Der Beginn der revolutionären Tätigkeit Lenins und Stalins

Nach der Niederlage der Pariser Kommune im Jahre 1871 fanden in Westeuropa bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts keine großen revolutionären Aktionen statt. Die Erste Internationale (die Internationale Arbeiter-Assoziation) fiel faktisch auseinander. In den einzelnen kapitalistischen Ländern (Frankreich, Deutschland, England) wurden selbstständige Arbeiterparteien geschaffen. Im Jahre 1889 vereinigten sich die Vertreter der Arbeiterparteien und organisierten die Zweite Internationale. Jedoch nach dem Tod von Engels im Jahre 1895 verstärkten sich in den Parteien der Zweiten Internationale die Elemente, die Anhänger einer Verständigung mit der Bourgeoisie waren. Die Führer der Zweiten Internationale und die von ihnen geleiteten Parteien verzichteten auf den revolutionären Kampf: sie waren der Ansicht, dass die Arbeiter ihre Forderungen auf friedlichem Wege durchsetzen können. Deshalb beharrten sie auf dem Weg der Reform, aber nicht der Revolution.

Vom Ende des 19. Jahrhunderts an verlagerte sich der Schwerpunkt des revolutionären Kampfes des Proletariats nach Russland. Die junge, aber sich schnell entwickelnde Arbeiterklasse Russlands begann den revolutionären Kampf gegen den Zarismus und gegen den Kapitalismus. Im Vergleich zu den Arbeitern in Westeuropa machte die russische Arbeiterklasse eine beschleunigte politische Erziehung durch. Unter den Verhältnissen des Zarismus verwandelten sich die Streiks schnell in Werkzeuge des politischen Kampfes des Proletariats, d.h. sie waren nicht nur gegen die Unternehmer, sondern auch gegen die Selbstherrschaft gerichtet.

Den revolutionären Kampf des Proletariats leitete von Beginn der 1890er Jahre Wladimir Iljitsch Lenin.

Wladimir Iljitsch Lenin
Entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1

Der künftige Führer des russischen und des Weltproletariats wurde am 10. (22.) April 1870 in Simbirsk (später Uljanowsk) geboren. Lenins Vater, Ilja Nikolajewitsch Uljanow, war Pädagoge. Er hatte große Achtung vor Tschernyschewskij und Dobroljubow und liebte besonders die Gedichte von Nekarassow. Die Liebe und Achtung gegenüber den revolutionären Demokraten übertrug Ilja Nikolajewitsch auch auf seine Kinder.

Die Familie Uljanow war groß und hielt zusammen. Der Vater erzog die Kinder zu wahrheitsliebenden, rechtschaffenen und arbeitsamen Menschen.

Lenins älterer Bruder Alexander war Revolutionär – „Narodowolez“. Im Jahre 1887 nahm er an dem Anschlag auf den Zaren Alexander III. teil, wurde verhaftet und hingerichtet.

Lenin hatte damals begriffen, dass für den Sieg der Revolution der Kampf einzelner Revolutionäre ungenügend, dass die Entwicklung der Massenbewegung der Werktätigen notwendig ist. „Nein, wir werden diesen Weg nicht beschreiten, nicht auf diesem Weg muss man gehen“, sagte Lenin nach der Hinrichtung seines Bruders.

Wladimir Iljitsch zeichnete sich von Kindheit an durch hervorragende Fähigkeiten aus. Er beendete erfolgreich- mit der Goldenen Medaille – das Gymnasium in Simbirsk und bezog im Jahre 1887 die Universität Kasan. Hier nahm der junge Lenin an den Studentenunruhen teil, wofür er anfangs verhaftet, später aber von der Universität ausgeschlossen und in das Dorf Kokuschkino verbannt wurde. Bei der Verhaftung entspann sich zwischen Lenin und dem Polizeioffizier folgendes Gespräch: „Wozu rebellieren Sie, junger Mann? Sie stehen vor einer Mauer.“- „Vor einer Mauer, ja, aber vor einer baufälligen, man braucht nur hineinzustoßen, da fällt sie zusammen“, antwortete ihm Lenin.

Nach einem Jahr wurde Lenin gestattet, sich wieder in Kasan niederzulassen. Hier nahm er an der Arbeit eines revolutionären Zirkels aktiven Anteil. Alle freie Zeit verbrachte Lenin hinter Büchern. Seine große Arbeitsfähigkeit, seine Beharrlichkeit und Diszipliniertheit bei der Arbeit erwarb sich Lenin schon in seinen Kinder- und Jugendjahren.

Im Jahre 1889 siedelte Wladimir Iljitsch nach Samara (später die Stadt Kujbyschew) über, wo er länger als vier Jahre lebte. Das waren Jahre des beharrlichen Lernens. Lenin, der sich auf den revolutionären Kampf vorbereitete, studierte gründlich die Arbeiten der Begründer des Marxismus. „Das Kommunistische Manifest“ von Marx und Engels übersetzte Lenin aus der deutschen in die russische Sprache, und es wurde dann in Lenins Übersetzung in den Zirkeln der Samarer revolutionären Jugend studiert. In Samara organisierte Lenin den ersten Marxistenzirkel, und dort bildete sich endgültig seine marxistisch-revolutionäre Weltanschauung. Auf der Grundlage eines sorgfältigen Studiums statistischen Materials schrieb Lenin seine erste wissenschaftliche Arbeit über die Bauernschaft in Russland. Aber Samara, wo es fast kein Proletariat gab, konnte keinen Spielraum für eine revolutionäre Betätigung bieten. Daher siedelte der 23jährige Lenin im Jahre 1893 nach der Hauptstadt Russlands, nach Petersburg, über, welches zugleich das größte proletarische Zentrum war.

Unter den Petersburger Marxisten nahm Lenin sofort eine führende Stellung ein. „Wir haben ihn einstimmig, widerspruchslos und stillschweigend als unseren Führer anerkannt“, so erzählt einer der Petersburger Marxisten. Durch sein gewaltiges Wissen zeichnete sich Lenin im Kreise aller jungen Marxisten aus. Aber besonders gewann er sich die Hörer des Zirkels durch eine tiefe Überzeugung und den glühenden Glauben an den Sieg der Arbeiterklasse. „Wir sahen, wir fühlten stets eine ungewöhnliche Kraft der Überzeugungen, einen tiefen Ideenreichtum in Ihm“. Erinnerte sich einer der Teilnehmer seines Zirkels. Wir sahen, dass er in allen seinen Überlegungen, was immer sie auch betrafen, nur von einem Gedanken ausging, von dem Gedanken des Kampfes der russischen Arbeiterklasse für die Revolution, für den Sozialismus; und dieser Idee gab er sich ganz hin, für Ihn gab es keine anderen Interessen außer jenen, die damit verbunden waren, kein anderes Leben außer jenem, das er völlig dieser Idee gewidmet hatte.“

Lenin trat entschlossen gegen die liberalen Volkstümmler auf, deren Ideen zu jener Zeit weit verbreitet waren. Er schrieb damals sein erstes großes theoretisches Werk: „Was sind die ‚Volksfreunde‘ und wie kämpfen sie gegen die Sozialdemokraten?“, in dem er die Anschauungen der Volkstümler einer vernichtenden Kritik unterzog. In dieser Broschüre sagte Lenin voraus, dass sich gerade das Proletariat an die Spitze des Kampfes um den Sturz der Selbstherrschaft, um die Liquidierung der Leibeigenschaft in Russland und um den Sieg der sozialistischen Revolution stellen wird.

Im Herbst 1893 stellte Lenin eine enge Verbindung mit den fortschrittlichen Petersburger Arbeitern her. Die Arbeiterbewegung tat zu jener Zeit einen neuen Schritt vorwärts.

Der industrielle Aufschwung der 1890er Jahre führte ein zahlenmäßiges Anwachsen der Großunternehmungen und der Arbeiterschaft herbei. Die Streikbewegung ergriff breitere Schichten der Arbeiter. Von 1895 bis 1899 streikten nicht weniger als 221 000 Arbeiter.

Zu jener Periode entstand in Petersburg unter Lenins Führung die revolutionäre Arbeiterorganisation unter der Bezeichnung „Kampfbund zur Befreiung der Arbeiterklasse“. Dieser „Kampfbund“ stellte, wie Lenin bemerkte, den ersten bedeutsamen Keim einer revolutionären Partei, die sich auf die Arbeiterbewegung stützt, dar.

Ende 1894 warf Lenin die Frage auf, dass es notwendig sei, von der Arbeit in den Zirkeln (von der Propaganda) zu einer umfassenderen Tätigkeit unter den Arbeitern (zur Agitation) überzugehen. Ungeachtet des Widerstandes eines Teiles der Intelligenzler wurde Lenins Vorschlag gutgeheißen.

Der „Kampfbund“ begann im Zusammenhang mit den Streiks in den einzelnen Betrieben Agitationsflugblätter herauszugeben.

Im Frühjahr 1895 führ Lenin ins Ausland, wo er mit Plechanow zusammentraf. Nach seiner Rückkehr nach Russland stellte die Polizei ihn und andere Mitglieder des „Kampfbundes“ unter verschärfte Beobachtung. In der Nacht vom 8. Zum 9. Dezember 1895 wurden bei vielen Mitgliedern des „Kampfbundes“ Haussuchungen durchgeführt, einige wurden verhaftet, darunter Lenin. Aber selbst aus dem Gefängnis setzte er die Leitung des „Kampfbundes“ fort. Von Ende 1895 an organisierte der „Kampfbund“ Streiks und leitete sie. Im Jahre 1896 wurde unter der Leitung des „Kampfbundes“ ein Streik organisiert, der 30 000 Petersburger Weber erfasste. Während des Streiks gab er „Kampfbund“ 13 Flugblätter heraus. Im Gefängnis schrieb Lenin eine Broschüre über die Streiks. Unter dem Einfluss der revolutionären Marxisten lernten die Arbeiter die politische Lage und die Aufgaben der Arbeiterklasse begreifen und den Kampf für ihre Interessen führen. Im Jahre 1897 wurde Lenin für drei Jahre nach dem Dorf Schuschenskoje im Gouvernement Jenissejsk verbannt. Im Gefängnis und in der Verbannung arbeitete er an dem Buch „Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland“. In ihm zeigte er, dass Russland auf dem kapitalistischen Weg fortschreitet und dass der Kapitalismus eine neue revolutionäre Macht – das Proletariat- erzeuge.

In dem von ihm verfassten Programmentwurf der Partei begründete er die Notwendigkeit des Kampfes der russischen Arbeiter für den demokratischen Aufbau des gesamten Lebens in Russland, der ihnen einen weiteren Kampf für den Sozialismus erleichtern würde. Diese Vereinigung demokratischer und sozialistischer Aufgaben im Programm der Arbeiterpartei fand ihren Widerhall auch in der Bezeichnung: „Sozialdemokratische Partei“. Der Versuch eine Partei zu gründen, war schon unternommen worden, als Lenin sich noch in der Verbannung befand. Im Jahre 1898 fand in Minsk die erste Tagung der Sozialdemokraten statt. Auf dieser Tagung wurde die Bildung der Russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei verkündet. Aber nach der Tagung wurden die Mitglieder des Zentralkomitees und die Mehrzahl der Teilnehmer am Parteitag verhaftet.

Jedoch konnten keinerlei Verfolgungen die sich schnell entwickelnde revolutionäre Bewegung in Russland aufhalten.

Lenin wies darauf hin, dass der Kapitalismus in Russland sich nicht nur in die Tiefe, sondern auch in die Breite entwickele. Dies bedeutete seine Verbreitung in neue Gebiete. Nach der Reform von 1861 wurde auch Transkaukasien in die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung mit hineingezogen. Dort entstanden die ersten Fabriken und Werke. Die Erdölstadt Baku, ein großes Industrie- und Arbeiterzentrum Transkaukasiens, fing an, sich schnell zu entwickeln. Eine wichtige ökonomische Bedeutung für den gesamten Kaukasus hatte der Bau der transkaukasischen Eisenbahn. Im Jahre 1871 wurde der Eisenbahnverkehr zwischen Poti und Tiflis eröffnet.

In Transkaukasien begann sich eine eigene Arbeiterklasse zu bilden. Eine große Rolle in der revolutionären Bewegung spielten die Eisenbahner. Vom Jahre 1887 an begannen die Arbeiter der Tifliser Eisenbahnwerkstätten als Anführer des Kampfes aufzutreten. Unter dem Einfluss der Arbeiterbewegung fingen auch die georgischen Bauern an, sich zum Kampf zu erheben. Der Führer und Leiter der Arbeiter und Bauern in Georgien und im gesamten Transkaukasien war von Ende der 1890er Jahre an J.W. Stalin.

Josef Wissarionowitsch Stalin
Entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1

Josef Wissarionnowitsch Stalin (Dshugaschwili) wurde am 9.(21.) Dezember 1879 in der Stadt Gori geboren. Sein Vater war Arbeiter in der Schuhfabrik in Tiflis, seine Mutter arbeitete als Tagelöhnerin.

Im Jahre 1894 absolvierte J.W. Stalin die geistliche Schule in Gori und trat in das geistliche Seminar in Tiflis ein. In dem Seminar verfolgten und erstickten viele Erzieher und Lehrer alles Lebendige. Stalin schrieb später darüber: „Ihre Hauptmethode ist die Bespitzelung, das Sicheinschleichen in die Seele, Verhöhnung. Was kann daran Positives sein? Zum Beispiel Spitzelei im Pensionat: um neun Uhr das Glockenzeichen zum Tee, wir gehen ins Esszimmer, und als wir dann wieder in unsere Zimmer kommen, stellt sich heraus, dass man während dieser Zeit eine Haussuchung vorgenommen und alle unsere Kästen mit den Sachen durchwühlt hat… Aus Protest gegen dieses System der Verhöhnung und die jesuitischen Methoden, die im Seminar herrschten, war ich bereit, Revolutionär zu werden und wurde tatsächlich Revolutionär, Anhänger des Marxismus als einer wirklich revolutionären Lehre.“

Vom 15. Lebensjahr an betätigte sich J.W. Stalin revolutionär, nachdem er sich mit der illegalen Gruppe der russischen Marxisten in Tiflis verbunden hatte. Im Seminar arbeitete er viel an seiner marxistischen Schulung. Bald begann J.W. Stalin selbst illegale marxistische Zirkel zu leiten, in denen die Werke von Marx und Engels, von Belinskij und Tschernyschewskij, von Pissarew und Plechanow studiert wurden. Einst wurde mit großer Mühe der erste Band des „Kapitals“ erworben, mit der Hand abgeschrieben und an Hand der handschriftlichen Kopie im Zirkel studiert.

Im Jahre 1898 machte sich Stalin mit Lenins Werken bekannt. Schon damals entstand in ihm der heiße Wunsch, mit dem Führer der russischen Arbeiterklasse persönlich bekannt zu werden. „Ich muss ihn sehen“, sagte er zu seinen Genossen.

Im Jahre 1899 wurde J.W. Stalin aus dem geistlichen Seminar wegen marxistischer Propaganda ausgeschlossen. Von dieser Zeit an wurde er Berufsrevolutionär und widmete alle seine Kräfte dem Kampf für die Sache der Arbeiterklasse.

Die Entwicklung des Kapitalismus und das Anwachsen der Arbeiterklasse in Georgien führte zur Entstehung der ersten marxistischen georgischen Organisationen. Den Marxismus in Transkaukasien begannen als erste die russischen Sozialdemokraten, die von der zaristischen Regierung dahin verschickt worden waren, zu verbreiten. Im Jahre 1893 war in Georgien die erste marxistischen Organisation „Messame-Dassi“ (die 3. Gruppe) entstanden. Ihr gehörten sowohl Anhänger eines entschlossenen Kampfes gegen den Zarismus als auch Gegner eines solchen offenen Kampfes der Arbeiterklasse an. Im Jahre 1898 schloss sich die revolutionäre Minderheit dieser Gruppe unter der Führung von Alexander Zulukidse, Lado Kezchoweli und Josef Stalin zusammen, welche von der engen Propaganda innerhalb der Zirkel zur Massenagitation und zum politischen Kampf gegen die Selbstherrschaft überging. Die Organisation spaltete sich. Die revolutionäre Minderheit, geführt von J.W. Stalin, bildete eine neue marxistische Gruppe, die die Keimzelle der revolutionären sozialdemokratischen (der künftigen bolschewistischen) Organisation in Transkaukasien war.

Entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1 aus dem Jahre 1947, bearbeitet von Petra Reichel

 

Original-Autorin: Anna Michailowna Pankratowa

Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1

Das Anwachsen des Kapitalismus in Russland nach der Reform des Jahres 1861

Das zaristische Russland beschritt später als die Länder Westeuropas den Weg der kapitalistischen Entwicklung. Zu jener Zeit, als im Westen – in England, Frankreich und Deutschland – die Maschinengroßindustrie schnell anwuchs und mit ihr zusammen auch das Proletariat, herrschte in Russland noch die wenig produktive, unfreiwillige Leibeigenenarbeit. Nach der Reform des Jahres 1861 begann sich der Kapitalismus in der Industrie und der Landwirtschaft schneller zu entwickeln.

In den ersten Jahrzehnten nach der Reform wurden vor allem im Eisenbahnbau Kapitalien investiert. Von 1861 bis 1881 wurden mehr als 19 000 Kilometer Eisenbahnen gebaut. Für den Eisenbahnbau waren Stahl- und Eisenerzeugnisse notwendig. Dies bewirkte eine Belebung der metallurgischen und eisenverarbeitenden Industrie.

Im Jahre 1871 wurde der erste Hochoffen in der Ukraine in Jusoka (später Stalino) angeblasen.

(Die Stadt wurde 1924 zu Ehren Stalins in Stalino umbenannt. Nach dem Tod Stalins und als Stalin verdammt wurde, hatte man im Jahre 1961 die Stadt in Donezk umbenannt. Diese Stadt liegt im Donbas. Von 2014 bis 2022 war Donezk die Hauptstadt der Volksrepublik Donezk, die mit Russland verbündet war. Seit 2022  gehört die Volksrepublik Donezk zur Russischen Föderation, wobei Donezk weiterhin ihre Hauptstadt ist. Die Ukraine beansprucht dieses Gebiet für sich.  Siehe Wikipedia und den KI-Text P.R.) Für KI-Text Stalino im Browser eingeben.

Die im Süden gelegenen Werke begannen Schienen und andere Gegenstände für den Eisenbahnbau herzustellen, die früher aus dem Ausland eingeführt wurden. Die Förderung von Steinkohle in der Ukraine erhöhte sich in der gleichen Zeit um das 15fache.

Im Süden Russlands entstand ein neuer Industriebezirk: das Donez-Steinkohlebecken (Donbass).

Im Kaukasus entwickelte sich im schnellen Tempo der Bakuer Erdölbezirk, in dem der wertvolle flüssige Brennstoff: das Erdöl, gewonnen wurde. Es entwickelten sich und erstarkten solche Industriezentren wie Petersburg, Moskau, Jekaterinoslaw (später Dnjeproetrowsk), Rostow, Charkow, Odessa.

Im Kaukasus entwickelte sich im schnellen Tempo der Bakuer Erdölbezirk, in dem der wertvolle flüssige Brennstoff: das Erdöl, gewonnen wurde. Es entwickelten sich und erstarkten solche Industriezentren wie Petersburg, Moskau, Jekaterinoslaw (später Dnjeproetrowsk), Rostow, Charkow, Odessa.

Die Abschaffung der Leibeigenschaft begünstigte das Eindringen des Kapitalismus auch auf dem Land. Die Gutswirtschaften verwandelten sich allmählich in kapitalistischen Wirtschaften. Ein Teil der Gutsbesitzer konnte sich den neuen Verhältnissen nicht anpassen und wurde ruiniert. Ihr Land kauften die Kulaken (die reichen Bauern) auf. Im Dorf nahm die Klassenschichtung zu. Es sonderte sich der kleine Teil der reichen Bauern, der Kulaken aus; die Mehrzahl der Bauern setzte sich aus armen Kleinbauern und Mittelbauern zusammen.

Die Gutsbesitzer verpachteten das Land in großen Flächen an die Kulaken für einige Jahre, die Kulaken ihrerseits verpachteten es an die mittellosen Bauern gewöhnlich auf ein Jahr. Der Mangel an Land bei der übergroßen Masse der Bauern zwang sie, Land zu pachten oder sich als Knechte den Kulaken und Gutsbesitzern zu verdingen. Für die Pacht mussten die Bauern mit ihrem eigenen Inventar das Land des Gutsbesitzers oder des Kulaken bearbeiten. Es waren dies die alten leibeigenen Frondienste in der neuen Form der Abarbeit. Eine andere Form dieses Frondienstes war die Halbpacht, bei der die Bauern für das gepachtete Land die Hälfte ihres Ernteertrages in natura abgeben mussten. Das Ergebnis war, dass die Bauern ruiniert wurden und viele als Knechte sich verdingten oder in die Stadt nach Arbeit gingen. Die Überbleibsel der Leibeigenschaft hinderten die Entwicklung des Kapitalismus. Dies hatte zur Folge, dass Russland hinter den anderen kapitalistischen Ländern zurückblieb.

Nichtsdestoweniger entwickelte sich der Kapitalismus in Russland unaufhaltsam weiter. Lenin schrieb, indem er das Fazit aus den Erfolgen des Kapitalismus am Ende des 19. Jahrhunderts zog: „Das Russland des Hakenpfluges und des Dreschflegels, der Wassermühle und des Handwebstuhles begann sich schnell in das Russland des Pfluges und der Dreschmaschine, der Dampfmühle und des Dampfwebstuhles zu verwandeln.“

Mit der Entwicklung des Kapitalismus in Russland war, wie auch in anderen Ländern, das Aufkommen der Arbeiterklasse und das Entstehen einer Arbeiterbewegung verbunden. Als Ergebnis der Reform des Jahres 1861 wurden 10 Millionen Bauern von der leibeigenen Abhängigkeit befreit. Viele von ihnen gingen, da sie nicht mit Land versorgt waren, in die Fabriken und Werke, zu den Eisenbahnarbeiten, zu verschiedenen Bauunternehmen, sowie als Knechte zu den Kulaken und Gutsbesitzern. Innerhalb von 20 Jahren (1861 bis 1881) verdoppelte sich die Zahl der Arbeiter in Russland und stieg auf 668 000. Die neuen Unternehmungen zeichneten sich durch große Ausmaße aus. Ende des 19. Jahrhunderts waren auf den Unternehmungen mit mehr als je 1000 Arbeitern mehr als ein Drittel sämtlicher Arbeiter Russlands beschäftigt. Die gemeinsame Arbeit in großen Unternehmungen begünstigte den Zusammenschluss der Arbeiterschaft, und der gemeinsame Kampf gegen die Ausbeuter entwickelte in ihnen kämpferische, revolutionäre Eigenschaften. Auf diese Weise formte sich eine neue Gesellschaftsklasse: das Proletariat, das sich von Grund aus von den leibeigenen Arbeitern und kleinen Handwerkern unterschied.

Die Arbeitsbedingungen der Arbeiter waren äußerst schwer. Der Arbeitstag war nicht gesetzlich geregelt. Nicht selten erreichte er 15 bis 16 Stunden. Der Arbeitslohn war erbärmlich. Besonders niedrig wurde die Frauenarbeit bezahlt. Für eine der Männerarbeit gleichwertige Arbeit erhielt die Frau einen geringeren Arbeitslohn. Die Arbeit der Jugendlichen und Kinder wurde noch schlechter bezahlt. Die Arbeit der Jugendlichen z.B. in der Krenholmer Textilmanufaktur dauerte von früh vier Uhr bist acht Uhr abends. Bei einer 16stündigen Tagesarbeit erhielten sie 4 Rubel im Monat. Aber ausgezahlt bekamen sie nur 8 Kopeken. Der Eigentümer der Fabrik behielt für Unterhalt der Jugendlichen 6 Rubel und 50 Kopeken im Monat ein. Auf diese Weise blieb der jugendliche Arbeiter dem Fabrikanten, nachdem er einen Monat gearbeitet hatte, noch 2 Rubel 58 Kopeken schuldig. Diese Schuld musste er abarbeiten, sobald er ein selbstständiger Arbeiter geworden war.

Die Fabrikanten bestraften die Arbeiter erbarmungslos. Die Strafen wurden völlig willkürlich auferlegt. Oft betrogen die Fabrikanten die Arbeiter bei der Auszahlung des Arbeitslohnes, gaben ihnen an Stelle von Geld minderwertige Produkte aus dem Fabrikladen und berechneten sie zwei- bis dreimal teurer, als diese auf dem Markt kosteten. Außerordentlich schlecht waren die Wohnverhältnisse. In jeder der kleinen Kammern der Arbeiterkasernen waren mehrere Familien untergebracht.

Über die unerträgliche Lage der Arbeiter gibt die Semstwo-Sanitätskommission, die zu Beginn der 1880er Jahre in Ursachen der Arbeiterunruhen in der Chludowmanufaktur (an der Station Jarzewo der Moskau-Brester Eisenbahnlinie gelegen) untersuchte, in ihrem Bericht Zeugnis:

„Die Millionenfabrik (Chludows), eine Brutstätte jedweder Seuche, erscheint zur gleichen Zeit als das Muster der erbarmungslosen Ausbeutung der Volksarbeit durch das Kapital. Die Arbeit in der Fabrik findet unter äußerst ungünstigen Bedingungen statt: Die Arbeiter müssen den Baumwollstaub einatmen, sind der Einwirkung der erdrückenden Hitze bis 28,2 O R. ausgesetzt und haben auch noch den erstickenden Geruch zu ertragen, der aus den schlecht angelegten Retiraden sich verbreitet. Die Fabrikleitung erklärte, dass sie keine Verbesserung dieser Retiraden aus dem Grunde vornimmt, weil im entgegengesetzten Falle, bei der Abstellung der üblen Ausdünstungen, diese Orte sich in Erholungsorte für die Arbeiter verwandelt würden, und man diese dann von dort mit Gewalt herausjagen müsste. Wie müssen die Lebens- und Arbeitsbedingungen in dieser Fabrik gewesen sein, wenn sogar die Retiraden zu Erholungsorten werden konnten!

Tag und Nacht wird gearbeitet. Jeder muss zwei Schichten am Tag arbeiten, alle sechs Stunden wird Pause gemacht, so dass der Arbeiter niemals ganz ausschlafen kann. Die Arbeiter werden in der Nähe der Fabrik in einem großen feuchten Gebäude in der dritten Etage untergebracht, das, gleich einer gewaltigen Menagerie, in Käfige und Kammern eingeteilt ist, die schmutzig und stinkig, von dem Geruch der Aborte (altes Wort für Toilette P.R.) geschwängert sind. In diese Kammern sind die Bewohner hineingepfropft, wie Heringe in der Tonne.“

Die Arbeiter in der Fabrik Chludows wurden auf ein Jahr gedungen. In ihren Arbeitsbüchern war angegeben, dass sie nicht das Recht hatten, die Fabrik vor Ablauf eines Jahres zu verlassen. Die Fabrikverwaltung aber konnte den Arbeiter zu jeder beliebigen Zeit auf die Straße setzen. Den Lohn erhielten die Arbeiter nicht in Gestalt von Geld, sondern in Gestalt von Lebensmitteln und Kleidung aus dem Laden des Arbeitgebers.

Einer besonders grausamen Ausbeutung waren in dieser Fabrik die Kinder und Jugendlichen, die fast die Hälfte der gesamten Belegschaft ausmachten, ausgesetzt. Laut Zeugnis des Semstwoarztes waren die Kinder so überanstrengt, dass sie bei einer als Folge einer Körperversetzung etwa notwendig machenden Operation ohne jede Narkose einschliefen.

Strafen und Abzüge jeglicher Art verringerten den Arbeitslohn um einen beträchtlichen Teil.

Die Lage der Arbeiter in der Fabrik Chludows war kein Ausnahmefall.

Eine fürchterliche Ausbeutung der Arbeiter in den Fabriken und Werken des zaristischen Russlands war eine übliche und überall anzutreffende Erscheinung. Sie verschaffte den Fabrikanten und Werkbesitzern gewaltige Profite, die Arbeiter überanstrengte sie, machte sie zu Invaliden und führte zu vorzeitigem Tod. In Russland, wie auch überall, wuchs der Kapitalismus auf den Knochen und dem Blut der Arbeiter.

Entnommen aus dem Buch „Das Sowjetland“, Band 1 aus dem Jahre 1947, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Autorin: Anna Michailowna Pankratowa

Original-Text aus dem Buch „Das Sowjetland“