die Anerkennung der deutschen Teilung und für das Recht des deutschen Volkes auf Selbstbestimmung“ eintreten. Auf einer Hetzkundgebung wollte von Tadden selbst sprechen. Nach inoffiziellen Hinweisen plante die NPD außer der Kundgebung am Abend des 20.05.1970 eine Demonstration in Kassel unter der Teilnahme von Mitgliedern aus dem Bundesgebiet. Nach internen Hinweisen wollte die NPD ihren sogenannten Ordnungsdienst neu organisieren und in Kassel einsetzen. Vorbereitungen wären im Gange.
Adolf von Tadden war ein rechtsextremer Politiker, 1939-1945 Kriegsdienst, 1945/46 Haft in Polen mit anschließender Flucht nach Deutschland, 1947 Eintritt in die rechtsextreme Deutsche Rechtspartei, 1950 Mitbegründer der Deutschen Reichspartei, 1961-64 deren Vorsitzender, 1964 Mitbegründer der NPD, 1967 – 71 deren Vorsitzender, 1964-72 Herausgeber des NPD-Parteiorgans „Deutsche Nachrichten“, ab 1975 Chefredakteur der „Deutschen Wochenzeitung“.
Eine „lautlose Demonstration“ in Form einer „Schweigefahrt“ mit dem PKW wollten – wie intern bekannt wurde- die NPD-Landesverbände Hessen und Bayern durchführen. Die Fahrzeuge sollten mit Hetzlosungen versehen werden („Kein freies Geleit für Mörder“, „Freiheit für unsere Brüder“, „Raus mit Stoph“ usw.). Sollte diese Demonstration nicht genehmigt werden, wollten sich diese NPD-Gruppen unter Umständen Demonstrationen der CDU7CSU anschließen, ohne sich äußerlich zu erkennen zu geben.
Rechtsextremistische Kreise, besonders aus der NPD, haben in Flugblättern zu einer „Gesamtdeutschen Aktion“ Willi Stoph in Kassel aufgerufen. Es wird gefordert, unter „Freunden und Bekannten“ für eine Demonstration“ am 21.05.1970 zu werben und an vorgesehene Adressen namentlich mitzuteilen, wer daran teilnimmt. Weiterhin wird in dem Flugblatt aufgefordert, „Vorschläge für Aktionen in Kassel“ zu machen.
Die Junge Union plante am Vorabend der Begegnung in Kassel einen „Schweigemarsch“. In dem Zug-es wurden etwa 3 000 Mitglieder erwartet- sollten 535 Fackeln getragen werden. (Die Zahl würde den Toten „der Mauer und Demarkationslinie“ entsprechen.) Die Initiative für diese Provokation ging von den Landesverbänden Hessen und Westberlin aus, die dazu ein Aktionskomitee „Wir gehen nach Kassel“ unter Vorsitz von Wohlrabe (MdB/CDU) geründet und alle Landesverbände der Jungen Union in Westdeutschland aufgefordert haben, an der Demonstration teilzunehmen. In Westberlin sollten ca. 500 Mitglieder für die Teilnahme gewonnen werden. Etwa 1 200 Anmeldungen aus Westdeutschland und Westberlin würden bereits vorliegen. Für die gesamte Aktion stellten die CDU und der Bundesvorstand der Jungen Union 350 000 DM zur Verfügung.
Jürgen Wohlrabe, Jahrgang 1936, CDU-Politiker, ab 1958 in der Studentenbewegung der CDU, 1979-95 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Westberlin, 1989-91 Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses.
Der neue SPD-Informationsdienst „intern“ berichtete in seiner ersten Nummer vom 10.05.1970, dass der Bundesvorstand der CDU erwäge, in Kassel durch eine Plakataktion „Akzente zu setzen“. Auf den Plakaten soll der Bonner Regierung „Verzichtsausverkaufspolitik“ vorgeworfen werden.
Der Informationsdienst „intern“ wurde zwischen 1970 und 2017 als Nachfolger der „bonner depeschen“ vom Bundesvorstand der SPD herausgegeben.
Auf einer Bundesvorstandssitzung des „Freundeskreises der CSU“ seien nach Mitteilung einer zuverlässigen Quelle folgende Maßnahmen festgelegt worden:
Blockierung der Fahrstrecke vom Bahnhof Wilhelmshöhe bis zum Tagungsort am 21.05.1970 durch Organisierung von Sitzstreiks;
Aufstellung von schwarzen Kreuzen und Hetzplakaten (Darstellung der Sicherungsanlagen der Staatsgrenze der DDR) sowie Organisierung von Sprechchören;
Druck von 10 000 Hetzflugblättern, in denen gegen Willi Stoph gehetzt werden soll.
Die Kirche hatte die Absicht, in Kassel auf einem größeren Platz, zusammen mit der Inneren Mission ein großes Zelt aufzustellen und darin Veranstaltungen durchzuführen. (Derselbe Standort für die Errichtung eines Zeltes sei der DKP abgelehnt worden.)
Der „Bund der Vertriebenen“ wollte am 21.05.1970 demonstrieren. Einen entsprechenden Antrag auf Genehmigung habe er an den Kasseler Magistrat gestellt. Weitere Einzelheiten lagen zum damaligen Zeitpunkt nicht vor.
Der Bund der vertriebenen Deutschen (BVD, seit 1954) wurde 1949 von Linus Kather als Zentralverband der vertriebenen Deutschen gegründet. Im Jahre 1957 schloss sich der BVD mit dem Verband der Landsmannschaften zum Bund der Vertriebenen – Vereinigte Landsmannschaften und Landesverbände zusammen.
Die „Vereinigung der Opfer des Stalinismus“ (VOS) hatte ebenfalls die Absicht, am 21.05.1970 in Kassel zu demonstrieren. Es sollte ein Demonstrationszug von etwa 200 Mitgliedern organisiert werden, die in Häftlingskleidung auftreten sollten.
Die „Vereinigung der Opfer des Stalinismus“ wurde 1950 in Westberlin gegründet. Sie betreute vormals in sowjetischen Lagern und Haftanstalten inhaftierte sowie kriegsgefangene Deutsche und setzte sich für die Aufarbeitung der diktatorischen Herrschaft primär in der DDR ein. (Ach das kennen wir ja. Die Opferverbände – heute gehören sie zu den Siegern der Geschichte. P.R.)
Der Westberliner Landesvorstand der „Vereinigung 17. Juni 1953“ hatte die westdeutschen Landesverbände aufgerufen, am 21.05.1970 nach Kassel zu kommen. Das Ziel bestand darin, etwa 2000 Mitglieder für Kassel zu mobilisieren. Es sollte erreicht werden, dass die Mitglieder der Vereinigung aus „Protest“ die Anfahrtsstrecke zum Tagungsort blockieren. Weiterhin sollten Lautsprecherwagen eingesetzt werden. Darüber hinaus wurde eine Flugblattaktion vorbereitet.
Aus dem „Komitee 17. Juni“, das aus Aktivisten des „Aufstandes“, die sich durch Flucht in den Westen ihrer Verantwortung entzogen haben, hervorgegangener, im August 1957 gegründeter Verein, der sich besonders nach dem 13.08.1961 antikommunistischer Propaganda, der Ablehnung von Verständigungs- und Entspannungsbemühungen westlicher Politiker und militanter Übergriffe auf Funktionäre und Büros der SEW oder Repräsentanten der DDR und UdSSR widmete.
Außer den bisher genannte Aktionen der von rechten Kräften entfachten Atmosphäre der Morddrohung hatten Personen aus Westdeutschland an Willi Stoph Drohbriefe gerichtet. So hatte jemand aus Mannheim Willi Stoph angedroht, er werde „auf dem Boden von Kassel von Scharfschützen abgeschossen“.
Strafantrag gegen Willi Stoph haben außer Gerhard Frey (Herausgeber der „National-Zeitung“) folgende Personen gestellt:
Pöhlmann (stellv. NPD-Bundesvorsitzender und NPD-Fraktionsvorsitzender im bayrischen Landtag)
Heinze (NPD-Abgeordneter aus Augsburg)
Kuhnt (Fraktionsvorsitzender der NPD vom Landtag Baden-Württemberg)
Stöckicht (stellvertretender NPD-Fraktionsvorsitzender vom Landtag Baden-Württemberg)
Und noch Einer aus Starnberg/Bayern
Wie eine vertrauenswürdige Quelle berichtete, hatten auf dem Landesparteitag der NPD von Nordrhein-Westfalen am 25. und 26.04.1970 einzelne Delegierte Drohungen gegen Willi Stoph geäußert. So erklärte das 1968 im Zusammenhang mit einem bewaffneten Überfall auf das DKP-Büro in Bonn bekanntgewordene NPD-Mitglied Hengst, Bernd, es sei für ihn „Ehrensache“ nach Kassel zu reisen, denn er wolle Stoph „persönlich ohrfeigen“.
Am 02.10.1968 verübte der Rechtsextremist Bernd Hengst einen bewaffneten Überfall auf ein DKP-Büro in Bonn.
Bernd Hengst Jahrgang 1943, NPD-Politiker, 1967/68 bis zu seiner Verhaftung am 13.02.1971 führender Kopf der „Wehrsportgruppe Hengst“, einer rechtsterroristischen Vereinigung, die Anschläge plante und verübte.
Das Mitglied der Gewerkschaftsorganisation „Christlicher Metallarbeiterverband“ im Volkswagenwerk Baunatal bei Kassel, äußerte nach offizieller Darstellung der DPK: „Wenn es schon keine Handhabe gibt, den Stoph zu verhaften, so wird sich ein deutscher Mann finden, der hinter dem Zielfernrohr den Finger krumm macht.“
Gemeint ist die 1899 geründete „Christliche Gewerkschaft Metall“, die zum Christlichen Gewerkschaftsbund gehört.
Es lagen Informationen darüber vor, dass neben rechtsextremistischen Kräften auch linksradikale, anarchistische Kreise um die „Internationale Arbeiterkorrespondenz“ in Frankfurt/Main versuchen unter den Funktionären des DGB und der SPD Stimmung zu machen für Parolen, wie „Zwingt Brandt und Stoph am 21. Mai Farbe zu bekennen“.
„Internationale Arbeiterkorrespondenz“ ist der Name einer trotzkistischen Zeitschrift, die von 1965 bis 1981 erschien.
Auch die „Kommunistische Partei Marxisten-Leninisten“ trat gegen das geplante Treffen in Kassel auf. Eine ihrer Losungen lautete: „Stoph und Brandt: Verräter der deutschen Arbeiterklasse“. Mit solchen Losungen planten die sogenannten Marxisten-Leninisten sowie Trotzkisten in Kassel aktiv zu werden (nähere Einzelheiten waren zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt).
Die Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten war eine westdeutsche kommunistische Kleinpartei, die 1968 in Hamburg gegründet wurde und sich zunächst an das maoistische China, später an Albanien anlehnte. Sie ging 1986 in der Vereinigten Sozialistischen Partei auf. (Das war eine der damaligen K-Gruppen, aus denen später Politikerinnen und Politiker der SPD und der GRÜNEN hervorgegangen sind. P.R.)
Nach einer internen, nicht bestätigten Information sollten die Kubaner Jorge Fraga, Regisseur aus Havanna, und Alfredo Guevara, Präsident des ICAIC (Kubanisches Institut für Filmkunst und Filmindustrie, gegründet 1959, größte staatliche Filmgesellschaft Kubas), anlässlich der Dokumentar- und Kurzfilmwoche (11.-18.04.1970 in Oberhausen) zum Ausdruck gebracht haben, dass sie es begrüßen würden, wenn auf Stoph geschossen würde. Die Kubaner erklärten, die „Linken“ wären klug, wenn sie einen solchen Anschlage inszenierten, da dann die wirklichen Zustände in der BRD zur Oberfläche kämen. (Eigenartige Logik- P.R.)
Geplante Störmaßnahmen und Hetzkundgebungen, die über den Raum Kassel hinausgehen, wurden seitens der NPD nicht bekannt. Im Einzelnen handelt es sich um
Abbrennen von „Mahnfeuern“ entlang der Staatsgrenze zur DDR am Vorabend des Treffens. Dazu will die NPD die Landsmannschaften und andere revanchistische Organisationen mobilisieren.
Durchführung von Hetzkundgebungen in einigen-zum damaligen Zeitpunkt unbekannten- westdeutschen Städten.
Verteilung von Hetzflugblättern in Westdeutschland.
Vom MfS wurden die notwenigen Maßnahmen zur weiteren Aufklärung der feindlichen Pläne, Absichten und Maßnahmen eingeleitet.
Nachbemerkungen von Petra Reichel
Dass damals in der BRD im Vorfeld eines Staatsbesuchs nicht die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen geplant und durchgeführt wurden, ist aus heutiger Sicht verwunderlich.
Die „Hau-drauf“- und „Hau-Ruck“- Methoden gegen die DDR hatten keinen Erfolg. Allerdings hatten die damals Verantwortlichen der DDR übersehen, dass die indirekte Strategie, die DDR von innen zu erodieren, auf lange Zeit Erfolg hatte.
Von Februar 2025 bis Mai 2025 hat sich DIE TROMMLER mit derBroschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber: Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv, beschäftigt. Manches war ganz schön knifflig.
Diese Broschüre ist an die heutigen Schülerinnen und Schüler gerichtet. Ob im Unterricht soviel Zeit ist, um das alles auszuarbeiten, ist fraglich. Vielleicht ist es als Projektarbeit gedacht. Sind die heutigen Lehrerinnen und Lehrer in der Lage entsprechende Anleitung zu geben? Denn die meisten Lehrkräfte sind zu jung, um die DDR noch zu kennen. Es besteht die Gefahr, dass letztendlich die Geschichtsschreibung der Sieger vermittelt wird. Doch Original-Dokumente geben die Chance die historischen Ereignisse ohne Vorurteile auszuwerten. DIE TROMMLER bietet der heutigen und nachfolgenden Generationen die Möglichkeit historische Ereignisse aus der Sicht der Verlierer der Geschichte wahrzunehmen.