Das geistige Leben eines jeden Volkes verläuft nicht abgesondert vom Leben anderer Völker. Es bildet sich als Ergebnis des Zusammenwirkens der Kulturen verschiedener Völker, dabei seine wesentlichen nationalen Traditionen und Züge bewahrend und entfaltend.
Das geistige Leben eines jeden Volkes verläuft nicht abgesondert vom Leben anderer Völker. Es bildet sich als Ergebnis des Zusammenwirkens der Kulturen verschiedener Völker, dabei seine wesentlichen nationalen Traditionen und Züge bewahrend und entfaltend.
Das kennzeichnende Merkmal der russischen Kultur war nicht nur ihr hoher Ideengehalt, sondern auch ihr kämpferischer Geist. Dies ist auch der Grund, weshalb die russische Kultur, die die führenden fortschrittlichen Ideen der Menschheit in sich aufnahm, auch selbst auf die Entwicklung dieser Ideen einen mächtigen Einfluss ausübte. Mit dem großen Puschkin beginnend, nahm dieser Einfluss immer mehr zu. Die französischen Schriftsteller Georges Sand, Alphonse Daudet, Emile Zola, Maupassant hielten Turgenjew für einen großen Meister des Wortes und lernten im gleichen Maße von ihnen. In seiner Grabrede über der sterblichen Hülle Turgenjews sprach der französische Dichter Renan: „In Turgenjew lebte eine ganze Welt. Der Stamm der Slawen, die jetzt auf den ersten Plan in die Geschichte der Völker gerückt sind, bildet eine phänomenale Erscheinung und verkörpert sich in diesem großen Künstler. Turgenjew war ein Sohn seines Vaterlandes, aber nach seiner Art und Weise zu fühlen und zu schaffen, gehörte er der ganzen Menschheit.“
Einen noch größeren Einfluss auf die Kultur der Welt übten Tolstoi und Dostojewskij aus. Der französische Schriftsteller Romain Rolland schrieb über den mächtigen Einfluss Leo Tolstois auf das geistige Leben Europas folgendes: „Es war dies wie ein in das grenzenlose Weltall geöffnetes Tor, wie eine große Offenbarung des Lebens. Noch nie war eine ähnliche Stimme in Europa ertönt.“ Großen Einfluss hatte in Europa auch Dostojewskij – „der erste Psychologe der Weltliteratur“, wie ihn der Schriftsteller Thomas Mann nannte. Tschechows und besonders Gorkis Werke schufen in Europa eine neue Schule von Schriftstellern.
Die russische Literatur beeinflusste die Bildung der Schriftsteller anderer slawischer Völker in erheblichem Maße. Die Werke Belinskijs, Tschernischewskijs, Nekrassows und anderer russischer Schriftsteller hatten eine mächtige Einwirkung auf die slawischen Schriftsteller.
Noch tiefer und unmittelbarer war die Verbindung der russischen Kultur mit der Kultur der anderen Völker Russlands. Die herrschenden Klassen des zaristischen Russlands fürchteten die Entwicklung der russischen Kultur und hinderten ihr schöpferisches Aufblühen. Um so mehr erniedrigten und unterdrückten sie die Kultur der unterjochten Völker.
Das russische Volk schuf seine nationale Kultur, die von Achtung gegenüber der Kultur anderer Völker durchdrungen ist.
Das Wachstum des Kapitalismus in den Grenzgebieten Russlands war von der Entwicklung einer nationalen Bewegung unter den unterdrückten Völkern Russlands begleitet. Die fortschrittlichen russischen Menschen zeigten gegenüber den Anfängen und Offenbarungen der Kultur der erwachenden Nationen tiefe Sympathie. Zwischen den russischen Kulturschaffenden und den fortschrittlichen Vertretern der andren Völker Russlands wuchs und befestigte sich eine brüderliche Freundschaft.
Das ukrainische Volk hat im 19. Jahrhundert eine Reihe von bedeutenden Schriftstellern aufzuweisen, die die reiche und klangvolle ukrainische Sprache vervollkommnet und bedeutende künstlerische Werke in ukrainischer Sprache geschaffen haben. Die Schöpfer der ukrainischen Literatursprache und Gründer der ukrainischen Literatur waren die drei Schriftsteller: Kotljarewskij – der Autor von „Natalka-Poltawka“ und „Aeneida“, Kwitka-Osnowjanenko – der Verfasser der „Kleinrussischen Novellen“, und Grebinka – der Autor ukrainischer Fabeln und Gedichte, ein persönlicher Freund und Übersetzer des großen Puschkin. (Ach ja, die Ukraine- Davon will heute niemand mehr was wissen. P.R.)
Der große Volksdichter der Ukraine war Taras Grigorjewitsch Schewtschenko.

Entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1
In seiner Kindheit war er, der Sohn eines Leibeigenen, Hirte, später diente er bei einem Gutsbesitzer. Zusammen mit seinem Herrn gelangte er nach Petersburg und wurde zu einem Malermeister in die Lehre gegeben. Im Jahre 1836 wurde Schewtschenko mit den Schriftstellern Shukowskij und Grebinka bekannt, sowie mit dem berühmten Künstler Brjullow. Um dem urwüchsigen Talent das Studium zu ermöglichen, malte Brjullow Shukowskijs Porträt, verloste es in einer Lotterie und kaufte für die erhaltenen 2500 Rubel Schewtschenko frei. Schewtschenko trat in die Akademie der Künste ein. Zur gleichen Zeit schrieb er seine ersten Gedichte. Im Jahre 1840 erschien seine erste Gedichtsammlung „Kobsarj“ („Der Kobsaspieler“). Von tiefem Hass gegenüber dem Zarismus ist Schewtschenkos Gedicht „Der Traum“ erfüllt. In dem Gedicht „Der Kaukasus“ ruft Schewtschenko die Werktätigen aller Nationen zu Aufstand gegen den Zarismus, gegen das von ihm geschaffene Völkergefängnis, wo „von dem Moldauer bis zum Finnen in allen in allen Sprachen alles schweigt.“
Im April 1847 wurde Schewtschenko wegen revolutionärer Tätigkeit verhaftet. Das Gericht fällte das Urteil: „Den Künstler Schewtschenko wegen Abfassung aufrührerischer und in höchstem Grade frecher Gedichte, da er von starker Konstitution ist, als Gemeinen dem Orenburger Korps zuzuteilen.“
Der Zar Nikolaj I. fügte diesem Urteil hinzu: „Unter strengster Aufsicht – mit dem Verbot, zu schreiben und zu malen.“
Nach zehnjähriger Verbannung wurde Schewtschenko freigelassen. Die Verbannung hatte den revolutionären Dichter nicht gebrochen. Nach wie vor rief er das ukrainische Volk zum Kampf für die Freiheit und Unabhängigkeit auf. Im Juli 1859 siedelte er nach Petersburg über, wo er sich mit dem großen russischen revolutionären Schriftsteller Tschernyschewskij befreundete. Die Führer der russischen revolutionären Demokratie Tschernyschewskij und Dobrojubow schätzen Schewtschenko als ihren Gesinnungsgenossen und Mitkämpfer hoch ein. Dobroljubow schrieb über Schewtschenko: „Er ist ein Volkspoet in vollen Sinne des Wortes…Er kam aus dem Volke, lebte mit dem Volke, und nicht nur mit den Gedanken, sondern auch durch die Umstände seines Lebens war er mit ihm stark und mit allen Fibern verbunden.“
Schewtschenko brachte den russischen Schriftstellern und Revolutionären, die um die Freiheit der Völker kämpften, größte Liebe entgegen.
In der Entwicklung des poetischen Genius von Schewtschenko spielte die große russische Kultur, der Schewtschenko mit tiefer Achtung begegnete, eine gewaltige Rolle.
Die Werke des großen Volksdichters der Ukraine, des revolutionären Demokraten Schewtschenko, gehören nicht nur dem ukrainischen Volke, sondern allen Völker der Sowjetunion. (Na ja, davon ist nichts mehr geblieben. P.R.)
In enger Verbindung mit der russischen Kultur entwickelte sich auch die bjelorussische Literatur. In der Mitte des 19. Jahrhunderts trat der bedeutende Dichter und Dramaturg Dunin-Marzinkewitsch hervor, der mit seinen Poemen „Gapon“, „Kupala“ und anderen den Grund zur bjelorussischen Literatursprache legte. Er war der erste Schriftsteller, der sich dem überaus reichen Schaffen des bjelorussischen Volkes zuwandte. Nach der Reform des Jahres 1861 brachte die bjelorussische Literatur einen ganzen Plejadenschwarm von neuen bedeutenden Schriftstellern hervor, mit Franzisk Boguschewitsch an der Spitze, der besonders energisch für die Entwicklung der bjelorussischen Sprache kämpfte. In Poesie und Prosa schilderten die bjelorussischen Dichter und Schriftsteller wahrheitsgetreu das schwere Leben der weißrussischen Bauernschaft und traten als Ankläger der Zustände des zaristischen Russlands auf.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts rückt der revolutionäre Dichter Janka Kupala auf den ersten Platz. Janka Kupala (dies war der literarische Name von Iwan Dominikowitsch Luzewitsch), der Sohn eines armen Bauern, wurde der Herold für die Millionenmassen des unglücklichen bjelorussischen Volkes in seinem Befreiungskampf. Zur Zeit des revolutionären Aufschwungs in den Jahren 1912 bis 1913 schreib Janka Kupala die klassischen Werke der bjelorussischen Literatur: die Gedichtbücher „Shalejka“, „Gusljar“, „Spadtschina“ und andere.
Unter der ideellen Einwirkung der russischen Kultur entfaltete sich auch das Schaffen der Schriftsteller Georgiens, Armeniens und Aserbaidschans.
Die Gründer der neuen georgischen Literatur war Ilja Tschawtschadse, ein glühender Verehrer Belinskijs, Dobroljubows und Tschernyschewskijs. Unter dem Einfluss dieser revolutionären Demokraten und Vertreter des großen russischen Volkes geißelte Tschawtschawadse in seinen Werken den degenerierten Adel und schrieb verständnisvoll über die unterdrückte Bauernschaft. Er veröffentlichte Übersetzungen der Artikel von Belinskij, Dobroljubow und anderer russischer und westeuropäischer Schriftsteller. Die Zeitschrift „Der Bote Georgiens“, die Tschawtschawadse herausgab, wurde das Zentrum der Aufklärungsbewegung unter dem georgischen Volk. Ilja Tschawtschawadse ist der Schöpfer und Klassiker der zeitgenössischen georgischen Literatursprache.
Einer der bedeutensden Schriftsteller Armeniens war Chatschatur Abowjan. Sein Roman „Die Wunden Armeniens“, aus der Geschichte des russisch-persischen Krieges, spielte in der Geschichte der nationalen Kultur Armeniens eine große Rolle und legte den Grund zu der neuen armenischen Literatursprache. Dieser Roman, der der Stimmung nach patriotisch ist, schilderte in grellen Farben die schwere Lage des armenischen Volkes unter der persischen Oberherrschaft. Abowjan schätzte die russische Kultur hoch und war ein glühender Anhänger der geistigen und politischen Annäherung an das russische Volk. Er eröffnete die erste weltliche Schule in Armenien und machte die armenische Jugend mit den besten Werken der russischen und westeuropäischen Literatur bekannt. In den 1850er bist 1860er Jahren wurde in Moskau die Zeitschrift „Das Nordlicht“ in armenischer Sprache herausgegeben, in der vorbildliche Werke der russischen Literatur abgedruckt wurden.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann der Gründer der aserbaidschanischen Literatur, Mirsa Achundow, seinen Kampf um die Entwicklung der aserbaidschanischen Sprache und schlug eine Reform des arabischen Alphabets vor. Achundow wurde in einer russischen Schule erzogen und die russische Literatur hatte einen großen und positiven Einfluss auf sein Schaffen. Achundow liebte besonders Puschkin. Er schrieb auf den Tod des russischen Dichters eine seiner besten Dichtungen. In seinen Lustspielen entlarvte er die Heuchelei und die Habgier der muselmanischen Geistlichkeit. Man nannte ihn den muselmanischen Molière. Achundow trat als erster gegen die Rechtlosigkeit der Frauen auf und kämpfte für die Aufklärung des aserbaidschanischen Volkes.
In Kasachstan waren der kasachische Dichter Abaj Kunanbajew und der demokratische Gelehrte Tschokan Walichanow glühende Anhänger der russischen Aufklärer. Kunanbajew war der Gründer der kasachischen Literatursprache und Klassiker der kasachischen Literatur. Er hat die Werke Puschkins, Lermontows und Krylows in die kasachische Sprache übersetzt. Kunanbajew erblickte in einer tiefen und engen Verbindung mit der fortschrittlichen Kultur den sichersten Weg zur Aufklärung des kasachischen Volkes.
Ein ebensolcher überzeugter Verfechter der Freundschaft des russischen und kasachischen Volkes war Tschokan Walichanow, der sich mit Dostojewskij und anderen Schaffenden der russischen Kultur und Aufklärung der Mitte des 19. Jahrhunderts befreundete. Walichannow war der erste kasachische Gelehrte. Seine Arbeiten über die Geschichte und Geographie der Völker Mittelasiens hatten große wissenschaftliche Bedeutung und waren von Mitgefühl für die unterdrückten Völker erfüllt.
Die kulturelle gegenseitige Beeinflussung und enge Verbindung aller Völker Russlands half die Rückständigkeit und Unwissenheit, die die zaristische Regierung aufrechterhalten suchte, zu überwinden. Die vom Zarismus unterdrückten Völker begeisterten sich an den fortschrittlichen Ideen der russischen Kultur; aus den großen Schöpfungen der russischen Schriftsteller eigneten sich die Ideale der politischen Freiheit und sozialen Gerechtigkeit an. Sie lernten, im russischen Volke ihren besten Freund und Führer im Kampfe um die nationale und soziale Befreiung zu sehen.
Besonders verstärkte sich der fortschrittliche Einfluss der russischen Kultur der anderen Völker Russlands vom Ende des 19. Jahrhunderts an, als an die Spitze der Freiheitsbewegung sämtlicher Völker Russlands das Proletariat trat, das solche Genies der Weltkultur wie Lenin und Stalin hervorgebracht hat. Russland wurde das Vaterland des Leninismus – der höchsten Errungenschaft der russischen und der Weltkultur.

Entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1 aus dem Jahre 1947, bearbeitet von Petra Reichel

