Die Umwandlung Russlands in ein viele Nationalitäten umfassendes Reich
Der im Verlauf des 15. Und 16. Jahrhunderts geschaffene zentralisierte Russische Staat verwandelte sich seinem Bestand nach mehr und mehr in einen Nationalitätenstaat.
Die Eroberung des Kasaner und des Astrachner Khanats, dieser Bruchstücke der Goldenen Horde, führte am Ende des 16. Jahrhunderts dazu, dass die Tataren und Völker des Wolga- und Uralgebietes – die Udmurten, Marijer, Tschuwaschen, die Mordwinen und Baschkiren – in den Bestand des Russischen Staates einbezogen wurden.
Im 16. Und 17. Jahrhundert gliederte der Russische Staat seinen Besitz zuerst das Westliche, aber später auch das gesamte Östliche Sibirien an. Dieses ausgedehnte Territorium bewohnten verschiedene sibirische Stämme: die Manjsi, die Chanten, Ewenken, Chakassen, Jakuten, Burjat-Mongolen und andere. Im Norden und Nordosten namadisierten die Nenzen, die Tschuktschen, die Korjaken und andere Völkerschaften mit ihren Rentierherden.
Im 18. Und zu Beginn des 19. Jahrhunderts bildeten sich auch die westlichen Grenzen des Russischen Reiches heraus. Laut Beschluss des Wiener Kongresses im Jahre 1815, der nach dem Fall des napoleonischen Imperiums Europa umgestaltete, wurde unter der Bezeichnung „Polnisches Reich“ der größere Teil der polnischen Gebiete Russland angegliedert. Der russische Imperator wurde zum erblichen König von Polen erklärt. Die unmittelbare Verwaltung Polens wurde dem vom Imperator ernannten Statthalter übertragen.
Die Litauen und Bjelorussland benachbarten baltischen Gouvernements (Livland und Estland) wurden schon zur Zeit des Nordischen Krieges Russland angegliedert. Das Gouvernement Kurland fiel nach der neuen Teilung Polens im Jahre 1795 an Russland. Die baltischen Gouvernements wurden von russischen Gouverneuren verwaltet. Die wirtschaftliche Herrschaft im Baltikum jedoch gehörte den Großgrundbesitzern, den deutschen Baronen, die der russische Zarismus unterstützte.
Die Vereinigung der Ukraine mit Russland war schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts im Einklang mit dem Willen des ukrainischen Volkes erfolgt, der westliche oder rechts des Dnjepr gelegene Teil der Ukraine jedoch unter der Herrschaft Polens geblieben. Nach der Teilung Polens im Jahre 1793 waren sämtliche bjelorussischen und fast alle Ukrainischen Gebiete dem Russischen Reich einverleibt worden.
Als Ergebnis der Eroberung Finnlands im Jahre 1809 wurde das Großfürstentum Finnland geschaffen. Alexander I. fügte seinen früheren Titeln Allrussischer Imperator und König von Polen auch noch den eines Großfürsten von Finnland hinzu.
Ungefähr zu der gleichen Zeit dehnten sich die Grenzen Russlands im Süden aus. Die internationalen und inneren Verhältnisse Georgiens brachten es in eine solche Lage, dass es entweder zwischen Persien und der Türkei aufgeteilt oder unter die Herrschaft Russlands geraten musste. Schon im Jahre 1555 war der westliche Teil Georgiens (Imeretien) an die Türkei gefallen, der östliche Teil aber (Kartlien und Kachetien) an Persien. Den Schlägen von zwei stärkeren Nachbarn ausgesetzt, konnte das feudale zersplitterte Georgien nicht dem Andrängen der Gegner standhalten und sich seine Unabhängigkeit bewahren. Die Angriffe der Türken und Perser drohten Georgien nicht nur mit dem Verlust seiner Unabhängigkeit, sondern auch mit der physischen Vernichtung der Bevölkerung.
Die georgischen Feudalherren halfen mit ihren inneren Fehden den Türken und Persern das georgische Volk auszuplündern und vernichten.
Die fortschrittlichen Männer Georgiens sahen die einzige Rettung des Volkes in der Angliederung an Russland, dessen Macht immer größer wurde. Obgleich auch die Angliederung Georgiens an Russland den Verlust der Unabhängigkeit bedeutete, rettete es das georgische Volk und seine Kultur vor der Vernichtung.
Nach schweren, von den persischen Eroberern verursachten Nöten sandte die georgische Regierung nach Petersburg eine Gesandtschaft mit „Bittpunkten“, betreffend die Angliederung Georgiens an Russland. Die zaristische Regierung erließ im September 1801 ein Manifest über die Angliederung Georgiens.
Nach der Angliederung Georgiens an Russland wurde auch das übrige Transkaukasien einverleibt.
Ab Ende der 20er Jahre des 19. Jahrhunderts begann die zaristische Regierung die Bergvölker des Nordkaukasus zu bezwingen. Unter der Leitung des tapferen Heerführers Schamil eröffneten die Bergvölker den Kampf um ihre Unabhängigkeit. Schamil hatte sich die Aufgabe gestellt, die zersplitterten und rückständigen Bergvölker in einem selbstständigen Staat zu vereinigen. Er stellte eine Armee zusammen und führte eine Reihe von Reformen durch, die fortschrittlichen Charakter trugen. Der Kampf der Bergvölker um ihre Unabhängigkeit dauerte länger als 25 Jahre (1834 bis 1859), wurde aber von der zaristischen Regierung unterdrückt.
Die südöstlichen Grenzen des Russischen Reiches erreichten zu Beginn des 20. Jahrhunderts Persien, Afghanistan und China. Russland verwandelte sich in ein gewaltiges, viele Nationalitäten umfassendes Imperium, das in seinem Bestand Dutzende von großen und kleinen Völkerschaften aufgenommen hatte. Vor dem ersten Weltkrieg zählte es ungefähr 170 Millionen Einwohner, unter denen die Großrussen den entwickeltsten Teil der Bevölkerung darstellten. Etwa 100 Millionen waren nicht Großrussen. Davon hatten ungefähr 30 Millionen, hauptsächlich türkische Bevölkerung, die Etappe der kapitalistischen Entwicklung noch nicht durchschritten, besaßen kaum ein eigenes Industrieproletariat und führten größtenteils ein Nomadenleben als Viehzüchter. In wirtschaftlicher und kultureller Beziehung am entwickelsten waren die Völker, die den westlichen Teil des Russischen Reiches bewohnten und früher als die anderen in das kapitalistische Wirtschaftssystem einbezogen worden waren. Bei diesen Völkern hatte sich bereits eine nationale Bourgeoisie und ein nationales Proletariat gebildet. Daher war im 19. Jahrhundert der Kampf um die nationale Unabhängigkeit vor allem in dieses Gebieten entbrannt.
Der Zarismus – der gemeinsame Feind der Völker Russlands
Die eroberten oder auf andere Weise dem Russischen Reich angeschlossenen Territorien verwandelte die zaristische Regierung in Kolonien. Die besten Ländereien zusammen mit den darauf ansässigen Bauern wurden an die Gutsbesitzer verteilt, die die örtlichen Bauern bedrückten und ausbeuteten.
Die zaristische Regierung half nicht nur den Volksmassen der Grenzgebiete nicht, sich von den Überbleibseln der rückständigen patriarchalischen Lebensformen zu befreien, sondern festigte und unterstützte diese Überbleibsel auf jedwede Weise. Die Politik des russischen Zarismus gegenüber den nichtrussischen Völkerschaften charakterisierend, schrieb J.W. Stalin: „Der Zarismus pflegte in den Grenzgebieten absichtlich die patriarchalisch-feudale Bedrückung, um die Massen in Sklaverei und in Unwissenheit zu halten. Der Zarismus besiedelte vorsätzlich die besten Winkel der Grenzgebiete mit kolonisatorischen Elementen, um die Eingeborenen in die schlechtesten Gebiete zurückzudrängen und die nationale Zwietracht zu verstärken. Der Zarismus bedrückte, mitunter schloss er auch einfach die örtlichen Schulen, Theater, Bildungsanstalten, um die Massen in Unwissenheit zu halten. Der Zarismus unterband jedwede Initiative der besten Menschen aus der ortsansässigen Bevölkerung. Schließlich tötete der Zarismus jedwede Aktivität der Volksmassen der Grenzgebiete ab. Durch alles dies erregte der Zarismus unter den Eingeborenen tiefstes Misstrauen gegenüber allem Russischen, das zuweilen in eine feindselige Haltung überging.“
Der nationale Druck der herrschenden Klassen im zaristischen Russland zeigte sich vor allem darin, dass die Völker der Grenzgebiete dem russischen Volk nicht gleichberechtigt und der Möglichkeit beraubt waren, ihr eigenes Staatsleben zu haben und eine nationale Kultur zu entwickeln. Die zaristischen Beamten verhöhnten die Sprache und die Gebräuche der unterdrückten Völker, denen es verboten war, ihre Bücher zu drucken, ihre Kinder in der Muttersprache zu unterrichten, ein nationales Theater zu schaffen und sogar ihre nationalen Lieder zu singen. Nachdem die Angliederung Georgiens vollzogen war, unterzeichnete Zar Alexander I. ein neues Manifest über die gegenseitigen Beziehungen zwischen Georgien und Russland, gemäß dem die Verwaltung Georgiens dem neuen obersten georgischen Regenten übertragen wurde. Als Regenten von Georgien und in andere hohe Verwaltungsstellen wurden russische Beamte eingesetzt. An die Spitze Georgiens wurde ein russischer Oberbefehlshaber gestellt, dem das uneingeschränkte Reicht der Ernennung und Absetzung der Amtspersonen eingeräumt wurde. Die georgischen Fürsten und Gutsbesitzer sahen in den russischen Militärbehörden vor allem ihren Schutz gegen die georgische Bauernschaft, die sich sowohl gegen den Druck der zaristischen Behörden als auch gegen ihre eigenen Feudalherren auflehnte. Auf diese Weise bildete sich ein Bündnis zwischen den zaristischen Kolonisatoren und den ortseingesessenen Feudalherren.
Bjelorussland und die Ukraine wurden gleichfalls von russischen Beamten verwaltet und in Gouvernements des Russischen Reiches umgewandelt. Die bäuerliche Bevölkerung dieser Gouvernements war der Ausbeutung seitens der polnischen und russischen Gutsbesitzer ausgesetzt. Aus Erwägungen der internationalen Politik machte die zaristische Regierung den polnischen Gutsbesitzern Zugeständnisse, indem sie ihnen Ländereien, die von den bjelorussischen, ukrainischen und litauischen Bauern bewohnt waren, zuteilte. Auf diese Weise standen diese Bauern unter doppelten Druck: unter dem der polnischen Gutsbesitzer und des russischen Zarismus.
Als in der Hälfte des 19. Jahrhunderts die Zarenmacht nach Mittelasien vorrückte, bemühte sie sich, es in eine Baumwoll-Rohstoffquelle für die Textilindustrie Russlands zu verwandeln. Die Regierung zwang die örtlichen Bauern, alle ihre Felder mit Baumwollstauden zu bepflanzen; die Baumwolle kam in die Fabriken der russischen Kapitalisten. Dieses Produktionssystem der Baumwolle führte zur Unterjochung der Baumwollbauern sowohl durch die russischen Kaufleute, als auch durch die örtlichen „Bajs“ (Kulaken). Unter Ausnutzung der bitteren Geldnot der Baumwollbauern gewährten die Bajs ihnen Darlehen zu Wucherzinsen, nahmen nicht selten den verschuldeten Bauern das Land weg und verwandelten die Bauern in ihre ewigen Knechte (Tschajriker).
Durch den Schutz der feudalen Privilegien, durch Geschenke und durch die Verleihung von Würden und Orden verwandelte die zaristische Regierung die örtlichen Feudalherren in treue und eifrige Diener. Sie traten als Vermittler im Handel dieser Gebiete mit Russland auf und waren materiell an der Erhaltung des kolonialen Regimes interessiert.
Die städtische Bourgeoisie und die bürgerliche Intelligenz der nationalen Grenzgebiete befanden sich ebenso zu einem beträchtlichen Teil im Dienst bei den zaristischen Kolonisatoren und unterstützten das kolonisatorische Regime.
Der russische Zarismus strebte danach, sich in allen seinen Besitzungen zu festigen und den nichtrussischen Völkerschaften die letzten Reste ihrer Selbstständigkeit zu nehmen. Nach dem Ausspruch Lenins verwandelte sich Russland in ein „Völkergefängnis“. Die russischen Beamten nannten offiziell die nichtrussischen Völkerschaften mit dem verächtlichen Namen „Fremdstämmige“ und erlegten ihnen jede erdenkliche Beschränkung auf. Besonders heftig wurden die Juden verfolgt. Es wurde die „Wohngrenze“ eingeführt, jenseits welcher die Juden sich nicht niederlassen durften. Die zaristischen Behörden hetzten ein Volk gegen das andere, organisierten blutigen Judenprogrome. Mit dem gleichen Ziel, die Völker Russlands unter sich zu entzweien, organisierte die Selbstherrschaft in Transkaukasien das Gemetzel zwischen Armeniern und Tataren.
Der Zarismus war der gemeinsame Feind des russischen Volkes und der anderen Völker, die zum Bestand des Russischen Reiches gehörten. Daher fand das russische Volk im Kampf um seine Freiheit und Unabhängigkeit stets die Unterstützung und Sympathie der nichtrussischen Völkerschaften. Andererseits erweckte die nationale Befreiungsbewegung der nichtrussischen Völkerschaften stets das lebhafte Mitgefühl der fortschrittlichen Menschen der russischen Gesellschaft. Nehmen wir z.B. den Aufstand, der unter Führung von Stepan Rasin erfolgte. An ihm nahmen außer den russischen Bauern und Kosaken Baschikren und Tataren teil. Eins der glänzendsten und heroischsten Blätter in der Geschichte des Befreiungskampfes der Völker Russlands war der große Bauernkrieg unter Führung von Jemeljan Pugatschow. An diesem Krieg nahmen die Völker des Wolgagebietes, des Urals und von Kasachstan teil.
Der Kampf der russischen Bauern gegen die leibeigene Ausbeutung fand besondere Sympathie und Widerhall bei den ukrainischen und bjelorussischen Bauern. Wiederholt hatte sich die ukrainische Bauernschaft gegen die Leibeigenschaft erhoben. Eine große Bewegung der Bauernmassen der Ukraine gegen den Druck der Leibeigenschaft entfaltete sich unter der Leitung des legendären Volkshelden Ustin Karmeljuk. Von 1812 bis 1835 stand Karmeljuk an der Spitze der Bauernaufstände in der Ukraine rechts des Dnjepr und riss die Massen der Bauernschaft zum Kampf gegen die polnischen, ukrainischen und russischen Gutsbesitzer fort. Die zaristische Regierung verhaftete Karmeljuk siebenmal und verschickte ihn nach Sibirien, aber jedes Mal flüchtete er und begann den Kampf gegen die Gutsbesitzer von neuem. Infolge seiner ungewöhnlichen Volkstümlichkeit unter der Bauernschaft war Kameljuk nicht zu fassen. In jeder ukrainischen Bauernhütte fand er Schutz und eine Zufluchtsstätte. Im September 1835 wurde Kameljuk während einer Razzia getötet. Die von ihm geleitete Bewegung fand Sympathie und Unterstützung der fortschrittlichen Menschen Russlands.
Auch der Kampf des polnischen Volkes um seine Unabhängigkeit rief die lebhafteste Sympathie der besten russischen Menschen hervor. Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts fanden in Polen mehr als einmal Aufstände statt, deren Ziel die Schaffung eines unabhängigen polnischen Staates war. Große Ausmaße nahm der polnische Aufstand in den Jahren 1830/31 an. Dieser Aufstand endete mit einer Niederlage, da die Adligen, die die Bewegung leiteten, sich vor den Volksmassen fürchteten. Die Bauernschaft, die Agrarreformen verlangte, schloss sich dem Aufstand nicht an.
Nach der Unterdrückung des Aufstandes von 1830/31 wurde über Polen der Kriegszustand verhängt. Die zaristische Regierung traf alle Maßnahmen, um einen neuen Aufstand zu verhüten. Jedoch die außerordentlich schnelle Entwicklung des Kapitalismus in Polen, die durch das feudalistisch-leibeigene Regime des Zarismus gehindert wurde, schuf den Boden für einen neuen Aufschwung des nationalen Befreiungskampfes Polens um seine Selbstständigkeit. Dieser Aufschwung wurde auch durch die Entwicklung der revolutionären Bewegung in Europa und in Russland selbst gefördert.
Im Januar 1863 begann ein neuer polnischer Aufstand, in welchem sich breitere Schichten der kleinen Gutsbesitzer, der städtischen Arbeiter und der Handwerker, der polnischen demokratischen Intelligenz und ein beträchtlicher Teil der Bauernschaft zum Kampf erhoben. Jedoch herrschte in der nationalen Befreiungsbewegung des Jahres 1863 keine Einigkeit. Die großen Gutsbesitzer, die Eigentümer der Latifundien (der großen Güter), waren eng mit dem russischen Zarismus verbunden und zogen eine Verständigung mit der zaristischen Regierung vor.
Die von den Aufständischen geschaffene Regierung, in der Mehrzahl aus Angehörigen der Schlachta (des Kleinadels) bestehend, erschrak vor dem Schwung der Bewegung, die sich zu einem Kampf der Bauern um Land ausweitete, und forderte die Bauern auf, nach Hause zu gehen. Durch diese Maßnahme schwächte sie die Bewegung. Die polnischen Schlachtschitzen setzten ihre Hoffnungen auf die europäischen Mächte, aber weder von Frankreich noch von Österreich erhielt Polen die versprochene Hilfe. Zar Alexander II. traf mit dem König von Preußen ein Abkommen über die gemeinsame Unterdrückung des polnischen Aufstandes, zog eine gewaltige Armee zusammen und setzte sie zur Unterdrückung des aufständischen Polens ein.
Der Aufstand griff von Polen nach Litauen, Bjelorussland und auf die benachbarten Gebiete der Ukraine über. Die Bauern Litauens und Bjelorusslands erhoben sich gegen die Gutsbesitzer, und zwar sowohl gegen die russischen wie auch gegen die polnischen. Organisator und Führer des Aufstandes in Bjelorussland war Kastusj Kalinowskij. Er forderte Freiheit und Selbstverwaltung für das heimatliche Bjelorussland und Durchführung einer Bodenreform zugunsten der Bauern. Der Aufstand in Polen, Litauen und Bjelorussland wurde grausam unterdrückt. Die Führer des Aufstandes, die polnischen revolutionären Offiziere Wrublewskij und Dombrowskij flohen nach Frankreich. Der Führer der aufständischen bjelorussischen Bauern Kastusj Kalinowskij und viele Hunderte von Teilnehmern des Aufstandes wurden hingerichtet.
Während die Kräfte der russischen und europäischen Reaktion zur Unterdrückung des Aufstandes in Polen eingesetzt waren, unterstützten die russischen revolutionären Demokraten, mit Herzen und Tschernyschewskij an der Spitze, eifrig den Kampf des polnischen Volkes um seine Freiheit. Ein Teil der russischen Offiziere, die nicht an der Unterdrückung des Aufstandes teilnehmen wollten, nahm den Abschied. Einige russische Offiziere beteiligten sich an dem bewaffneten Kampf der Polen gegen den Zarismus.
Die geheime Gesellschaft „Semlja i Wolja“ („Erde und Freiheit“) schloss mit dem litauisch-bjelorussischen Komitee der Aufständischen zum gemeinsamen Kampf gegen den Zarismus mit der Losung: „Für eure und unsere Freiheit“ ein Bündnis. Serakowskij, einer der nächsten Mitkämpfer Tschernyschewskijs, leitete den Aufstand der litauischen Bauern. In seiner Zeitschrift „Kolokol“ („Die Glocke“) verteidigte Herzen unablässig die Rechte des polnischen Volkes auf seine Unabhängigkeit und geißelte die zaristischen Unterdrücker und Henker.
Auf diese Weise näherten sich die fortschrittlichen Vertreter des russischen Volkes und die unterdrückten nichtrussischen Völkerschaften immer mehr und mehr in dem gemeinsamen Kampf um ihre soziale und nationale Befreiung.
Vor dem Auftreten der Arbeiterklasse in Russland konnte jedoch der Befreiungskampf der unterdrückten Völkerschaften, wie auch der Aufstand der russischen Bauern, nicht erfolgreich sein. Erst die neue historische Epoche, die mit der Entwicklung des Kapitalismus in Russland und seinen Kolonien verbunden ist, schuf die Bedingungen für die Umwandlung der zersplitterten nationalen Befreiungsbewegungen in eine breite allgemein-demokratische Bewegung, geführt von dem russischen Proletariat, dem konsequentesten und entschlossensten Kämpfer gegen den Zarismus, für die Befreiung der unterdrückten Völker.
Entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1 aus dem Jahre 1947, bearbeitet von Petra Reichel
Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1