Nun beschäftigt sich DIE TROMMLER mit einem umfangreichen Thema. Das geht über den Jahreswechsel hinaus.
Es geht um eine der vielen kirchlichen Gruppen, welche die Keimzellen für konterrevolutionäre Gruppierungen waren. Hier um eine Laienspielgruppe, die aus einer Gruppe der sogenannten unabhängigen Friedensbewegung der DDR hervorgegangen ist.
In dieser und der nächsten Ausgabe werden die Dokumente vorgestellt. In der Februar-Ausgabe befasst sich DIE TROMMLER mit der Aufgaben, welche vom Bundesarchiv für die heutigen Schülerinnen und Schüler formuliert worden sind.
Das Ganze trägt den Titel „Zersetzung“. Überall auf der Welt ist die Zersetzung eine der Methoden von Geheimdiensten. Es wird aber so getan, als hätte das MfS alleine solche Maßnahmen durchgeführt.
Das Material ist vom Bundesarchiv entnommen worden. Petra Reichel hat das bearbeitet bzw. zusammengefasst.
Diese Paragraphen konnten ein weites Feld umfassen. Der § 218 Strafgesetzbuch der DDR konnte sich gegen gewöhnliche Verbrecherbanden bis hin zu Terrorgruppen richten. Es konnten auch harmlosere Gruppen betroffen sein. Mit dem Schlagwort „Unrechtsstaat DDR“ wird auf überzogenes Handeln der DDR-Strafverfolgungsbehörden hingewiesen und so getan, als wäre das mehrheitlich der Fall gewesen. In diesem Beispiel hier, sieht es zunächst auch nach überzogenem Handeln aus. Doch wenn man die Akten dieses Falles auswertet, kommt man zu dem Schluss, dass es diese harmlos scheinende Gruppe doch in sich hatte. Sie war letztendlich doch nicht so harmlos.
Solcherlei Gruppen sind in den 1980er Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen und fanden Unterschlupf unter dem Dach der Kirche. Sie waren die Keimzelle der späteren konterrevolutionären Gruppen. Doch zum damaligen Zeitpunkt hatte das noch niemand, auch das MfS nicht, geahnt.
Der § 220Strafgesetzbuch der DDR war etwas unglücklich und zeigte die Schwäche der Staatsmacht der DDR auf. Man war oft kleinlich und brachte Kulturschaffende sowie Bürgerinnen und Bürger gegen sich auf. Allerdings müssen wir bedenken, dass man auch im heutigen Deutschland mit politischen § kleinlich geworden ist, wie z.B. die Politikerbeleidigung u.ä.
Maßnahmeplan zum Auftritt der „Wühlmäuse“ (OV „Bekenntnis“) am 19.01.1985 in der Bekenntniskirche in Berlin
Nachfolgend genannte Maßnahmen zur am 19.01.1985 um 19:00 Uhr in der evangelischen Bekenntniskirche Treptow stattfindenden Veranstaltung der im OV „Bekenntnis“ bearbeiteten Gruppe „Wühlmäuse“ erfolgten mit folgender Zielstellung:
Vorbeugende Verhinderung politisch-negativer und negativ-feindliche Aussagen und Handlungen in der Öffentlichkeit, Missbrauch der genannten kirchlichen Einrichtung.
Erarbeitung von offiziellen und inoffiziellen Beweisen (es folgen Paragraphen P.R.) in Verwirklichung der Zielstellung der Bearbeitung des OV „Bekenntnis“.
Maßnahmen
Mit dem Ziel der Verhinderung gegen den Staat gerichteter negativ-feindlicher Handlungen erfolgte durch den Stadtbezirksrat für Inneres (Es folgt der geschwärzter Name P.R.), eine Aussprache mit dem Superintendenten des Kirchenkreises Oberspree.(geschwärzter Name P.R.) in welcher dieser
auf die Einhaltung der Veranstaltungsordnung hingewiesen wird.
In einige bekannte inhaltliche Probleme des Programms eingewiesen und
Aufgefordert wird, gegenüber den Veranstaltern und mitwirkenden Personen seinen Einfluss geltend zu machen, dass es nicht zu negativ-feindlichen Handlungen kommt.
Dann folgen die Unterschriften der damaligen Verantwortlichen des MfS.
Anmerkung von Petra Reichel:
In der DDR war das mit Kabarett und Satire eine schwierige Sache. Man musste die „feine Klinge“ beherrschen. Als Laie musste nochmals extra aufgepasst werden.
Hier ist von die „Wühlmäuse“ die Rede. Sicher eine Verwechslung mit dem gleichklingenden „Die Wühlmaus“ und „Die Wühlmäuse“ aus Westberlin.
Original-Dokument aus der Broschüre „Zersetzung“ vom Bundesarchiv
Kreisdienststelle Treptow, Papier ausgestellt in Berlin am 07. März 1985
Am 05.03.1985 erschien Buchheim, Gerd gegen 15 Uhr unaufgefordert in der Abteilung Innere Angelegenheiten des Rates des Stadtbezirkes Berlin-Treptow, um sich
Über die erfolgte Rückweisung am 01.03.1985 an der Grenze zur CSSR, Grenzübergangsstelle Schönberg, zu beschweren.
Nach dem Stand der Bearbeitung seines Übersiedlungsantrages (in ein nichtsozialistisches Land P.R.)zu erkundigen.
Über das Erscheinen des Herrn Buchheim in der Abteilung Inneres wurde die Kreisdienststelle des MfS verständigt und von Unterzeichner (dieses Schreibens P.R.)wurde die Führung des Gespräches übernommen. Ziel des Gespräches war zu prüfen:
Die Ernsthaftigkeit des Übersiedlungsantrages, einschließlich weiterer Pläne und Absichten zu dessen Durchsetzung.
Die Erarbeitung von Informationen im Zusammenhang mit der Bearbeitung des OV (geheimes Ermittlungsverfahren des MfS) „Bekenntnis“,
die Einziehung seines Personalausweises und die Aushändigung einer PM 12 (ein Ersatzausweis mit Beschränkungen für die betroffene Person P.R.)
Der Unterzeichner dieses Schreibens stellte sich nicht als Angehöriger des MfS vor.
Zu Punkt 1. Seines Anliegens wurde Herr Buchheim mitgeteilt, dass ihm zur Rückweisung an der Grenze zur CSSR keine andere Auskunft gegeben werden kann, als ihm am 01.03.1985 durch die verantwortlichen Genossen der Grenzsicherungskräfte bereits gegeben wurde.
Herr Buchheim reagierte bereits darauf sehr ungehalten und brachte sinngemäß zum Ausdruck, man kann schon nicht ins kapitalistische Ausland reisen und jetzt wird man noch gänzlich eingesperrt. Er empfindet die Rückweisung als reine Willkürmaßnahme bzw. Schikane der verantwortlichen Organe (Behörden Institutionen P.R.)der DDR.
Durch den Unterzeichner dieses Schreibens wurde Herr Buchheim zur Mäßigung ermahnt, anderenfalls kann er das Gespräch als beendet betrachten. Gleichzeitig wurde auf seinen Übersiedlungsantrag Bezug genommen und aufgefordert, seine Motive zu nennen.
Daraufhin verfiel Herr Buchheim erneut in einen gehobenen Tonfall und antwortete, dass ihm ja nichts anderes übrigbleibt, da er in der DDR eingesperrt ist, seine Meinung nicht frei äußern darf und er nicht will, dass seine Kinder zum Hass erzogen werden.
Er fügte hinzu, dass er auch für seine Lebensgefährtin spricht, die eine ähnliche Haltung zu den aufgezeigten Problemen hat wie er.
Aufgrund der gezeigten Aggressivität wurde vorerst verzichtet, den Personalausweis des Herrn Buchheim einzuziehen. Er wurde zum Schluss des Gespräches aufgefordert, sich an die Gesetze der DDR zu halten, der er anderenfalls mit den entsprechenden Konsequenzen zu rechnen hat.
Maßnahmen
Die Bearbeitung eines Vorschlages gemäß einer Dienstanweisung des Ministers zur Übersiedlung des Herrn Buchheim und seiner Lebensgefährtin aus politisch-operativen Gründen.
Anmerkungen von Petra Reichel:
So wichtig war Herr Buchheim, dass sich der Minister selbst drum kümmerte? Es kann aber auch eine allgemeine Dienstanweisung für solche Fälle sein.
Also Herr Buchheim wurde bei der Behörde ausfällig, bzw. aggressiv und wird milde behandelt (Er darf seinen Personalausweis behalten.) Menschenskind, das soll mal jemand bei einer heutigen Behörde probieren. Diese Person käme damit nicht weit.
Vorschlag zur Einleitung von Prüfungshandlungen ..wg. Verdacht eines (politischen) Straftatbestandes (Auszug)
Schreiben ausgestellt von der Kreisdienststelle Treptow Berlin, 03.Juli 1985
Der Operativvorgang „Bekenntnis“ wurde am 05. Juni 1984 auf der Grundlage überprüfter inoffizieller und offizieller Informationen wegen Verdacht der Begehung von Strafbaren Handlungen gem. (es folgen §§ bezüglich politischer Straftaten) zur sogenannten „Treptower Friedensgruppe“ eingeleitet. Diese sogenannte „Treptower Friedensgruppe“ löste sich 1984 auf. Aus ihr ging die Laienspielgruppe „Die Wühlmaus“ hervor, der nachstehend aufgeführte Personen angehören:
(Es folgen Namen, Adressen, Berufe, nebst Arbeitgeber und wo diese Leute erfasst sind.)
Aufgrund des bis zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Erkenntnissen zu den Aktivitäten er Laienspielgruppe „Die Wühlmaus“, insbesondere jedoch des politisch-negativen Auftretens des Herrn Buchheim mit eigenen, sich gegen gesellschaftliche Bereiche der DDR gerichteten Texten und Liedern, besteht der Verdacht der Verletzung des Straftatbestandes § 220 StGB der DDR (politischer §) durch Herrn Buchheim. Hervorzuheben ist, dass innerhalb der Laienspielgruppe nicht bekannt ist, dass Herr Buchheim einen Antrag auf Übersiedlung gestellt hat und zu vermuten ist, dass er die Auftritte innerhalb der Laienspielgruppe nutzt, um seine eigenen Ziele zu verfolgen.
Aus genannten Gründen wird vorgeschlagen, gem. (der entsprechende §) zu Herrn Buchheim Prüfungshandlungen zur Verletzung des obengenannten Straftatbestandes durchzuführen und die damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen zu nutzen, um die Laienspielgruppe „Die Wühlmaus“ zu zersetzen.
Es folgt die Unterzeichnung des Schreibens- Der untere Teil des Schreibens ist geschwärzt.
Anmerkungen von Petra Reichel:
Menschenskind die hätten den Herrn Buchheim nebst seiner Lebensgefährtin gehen lassen sollen. Dann wäre viel Aufwand und Ärger erspart geblieben. Später kam man zur Vernunft und hat Herrn Buchheim, nebst Anhang, gehen lassen.