
Vergleich Montagsdemo Halle Geheimdienst – und Polizeibericht sowie des MfS Dresden
- Vergleichen Sie Inhalt und Stil der Dokumente 4 und 5 (Fernschreiben des MfS Dresden nach Berlin und der Bericht des MfS Halle an die SED-Kreisleitung) Fassen Sie Unterschiede und Gemeinsamkeiten zusammen. Versuchen Sie Erklärungen für die Unterschiede zu finden. Besprechen Sie die Ergebnisse in der Gruppe.
- Die Dokumente 5 und 6, sind der Geheimdienstbericht (des MfS) und der Polizeibericht. Es sind verschiedene Berichte zu ein und demselben Ereignis. Arbeiten Sie durch Vergleiche heraus, welche Eindrücke der Verfasser von Dokument 5 (Bericht an die SED) beim Leser erwecken wollte.
- Charakterisieren Sie die in den Berichten Dok.5 und 6, also dem Polizeibericht und dem Geheimdienstbericht, geschilderten Verhaltensweisen der kirchlichen Amtsträger während der Ereignisse am 09.Oktober 1989 in Halle. Erörtern Sie die Gründe für das Verhalten. Beachten Sie dabei, wer die Berichte verfasst hatte.
- Auch in Demokratien, wie der Bundesrepublik Deutschland, kann es vorkommen, dass Polizeikräfte gewaltsam gegen Demonstranten vorgehen. Diskutieren Sie in der Gruppe, worin Sie Unterschiede zum Vorgehen der DDR-Sicherheitskräfte sehen.
Dokument 4
Dokument 5
Dokument 6
Diese Aufgaben sind knifflig. Es geht einmal um den Polizeibericht und den Geheimdienstbericht zur Montagsdemo am 10.10.1989 in Halle. Das soll verglichen werden. Dann kommt noch der Geheimdienstbericht von Dresden ins Spiel, der auch verglichen werden muss.
In den Beiträgen habe ich mich mehr auf den Geheimdienstbericht konzentriert, was Halle angeht, da es sich um einunddasselbe Ereignis handelt. Erst bei der Lösung der Aufgaben sind mir die Unterschiede bewusst geworden. Der Geheimdienstbericht von Dresden war MfS-intern. Der Geheimdienstbericht von Halle ging an die SED-Kreisleitung und war subjektiv abgefasst.
Den Geheimdienstbericht von Dresden habe ich extra abgefasst, da es sich um ein anderes Ereignis handelt. Da dieser Bericht MfS-intern war, wurde dieser nüchtern-sachlich abgefasst.
Petra Reichel
Antwort zu Aufgabe 1
Das Schreiben des MfS-Dresden (Dokument 4) ist nüchtern-sachlich abgefasst. Die Kirchen, wo die Veranstaltungen stattfanden, wurden genannt und die Forderungen von Demonstranten aufgelistet. In Dresden gab es laut diesem Bericht keine „feindlich-negative“ oder „provozierende Vorkommnisse“. Es war ein MfS internes Schreiben. Man konnte dabei nüchtern-sachlich bleiben.
Das Schreiben der MfS-Kreisdienststelle Halle an die SED-Kreisleitung (Dokument 5) enthält die Meinung des Verfassers. Es wird von internen Quellen berichtet, die vor Störungshandlungen warnen. Es wird über einen Sicherungseinsatz in Zusammenarbeit mit der Volkspolizei und den Kampfgruppen der Arbeiterklasse berichtet. Der Hauptfokus wird auf „feindlich-negative Kräfte“ und „dekadenter Jugendlicher“ gerichtet. Das werden die Demonstranten mit dem Inhalt ihrer Transparente genannt. Die mitwirkenden Pfarrer werden genannt. Die rebellischen Jugendlichen waren aber eine Nebenhandlung, die das Ereignis ausnutzten. Das MfS sah es aber anders.
Es wird eine Mitarbeiterin der Kaderabteilung (Personalabteilung) der HO (eine Handelskette in der DDR) genannt, die neben anderen Personen vorläufig festgenommen wurde, im DDR-Amtsdeutsch „zugeführt“ wurde.
Die Amtspersonen der Kirche machten laut diesem Bericht erst verspätet ihren Einfluss geltend, dass die Versammlung ordnungsgemäß aufgelöst wurde. Im Bericht werden Amtspersonen der Kirche beschuldigt die rebellischen Jugendlichen zu ihren Aktionen ermuntert zu haben.
Laut Bericht wurde durch das konsequente Handeln der Sicherungskräfte die beabsichtigte Konfrontation unterbunden.
Antwort auf Aufgabe 2
Welchen Eindruck wollte der Verfasser des Schreibens der Kreisdienststelle des MfS (Bericht an die SED-Kreisleitung) (Dokument 5) beim Leser erwecken? Der Verfasser war ein Oberstleutnant Thomas. Ob er noch lebt? Leider besteht nicht die Möglichkeit ihn selbst zu fragen, was ja der Fairness dienen würde. So äußere ich meine, in der Aufgabe geforderte, Meinung.
Der Fokus wurde auf die rebellischen Jugendlichen gerichtet. Allerdings nutzten diese nur die Veranstaltung um zu provozieren und über die Stränge zu schlagen. Ihre Aktion war ein Nebenereignis. Das Beschuldigen der kirchlichen Amtspersonen für zu spätes Eingreifen wäre nicht nötig gewesen. Dass es mehrheitlich unbescholtene Bürgerinnen und Bürger waren, welche die Veranstaltung in der Kirche besuchten, war das Hauptereignis. Das ist in diesem Schreiben untergegangen.
Der Verfasser wollte vermutlich vor der SED-Kreisleitung das Ereignis verharmlosen und „gut dastehen“. Von unzufriedenen Bürgerinnen und Bürgern sollte die SED-Kreisleitung keine Kenntnis erhalten. Warum auch immer. Im Schlusssatz wurde vermittelt: „Wir haben die Lage im Griff.“
Die Festnahme der Mitarbeiterin der Kaderabteilung (Personalabteilung) der HO (Handelskette in der DDR) Industriewaren ist in diesem Schreiben herausgestellt worden. Warum war diese Person so wichtig, dass man dies der SED-Kreisleitung mitteilen musste? War sie SED-Mitglied? Wenn ja, wurde sie als einzelne Person hingestellt, die sich parteischädigend verhalten hatte. Nur sie war dann von Disziplinarmaßnahmen betroffen. So machte man es sich einfach. Es ist die Frage, ob sie ins Gegnerlager übergelaufen ist oder sich nur ihrer Unzufriedenheit Luft machen wollte und es dabei übertrieben hatte. Doch man machte sich wohl nicht die Mühe das herauszufinden. Es war einfacher Disziplinarmaßnahmen zu verhängen. Das machte diese Frau noch unzufriedener und ließ sie tatsächlich ins Gegnerlager überlaufen.
In Halle wurde die Aktion der rebellischen Jugendlichen aufgebauscht. In Dresden wird wohl ähnliches als Nebenhandlungen passiert sein, aber das wurde nicht wichtig genommen. Da wurde der Bericht an das MfS in Berlin nüchtern-sachlich abgefasst.
Der Polizeibericht über den Sicherungseinsatz vom 09.10.1989, von 16:30 bis 22:00 Uhr ist nüchtern sachlich abgefasst.
Gegnerische Personen werden benannt, hier aus heutigen Datenschutzgründen geschwärzt.
Es wird erwähnt, dass eine Demo außerhalb der Kirche geplant war. Man hatte Angst vor möglichem gewalttätigen Einschreiten der Volkspolizei. Die Kirche öffnete die Türen für Schutzsuchende. (Menschenskind, die wissen gar nicht, was gewalttätiges Einschreiten der Polizei ist.)
Die Sicherung wird beschrieben.
Über ein Gespräch mit Kirchenvertretern wird berichtet und die Aufforderung ein draußenhängendes Transparent zu entfernen. (Damals war es nur in privaten Innenräumen, wozu Kirchenräume zählten, zulässig solcherart Transparente aufzuhängen.)
Es wird über kleine Auseinandersetzungen berichtet, wobei es zu ersten Festnahmen kam. Es werden zwei Leute genannt, wobei einer unter Alkoholeinfluss stand. Womöglich ging es diesen Leuten ums Krawallmachen, wobei sie die ersten konterrevolutionären Ereignisse ausnutzten.
Nochmal wird ein Plakat erwähnt, das Leute mit aus der Kirche genommen haben. Nach Aufforderung brachten sie es wieder in die Kirche zurück.
Nun kommt auch in diesem Bericht, die bereits im Bericht des MfS an die SED-Kreisleitung, benannte Frau vor, die damals in der Kaderabteilung (Personalabteilung) der HO (Handelskette in der DDR) Industriewaren arbeitete. Hier ist ersichtlich, dass sie für das „Neue Forum“ aktiv war. Also war sie bereits eine Gegnerin. Sie leistete Widerstand und der Schlagstock kam zum Einsatz.
Dann werden noch eine Sachbearbeiterin und eine Sekretärin im Bereich Medizin (vermutlich eine Arztsekretärin) benannt. Diese Frauen leisteten Widerstand, zeigten sich später aber einsichtig.
Diese Widerstandshandlungen ereigneten sich in Halle in Höhe des Kaufhauses „1000 kleine Dinge“.
An anderer Stelle ist ein Ingenieur vorläufig festgenommen worden, der, nach eigenen Angaben, als Abgeordneter beim Rat des Stadtbezirkes Halle/Ost tätig war. Es ist nicht sicher, ob er tatsächlich ein Abgeordneter war, weil im Bericht mit „..nach eigenen Angaben..“ eingeschränkt wird. Er könnte ein Hochstapler sein. Falls er doch Abgeordneter war, gehörte er vermutlich einer Blockpartei an. Denn das MfS interessierte sich nicht für diesen Mann. Hätte er der SED angehört, hätte das MfS an die SED-Kreisleitung gemeldet. Das MfS interessierte sich ohnehin nur für den Ereignisort Kirche, aber nicht für die anderen, im Polizeibericht aufgeführten Ereignisorte.
Insgesamt wurden 41 Leute vorläufig festgenommen. Über den Einsatz und Befehl zum Einsatz des Schlagstockes wird berichtet. Eine Frau, bereits oben erwähnt, aus heutigen Datenschutzgründen geschwärzt, ist beim Schlagstockeinsatz verletzt worden. Aus dem Zusammenhang erkennt man, dass es sich um die um die renitente Frau handelt, die in der Kaderabteilung (Personalabteilung) der HO (Handelskette in der DDR) Industriewaren arbeitete.
Soweit in Kürze der Polizeibericht.
Antwort zu Aufgabe 3
Hier wird nochmal der Vergleich zwischen dem Geheimdienst- und Polizeibericht betreffs der Verhaltensweisen der Amtsträger der Kirche gefordert. Bei der Lösung der vorigen Aufgaben ist das bereits eingeflossen. Hier nochmal.
Der Bericht des MfS ist subjektiv. Die Amtspersonen der Kirche machten laut diesem Bericht erst verspätet ihren Einfluss geltend, dass die Versammlung ordnungsgemäß aufgelöst wurde. Im Bericht werden Amtspersonen der Kirche beschuldigt die rebellischen Jugendlichen zu ihren Aktionen ermuntert zu haben.
Der Verfasser, Oberstleutnant Thomas, wollte vermutlich vor der SED-Kreisleitung gut dastehen. Er lenkte von der Unzufriedenheit der Bevölkerung ab.
Der Polizeibericht ist nüchtern sachlich über Gespräche mit den anwesenden Kirchenvertretern und dass durch Aufforderung die in der Öffentlichkeit illegalen Transparente entfernt und in den Innenraum gebracht wurden, berichtet worden.
Antwort zu Aufgabe 4
Na, das ist ja sinnig. Was in damals in der DDR abging, war harmlos gegen das, was heute los ist, wenn sich der Staat angegriffen fühlt. Die Volkspolizei der DDR war nicht derart ausgerüstet, wie heutige Spezialeinheiten. Die Sonderausrüstung der Volkspolizei gab es erst im Verlaufe der konterevolutionären Ereignisse. In diesem Bericht wird eine Verletzte genannt. (Vermutlich diese renitente Frau.) Heute gibt es mehr Verletzte, wenn die Spezialeinheiten zuschlagen. Dabei wurde damals tatsächlich der Staat aus den Angeln gehoben. Das ist heute undenkbar. Wenn sich heute der Staat angegriffen fühlt, wird zugeschlagen und Festnahmen durchgeführt.
Siehe auch folgende Beiträge:
Siehe Beitrag „Wurden in der DDR Demonstranten misshandelt?“ in „Was war die DDR?“ Bitte auch den Nachtrag des Zeitzeugen Gernot Budach lesen.
Ich erinnere an Phillip Müller, ein Kommunist aus der alten BRD, der am 11. Mai 1952 auf einer Demonstration in Essen von der Polizei erschossen wurde. Siehe Beiträge in DIE TROMMLER-ARCHIV und Kalter Krieg und „Entspannungspolitik“. In der DDR wurden Straßen nach Phillip Müller benannt. Diese Namensgebung fiel nach der Konterrevolution und Annexion der DDR durch die BRD der Schilderstürmerei zum Opfer.
Aufgaben entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv

Ein Kommentar zu „Arbeitsaufträge 2“