Am 4. Dezember verschafften sich in mehreren Bezirken (Erfurt, Leipzig, Rostock) und Kreisen Vertreter von Bürgerbewegungen (Konterrevolutionäre P.R.) Zutritt zu Dienstobjekten der Bezirks- und Kreisämter. Sie wurden in der Regel von Staatsanwälten, z.T. auch von Angehörigen der Deutschen Volkspolizei (leitende Angehörige der Volkspolizeikreisämter, Angehörige der Kriminal- und Schutzpolizei) begleitet.
Durchgeführte Handlungen wie das Blockieren der Zu- und Ausgänge, die Kontrolle von PKW sowie von Taschen der Angehörigen der Ämter, das Versiegeln von Stahlblechschränken und Zimmern (in einem Falle des gesamten Kreisamtes), das Aufstellen von „Wachen“ innerhalb der Gebäude sowie an den Zu- und Ausgängen führten zur erheblichen Beeinträchtigung der Dienstdurchführung bzw. zur Handlungsfähigkeit der Ämter.
Gegen Forderungen der eingedrungenen Personen, in Archive u.a. Unterlagen der Ämter, einschließlich Staatsgeheimnissen und anderen geheimzuhaltenden Informationen, Einsicht zu nehmen, wurde durch die Staatsanwälte und die Angehörigen der Deutschen Volkspolizei nicht mit der notwendigen Konsequenz eingeschritten.
In einigen Fällen erklärten sich die Dienststellen der Deutschen Volkspolizei außerstande, den Ersuchen von Ämtern um Maßnahmen zum Schutz von Objekten zu entsprechen.
(Es war alles in Auflösung und Angleicherei begriffen. Das MfS, bzw. dessen Nachfolger AfNS wollte man loswerden. Da nützten auch Angleichsversuche des AfNS selbst nichts. P.R.)
Diese Erscheinungen machen deutlich, dass das Zusammenwirken der Staatsorgane der (noch-)DDR seinerzeit nicht mehr den Forderungen entsprach und der Entwicklung Vorschub leistete, die zu Gesetzlosigkeit und Anarchie führen können. Erscheinungen von Gewalttätigkeit in diesem Zusammenhang konnten künftig nicht ausgeschlossen werden. (Es war tatsächlich soweit gekommen. P.R.)
Es wurde appelliert, dass auf Grund der damals bestehenden Lage es mehr, denn je erforderlich war, dass zur Gewährleistung nationaler Sicherheit, öffentlicher Ordnung und Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, das vertrauensvolle Zusammenwirken der Schutz-Sicherheits- und Rechtspflegeorgane unter allen Bedingungen gut funktionieren muss.
Über bekanntgewordene Hinweise zu massiven Gesetzesverletzungen, dazu gehört auch das gewaltsame Eindringen Unbefugter in Objekte des AfNS, sollte unverzüglich eine gemeinsame Verständigung erfolgen und auch gemeinsame Schritte überlegt und durchgeführt werden, wie die Rechtsstaatlichkeit gewährleistet, Staatsgeheimnisse geschützt, Anarchie und Gesetzlosigkeit unterbunden werden können; auf jeden Fall wäre immer zu prüfen, wie mit Kräften von Bürgerbewegungen (Auch da gab es Leute, die kein Interesse an Gesetzlosigkeit und Anarchie hatten. Nun ja, auf die Konterrevolutionäre setzen heißt, dass aufgegeben wurde. Nur nützte das den Geheimdienstleuten nichts mehr. P.R.) auch eine Sicherheitspartnerschaft in dieser Hinsicht angestrebt werden kann.
Dass ein Auseinanderdividieren der Schutz- und Sicherheits- sowie Rechtspflegeorgane erhebliche Gefahren für die Rechtssicherheit mit sich bringt, muss nicht besonders hervorgehoben werden; die gegenseitige Unterstützung oder Amtshilfe vor Ort ist deshalb unerlässlich; seitens der zuständigen Staatsanwälte wäre zu gewährleisten, dass in ihre Untersuchungs- und Ermittlungshandlungen keine unbefugten Personen einbezogen werden; soweit es erforderlich ist, dass gemeinsam mit Staatsanwälten Abgeordnete der Volksvertretungen, ihrer Organe und Mitglieder von Kommissionen die Objekte von Ämtern betreten, müsste die in jedem Falle mit dem Objektverantwortlichen abgestimmt werden; unter strikter Beachtung des Geheimnisschutzes müsste gesichert werden, dass diesen Personen nur solche Tatsachen zur Kenntnis gelangen, für die sie kompetent sind (Fragen der Wohnraumlenkung, Bausubstanz, Ver- und Entsorgung, Umweltprobleme u.ä.)
Von den Organen der Deutschen Volkspolizei wäre zu erwarten, dass sie in den Objekten nicht solche Handlungen vornehmen, die in die Aufgaben und Befugnisse der Ämter eingreifen und einen geordneten Dienstablauf behindern; Ersuchen der Ämter für Nationale Sicherheit um Amtshilfe, insbesondere bei Handlungen des Hausfriedensbruches und bei Gefahren der Verletzung der Festlegungen über den Geheimnisschutz, wäre grundsätzlich zu entsprechen.
Nachbemerkungen von Petra Reichel
Dieses „trocken“ zu lesende amtliche Papier veranschaulicht den Untergang der DDR. Die Angestellten der verschiedenen genannten Behörden taten nicht mehr das Selbstverständliche, das miteinander arbeiten und sich auszutauschen. Sie sahen die DDR untergehen und waren bestrebt von den Behörden eines eventuellen Nachfolgestaates oder, wie es gekommen ist, der nachfolgenden neuen Bundesländer übernommen zu werden.
Original-Dokument entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv, bearbeitet von Petra Reichel