Über ein Gespräch am Landestheater Halle in Reaktion auf einen Brief des Landestheaters

In diesem Brief wurde von dem Auffliegen eines ehemaligen IM (ehrenamtlich Undercover Agierender P.R.) und in diesem Zusammenhang bestehenden Fragen zur Arbeit und weiteren Perspektive des AfNS am Landestheater Halle aufgeworfen.

Das Gespräch fand am 30.11.1989 in der Zeit von 15:00 Uhr bis 16:30 statt. Es nahmen teil:

  • Leiter des Händelfestspielorchesters
  • Sängerdarsteller, Leiter der Gruppe „theatro mobile“
  • Regieassistentin Musiktheater, Volkskammerabgeordnete – CDU-Mitglied
  • Operndirektor

 

 

Seitens des Bezirksamtes des AfNS nahmen ein Mitarbeiter und der Unterzeichner teil.

Einleitend bezog der Mitarbeiter des AfNS zum Inhalt des Briefes Stellung. Den Vertretern des Landestheaters Halle wurde erklärt, dass die frühere Notwendigkeit der Präsenz von Mitarbeitern des MfS nicht mehr existiert, da sich die Aufgabenstellungen verändert haben, bzw. hinfällig sind.

In der Diskussion wurde die Zusicherung des AfNS-Mitarbeiters abverlangt, dass keine Informanten mehr am Landestheater mehr tätig sind. Anderseits wurde vereinbart, dass unter keinen Umständen die Quellen des MfS/AfNS preisgegeben werden.

Bezugnehmend auf die Stimmungen/Meinungen gegen Mitarbeiter des AfNS bzw. dem Leumund als Sicherheitsorgan und seine Befugnisse machte der Vertreter des AfNS folgende Angaben:

Auch bei den Mitarbeitern des AfNS herrsche Enttäuschung über die bisherige Partei- und Staatsführung sowie die dem MfS übertragene Sicherheitsdoktrin, die zweifelsohne eine Allgemeingegenwärtigkeit des MfS und damit eine Verängstigung in der Bevölkerung hervorrief. (Ach du liebes Bisschen. Da wurde sich schnell umgedreht. Die bis heute umlaufenden Hetzparolen gegen das MfS wurden hier wiedergegeben. Das konnte ja nur das Ende sein. P.R.)

Bezugnehmend auf die Regierungserklärung und die bisherigen öffentlichen Verlautbarungen des Leiters des AfNS wurde auf den neuen Charakter des Amtes verwiesen, der sich nicht mehr als „Schild und Schwert der Partei“ versteht, sondern als Sicherheitsorgan der Regierung und den entsprechenden gesetzlichen Grundlagen verpflichtet ist. (Nun gut, dass das MfS sich „Schild und Schwert der Partei“ nannte, finde ich auch kritikwürdig. Das MfS war doch für den gesamten Staat und seine Bevölkerung da. Es gab auch IM, die nicht der SED angehörten. Aber in der Zeit der Konterrevolution ging es nicht darum, sondern um den Geheimdienst als Diener eines bürgerlichen Staates umzuformen. P.R.)

Zunächst erläutert der Vertreter des AfNS (der sich immernoch Genosse nannte P.R.), dass sich von bisherigen Mitteln abkehrt, aber andererseits bei den Geheimdienstmethoden bleibt, wie sie in aller Welt üblich sind. Dann nochmal die Betonung, dass sich die geheimdienstlichen Mittel nicht auf Andersdenkende beziehen würden. (Ach nee, Geheimdienste schnüffeln weltweit Andersdenkende aus, sofern sie transparent handeln. Was ist das denn bitteschön für eine Aussage? Das ist doch ohnehin alles ein Geschwurbele, seil man noch nicht wusste, wohin die Richtung geht. P.R.)

Als Erfordernis einer schnellstmöglichen Herausbildung einer Vertrauensbasis in der Bevölkerung zum AfNS sollte der schnellstmögliche Abbau von Personal und materiellen Ressourcen und der Offenlegung von Zahlen dienen. Es wurde um Verständnis gebeten, dass man keine konkreten Angaben machen konnte, da dieser Prozess auf zentraler Ebene entschieden wurde.

Gegen Ende des Gesprächs wurde der seitens der Angehörigen des Landestheaters der Vorschlag gemacht, dass eine Diskussion zu diesem Thema und eine klare Stellungnahme durch Mitarbeiter des AfNS in einem größeren Rahmen stattfinden sollte.

Einschätzung des Gesprächsverlaufs:

Das Gespräch verlief in einer offenen, kritischen und sachlichen Atmosphäre. An der Diskussion beteiligten sich alle Anwesenden. Es wurde Übereinstimmung erzielt über die weitere Notwendigkeit und Existenzberechtigung eines Sicherheitsorgans. (Na denn…P.R.)

Im Original-Dokument wird die neue Behörde mit ANS und nicht, wie später üblich mit AfNS abgekürzt. Ich habe die später übliche und allgemein bekannte Abkürzung AfNS verwendet. P.R.

Original-Dokument entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv, bearbeitet von Petra Reichel

2 Kommentare zu „Über ein Gespräch am Landestheater Halle in Reaktion auf einen Brief des Landestheaters

Hinterlasse einen Kommentar