Der Große Bauernkrieg in Russland im 18. Jahrhundert (Pugatschow)

Die Regierung Jekaterinas II. (1762 bis 1796) (Katharina die Große) war die Zeit des Triumphes der adligen Grundbesitzer, die Russland regierten. Unter Peter III. war ein Erlass „Über die Freiheit des Adels“ veröffentlicht worden, der den Adligen freistellte, ob sie im Staatsdienst bleiben wollten oder nicht. Nach diesem Erlass quittierten viele Adlige den Dienst und ließen sich auf ihren Gütern nieder.

Im 18. Jahrhundert gestalteten sich die Verbindungen der Gutsbesitzer mit dem Markt immer enger. Die Nachfrage nach Getreide und anderen Erzeugnissen der Landwirtschaft war gestiegen, daher verstärkten die Adligen die Ausbeutung der Leibeigenen. Der adlige Gutsbesitzer hatte das Recht, den Bauern das Land abzunehmen, das Inventar ihnen wegzunehmen, die Bauern en gros oder en detail zu verkaufen, sie gegen Pferde, Hunde oder gegen irgendwelche Dinge einzutauschen. Dem Gutsbesitzer war es gleichgültig, ob er bei einem Verkauf der Bauern ihre Familienmitglieder voneinander trennte. Man behandelte die Menschen wie Vieh. Die Leibeigenen hatten kein, ohne die Erlaubnis ihres Herren zu heiraten. Man unterwarf die körperlichen Züchtigungen und sogar Folterungen

Bereits in den ersten Tagen nach ihrer Thronbesteigung erklärte Jekaterina (Katharina die Große)in Ausführung des Willens des Adels, dass sie von den Bauern Gehorsam gegenüber den Gutsbesitzern verlange. Bei Protesten und Beschwerden der Leibeigenen war es den Gutsbesitzern gestattet, sie zur Zwangsarbeit zu verschicken. Die Bauern mussten Kopfsteuer zahlen, ihre Söhne als Rekruten hergeben, Wegebauarbeiten und andere Pflichten leisten.

Die grausame Ausbeutung und das Joch der Leibeigenschaft riefen spontane Unruhen hervor. Die Bauern erhoben sich gegen die Gutsbesitzer, zündeten die Gutshöfe an und erschlugen nicht selten ihre Bedrücker. In den ersten 10 Jahren der Regierung Jekaterinas II. (Katharina die Große) fanden nicht weniger als 40 Erhebungen der Bauern gegen die Gutsbesitzer statt. Besonders bedrohlich gestaltete sich die Erhebung in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts, die sich zu einem großen Bauernkrieg ausbreitete. An der Spitze der Bewegung stand der Donkosak Jemeljan Iwanowitsch Pugatschow.

Pugatschow, im Jahre 1742 in dem Kosakendorf Simowejskaja geboren, war schon in jungen Jahren mit harter Arbeit und bitterer Not bekannt geworden. In seiner Jugend hatte er als Kosak am Siebenjährigen Krieg teilgenommen, später war er mit den Truppen in Polen und in der Türkei gewesen. Nach dem Krieg flüchtig geworden, wanderte er am Don, im Wolgagebiet, am Jaik umher und gewahrte überall die von den Gutsbesitzern und den zaristischen Behörden ausgeübte Unterdrückung und die Willkürherrschaft.

Als Pugatschow zu den Kosaken am Jaikfluss gekommen war, scharte er Kosaken und Bauern, die mit dem Joch der Leibeigenschaft unzufrieden waren, um sich. Die Jaikkosakenschaft hatte, ähnlich der Donkosakenschaft, fast sämtliche früheren Freiheiten verloren und war unruhig geworden. Die russischen Bauern und die nichtrussische Bevölkerung des Wolgagebietes befanden sich gleichfalls im Zustand dumpfer Gärung. Im Volk ging das Gerücht, dass bald der Imperator Peter III. „erscheinen“ und gegen die Zarin Jekaterina II.(Katharina die Große), die Unterdrückerin des Volkes, in den Krieg ziehen würde.

Pugatschow erließ „Manifeste“ im Namen Peters III., worin er versprach, das Volk vom „Joche der Sklaverei“ zu befreien, Land und Äcker aufzuteilen, es von der Rekrutierung, von Steuern und Abgaben zu befreien. Pugatschow rief das Volk zur mitleidlosen Ausrottung der „adligen Bösewichte“ und der „bestechlichen Richter“ auf.

Jemeljan Iwanowitsch Pugatschow 1742 bis 1775
Bild entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1 von 1947

Pugatschow, der sich an die Spitze der Schar gestellt hatte, marschierte von Jaizkij Gorodok den Jaikfluss aufwärts. Die kleinen gefestigten Orte ergaben sich ihm fast ohne Widerstand. Große Massen von Bauern und Kosaken schlossen sich Pugatschow an. Auch nichtrussische Völkerschaften stießen überall zu ihm. Den Baschkiren, Tschuwaschen, Kasachen, Tataren, Mordwinen und anderen Völkerschaften hatte die Regierung das Land weggenommen und es den russischen Gutsbesitzern und Kaufleuten gegeben. Menschen anderen Glaubens wurden gewaltsam zum Christentum bekehrt. Gegen alle diese Gewalttaten und Bedrückungen suchten die Völker des Wolgagebietes jetzt bei Pugatschow Hilfe und Schutz.

Im Herbst des Jahres 1773 erfasste der Aufstand das gesamte Wolgagebiet. Er griff auch auf die Bergbaugebiete des Urals über. Hier entwickelte sich der Bauernkrieg besonders erfolgreich. Ende Februar 1774 hatten die Pugatschower bereits 92 uralische Werke in Besitz genommen. Die „Arbeitsleute“ und Bauern des Urals stellten für Pugatschow Kanonen und Kanonenkugeln her, förderten Blei und Eisen. Aus den Reihen der Bergleute gingen viele energische und fähige Führer des Aufstandes hervor. Unter ihnen zeichnete sich ein leibeigener Arbeiter, der verabschiedete Soldat Iwan Naumowitsch Beloborodow, besonders aus.

Einen großen Auftrieb erhielt der Aufstand auch in Baschkierien. An seiner Spitze stand der furchtlose Kämpfer und Volksdichter Salawat Julajew, der in seinen Liedern die Baschkiren zum Aufstand für die Freiheit aufrief.

Die Bewegung nahm bedrohliche Ausmaße an. Die Regierung Jekaterinas schickte gut bewaffnete Truppen und die besten Generale gegen Pugatschow. Im Julie 1774 wurde er in der Schlacht bei Kasan geschlagen und verlor seine Artillerie. Mit einer kleinen Abteilung setzte er auf das rechte Wolga-Ufer über. Auch hier fand der Aufstand überall einmütige Unterstützung. „Das gesamte Land westlich der Wolga erhob sich und ging zu Pugatschow über“ – schreibt Puschkin in seiner „Geschichte des Pugatschow-Aufstandes“. – „Die gutsherrlichen Bauern meuterten; die Andersgläubigen und die Umgetauften erschlugen die russischen Geistlichen. Die Wojoden flüchteten aus den Städten, die Adligen von ihren Gutshöfen, der Pöbel fing diese und jene und führte sie von überallher Pugatschow zu. Pugatschow verkündete dem Volke die Freiheit, die Ausrottung des Adels, die Befreiung von den Fronpflichten und die unentgeltliche Verteilung von Salz.“

Aufständische Abteilungen bildeten sich nicht nur im Wolgagebiet, sondern auch in den Gouvernements Tambow, Woronesh und Moskau. Auch in Moskau war es unsicher. Alle erwarteten, dass Pugatschow von Kasan oder Pensa nach Moskau ziehen würde. Der Weg nach Moskau stand ihm offen, Pugatschow jedoch entschloss sich, zum Don zu gehen, in der Absicht, dort seine Armee mit Donkosaken aufzufüllen. Die Entscheidung sollte sich als verhängnisvoll für ihn erweisen.

Von Pensa kehre Pugatschow ins untere Wolgagebiet um. Am 24. August 1774, beim Morgengrauen, wurden Pugatschows Truppen plötzlich von einer starken zaristischen Armee angegriffen. In dieser Schlacht kamen viele der energisten und treuesten Helfer Pugatschows um. Mit den Resten seiner Armee versuchte Pugatschow über den Don zu setzen. Die Regierungstruppen gelangten jedoch früher an den Don als Pugatschow. Von der einen Seite gegen die Wolga, von der anderen Seite gegen die Grenzen des Gebietes des Donkosakenheeres gedrückt, war Pugatschow in eine hoffnungslose Lage geraten.

Die Regierung hatte für die Auslieferung Pugatschows eine große Belohnung ausgesetzt. „Wer diesen Missetäter und Anführer fängt und lebendig ausliefert“, so lauteten die zaristischen Erlasse, „erhält eine Belohnung von 30 000 Rubel unverzüglich, aber wer ihn erschlägt und seine Leiche herbeibringt – erhält 5000 Rubel.“

Verräter fanden sich im Kreise der Jaikkosaken, die Pugatschow umgaben. Sie machten sich die Gelegenheit, als Pugatschow allein war, zunutze, entwaffneten ihn, fesselten ihn an Händen und Füßen und brachten ihn nach Jaizkij Gorodok.

Pugatschow wurde in einen eigens dazu angefertigten Käfig gesperrt und unter verstärkter Bewachung nach Moskau vor das Gericht gebracht. Er wurde unterwegs und bei den Verhören grausam geschlagen. Das Gericht beschloss, Pugatschow „zu vierteilen, seinen abgeschlagenen Kopf auf einen Pfahl zu stecken die Körperteile in den Stadtteilen umherzutragen und auf Räder zu flechten, und nachher an den gleichen Orten zu verbrennen“.

Die Hinrichtung sollte am Morgen des 10. Januar 1775 auf dem Bolotnaja-Platz in Moskau stattfinden. Ungeachtet der großen Kälte begleiteten große Volksmengen Pugatschow zum Hinrichtungsplatz. Wie ein Zeitgenosse berichtet, war auf Pugatschows Gesicht kein Anzeichen von Furcht zu bemerken. Er saß munter auf dem hohen Gerüst in seinem Schlitten, dem seine mit Ketten gefesselten Waffengefährten zu Fuß folgten. Nachdem Pugatschow das Schafott bestiegen hatte, hörte er ruhig den Urteilsspruch an, verneigte sich nach allen Seiten und sagte, zum Volke gewandt: „Verzeih mir, rechtgläubiges Volk, wenn dir irgendwie Unrecht getan habe.“ Die Henker stürzten sich auf ihn, um im selben Augenblicke wurde der blutende Kopf des Bauernführers in die Luft gehoben. Der Adel, der eine Vierteilung erwartet hatte, war mit einer solch „milden“ Hinrichtung Pugatschows unzufrieden. Die Verletzung der Strafzeremonie wurde als ein Irrtum des betrunkenen Henkers erklärt.

Außerordentlich grausam rechnete die Regierung mit den Teilnehmern an der Pugatschowschen Bewegung ab. An allen Orten des Aufstandes wurden Galgen errichtet. Die Leichen der Hingerichteten hingen lange an den Kreuzungen der Straßen. Die Kama und die Wolga stromabwärts bewegten sich langsam die schwimmenden Galgen mit den an ihnen aufgehängten Pugatschowanhängern. Die Frauen und Kinder der Hingerichteten gab man den Regierungsbeamten in Leibeigenschaft.

Das Kosakendorf Simowejskaja (die Heimat Pugatschows) wurde in Potjomkinskaja umbenannt und auf das gegenüberliegende Donufer verlegt. Der Fluss Jaik wurde Ural genannt und die Jaikkosakenschaft Uralkosakenschaft. Die Kosaken verloren die letzten Reste ihrer alten Freiheiten.

Der Große Bauernkrieg 1773 bis 1775 endete mit einer Niederlage der Bauern. Nach dem Schwung und der Zahl der Teilnehmer war dies der größte und bedrohlichste Aufstand der Bauernschaft im zaristischen Russland. Die Volksmassen hatten in diesem Krieg unerhörte Kühnheit, Tapferkeit und Heroismus bewiesen. Jedoch, wie auch die Bewegung des Rasin, trug die Pugatschowbewegung einen spontanen Charakter und war zum Misserfolg verurteilt.„Bauernaufstände“ – sagt J.W. Stalinkönnen nur im Falle zum Erfolge führen, wenn sie sich mit Arbeiteraufständen vereinigen und wenn die Arbeiter die Bauernaufstände leiten. Nur ein kombinierter Aufstand mit der Arbeiterklasse an der Spitze kann zum Ziele führen.“

Entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1, Original-Autorin Anna Michailowna Pankratowa, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“ aus dem Jahre 1947

Die Volksbewegung gegen die Leibeigenschaft in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Stepan Rasin

Der Bedarf des Landes an Geldmitteln stieg. Besonders große Ausgaben erforderten die Kriege. Das alte Steuersystem genügte den wachsenden Bedürfnissen des Staates nicht mehr. Die Regierung unternahm zwecks Erhöhung des Steueraufkommens das verwickelte Werk der statistischen Erfassung des Grundbesitzes und der steuerpflichtigen Bevölkerung. Alle Bauern wurden mit schweren Steuern belegt.

Daneben verstärkte sich auch die Bedrückung seitens der Gutsbesitzer. Dies hing damit zusammen, dass der Handel im Lande von der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts an sich merklich entwickelte. Die Adligen, die ehedem alles Notwendige auch ihrer Wirtschaft erhalten hatten, begannen auf dem Markt die verschiedenen Erzeugnisse der städtischen Handwerker und die teuren ausländischen Waren zu kaufen. Die Gutsbesitzer, die Geld brauchten, verlangten es von den Bauern. Die Bauern, die auf dem Gut der Adligen lebten, mussten dem Grundbesitzer einen beträchtlichen Teil ihrer Ernte abgeben und ihm Nahrungsmittel usw. aus ihrer Wirtschaft liefern: Butter; Milch Eier, Geflügel, Schaffelle usw. Diese Naturalabgabe wurde „Obrok“ (Grundzins) genannt. Außer den Naturallieferungen aus ihrer Wirtschaft mussten die Bauern dem Gutsbesitzer auch einen Geld-„Obrok“ entrichten.

Zur selben Zeit vergrößerten die adligen Grundbesitzer die Ausmaße des grundherrlichen Ackerlandes. Das Land des Grundherrn musste von den Bauern, die auf dem Grund und Boden des Grundbesitzers wohnten, mit ihren Geräten unentgeltlich bestellt werden. Sie pflügten den Acker, ernteten das Getreide und fuhren es auf den herrschaftlichen Hof, verrichteten in der Wirtschaft des herrschaftlichen Gutshofes auch sonst alles, was der Gutsbesitzer anordnete. Die unentgeltliche Arbeit für den Bojaren oder Gutsbesitzer wurde „Bojarschtschina“ oder „Barschtschina“ (Frondienst) genannt.

Die Gutsbesitzer, die unentgeltliche Bauernarbeit benötigten, forderten die völlige Abschaffung der Fristen zur Ermittlung und Rückkehr geflüchteter Bauern. Der Zar Alexej Michajlowitsch Romanow, der Sohn des Zaren Michail, kam den Gutsbesitzern entgegen und befahl sämtlichen geflüchteten Bauern, mit ihren Familien und all ihrem Hab und Gut zu ihren früheren Besitzern zurückzukehren, ungeachtet dessen, wieviel Zeit seit der Flucht verstrichen sein mochte.

Im Jahre 1649 wurde eine neue Gesetzessammlung, die „Uloshenie“ angenommen, wonach die Bauern für immer an die Scholle des Grundbesitzers gebunden, als seine Leibeigenen wurden. Sie gerieten auch in persönliche Abhängigkeit vom Gutsbesitzer: er konnte über das Schicksal seiner Leibeigenen verfügen, mischte sich in ihr persönliches Leben ein; ohne seine Erlaubnis durften sie nicht heiraten, für den geringsten Ungehorsam wurden sie hart bestraft. Er selbst trug keinerlei Verantwortung, nicht einmal für einen von ihm zu Tode gequälten leibeigenen Bauern.

So bildete sich in Rusj die Lebeigenschaft heraus. Die zu Leibeigenen gewordenen Bauern wollten sich nicht in ihre Versklavung schicken. Sie trachteten danach, vor der Willkür der Gutsbesitzer und der zaristischen Behörden in die Grenzgebiete des Staates zu flüchten, am häufigsten an den Don, wo es noch keine Leibeigenschaft gab. Dort wurden sei freie Menschen: Kosaken. Jedoch, in der Mitte des 17. Jahrhunderts, änderte sich auch die Lage der Kosaken. In den Steppen war kaum mehr freies Land übriggeblieben. Die früher hier angesiedelten reichen Kosaken hatten es in ihrem Besitz. Diese Kosaken wurden „Domowityje“ („Häusliche“), die neuen armen Kosaken „Glolytjbà“ („Habenichtse“) genannt.

Die Ausbeutung, Willkür und Bedrückung der leibeigenen Bauern und der Kosaken-Golytjbà riefen am Don und an der Wolga einen großen Aufstand hervor. An der Spitze dieses Aufstandes stand der Donkosak Stepan Timofejewitsch Rasin.

Nach Bolotnikows Aufstand war der Aufstand Rasins der zweite Bauernkrieg in Russland. Im Vergleich zu der Bewegung des Bolotnikow erfasste er ein bedeutend größeres Gebiet und zeichnete sich durch große Wucht aus. Er begann am Don, wo es besonders viele geflüchtete Bauern gab und wo die Empörung des Volkes gegen die Sklaverei der Leibeigenschaft sich seit langem angesammelt hatte.

Im Frühling des Jahres 1667 sammelte Stepan Rasin eine Schar armer Kosaken um sich und zog vom Don zur Wolga. Die Anhänger Rasins erbeuteten auf der Wolga eine dem Zaren gehörige Schiffskarawane, erschlugen die zaristischen Beamten, die Ruderer aber ließen sie frei. Mit reicher Beute auf 35 Schiffen begaben sich nun Rasin und seine Anhänger zum Jaik- (Ural-) Fluss und bemächtigten sich des befestigten Platzes Jaizkij Corodok. Im März des folgenden Jahres begann Stepan Rasin seinen Zug nach Persien. Die Rasinzy richteten an den Schah die Bitte, sie in seine Dienste zu nehmen, da sie nicht länger die Bedrückungen durch den Zaren und die Gutsbesitzer erdulden wollten. Der Schah hatte Furcht vor dem russischen Zaren und wollte sie nicht aufnehmen. Da kehrte Rasins Schar nach Ausplünderung der reichen persischen Städte zur Wolga zurück.

Im Winter des Jahres 1669 hielt Rasin sich am Don auf. Auf seinen Aufruf zum Kampf gegen die Unterdrücker stießen die Bauern und Kosaken in Gruppen und einzeln zu ihm. Im Frühling 1670 erschien Rasin zum zweiten Mal auf der Wolga. Er begann, als Verteidiger der Bauern- und Kosaken-Golytjbà, gegen die Bedrückungen der Wojwoden, Adligen und reichen Kaufleute aufzutreten. Mit Leichtigkeit eroberte er die Städte Zarizyn und nachher Astrachan, wobei er sich auf die Einwohner selbst stützte. In sämtlichen eroberten Städten und Dörfern verjagte oder erschlug er die zaristischen Wojwoden und vernichtete die Dokumente, die die Leibeigenschaft der Bauern bestätigten.

Von Astrachan rückte Rasin wolgaaufwärts vor und eroberte Saratow und Samara. Ihm schlossen sich nicht nur die russischen Bauern, sondern auch die nichtrussische Bevölkerung des Wolgagebietes: die Mordwinen, Tschuwaschen, Mari und andere Völkerschaften an, die durch die Zarenmacht starken Bedrückungen ausgesetzt waren.

Jedoch stellte sich Rasin, wie es auch bei Bolotinkow der Fall gewesen war, die Ziele des Kampfes nur unklar vor. Er sprach davon, dass er für den „großen Herrscher“ gegen die verräterischen Bojaren und Adligen zu Felde ziehe. Im Volk verbreitete sich sogar das Gerücht, dass sich in Rasins Schar der Sohn des Zaren, Alexej, befände, obgleich dieser schon vor Beginn des Aufstandes gestorben war.

Die Zarenregierung schickte ihre besten Truppen gegen Rasin. Anfang Oktober des Jahres 1670 brachten ihm die zaristischen Truppen bei Simbirsk eine große Niederlage bei. Er selbst wurde verwundet und floh an den Don. Die reichen Kosaken lieferten ihn jedoch den Behörden aus. Rasin und sein Bruder Frol wurden zur Hinrichtung nach Moskau überführt. Im Juni 1671 wurde Rasin gevierteilt (erst schlug man ihm Hände und Füße, dann den Kopf ab), sein Leichnam den Hunden vorgeworfen.

Stepan Rasin war tot, das Volk aber wollte es nicht glauben und wartete weiterhin auf seinen Führer. In zahlreichen Volksliedern wurde Stepan Rasin als tapferer Ataman, als Beschützer des Volkes gepriesen.

Der Aufstand Stepan Rasins war, wie sämtliche Bauernkriege in Europa und in Russland, ein Kampf der leibeigenen Bauernschaft gegen die feudale Unterdrückung. Die russischen Bauern und Kosaken wie auch die unterdrückten Völker der anderen Nationalitäten, die Russland bevölkerten kämpften gegen ihre Unterdrücker – die Grundbesitzer. Aber sie waren nicht verbunden und einig. Sie hatten nicht begriffen, dass an der Spitze der Gutsbesitzer der adlige Zar steht und dass die Armee des Zaren die Interessen der adligen Gutsbesitzer verteidigt. Die Volksmassen vereinigen und ihnen klarmachen, wofür man kämpfen soll, könnten nur die Arbeiter in Russland. Daher erlitten die Bauern Niederlagen.

Nichtsdestoweniger besaß der von Rasin geführte Aufstand, der ein gewaltiges Gebiet erfasst hatte, in der Geschichte des Befreiungskampfes der Völker Russlands eine große Bedeutung. Er stellte im 17. Jahrhundert die mächtigste Volksbewegung gegen die feudale Unterdrückung dar.

Marx, Engels, Lenin und Stalin haben stets den fortschrittlichen Charakter der Bauernkriege betont, da diese Kriege gegen die Leibeigenschaft gerichtet waren, die unterwühlten und erschütterten und den Übergang zu einer neuen – gegenüber der Leibeigenschaft fortschrittlicheren Gesellschaftsordnung- zu dem Kapitalismus erleichterten.

Entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1 „Die Vergangenheit des Sowjetlandes“, aus dem Jahre 1947. Original-Autorin Anna Michailowna Pankratowa, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“ aus dem Jahre 1947

Siehe auch:

Der Kampf des russischen und ukrainischen Volkes mit den polnischen Pans. Die Vereinigung der Ukraine mit Russland