Schreiben der Konferenz der evangelischen Kirchen an Erich Honecker vom 08.09.1989

Die Konferenz der Kirchenleitungen teilt in ihrem Brief an Erich Honecker die Sorge betreffs der Massenflucht über Ungarn mit und prangert Versuche die Ausreise aus der DDR zu erzwingen an.

Die Konferenz beschreibt ihre Ratlosigkeit und weiß keine Rezepte für eine kurzfristige Lösung der Problematik.

Es wird auf Überfällige Reformen hingewiesen. („Reform“, was heißt das schon? Wir wissen doch, dass „Reform“ schon lange, einschließlich 1989 nicht Gutes bedeutet. P.R.)

Die aufgelisteten Forderungen klingen vernünftig, denn es geht da tatsächlich um Defizite in der DDR. Z.B.

  • offene und wirklichkeitsnahe Diskussionen über die allgemeine Unzufriedenheit in der DDR
  • kritische Einwände von Bürgerinnen und Bürgern der DDR zu berücksichtigen und zum Wohle aller in erkennbaren Veränderungen wirksam werden zu lassen
  • Änderung der Medienpolitik
  • besserer Umgang der Behörden mit den Bürgerinnen und Bürgern Reisemöglichkeiten in alle Länder
  • ehemaligen Bürgerinnen und Bürgern der DDR, die in ein anderes Land übergesiedelt sind die Rückkehr zu ermöglichen.  (Zu dieser Thematik siehe Schwesterblog „Aufnahmeheim Röntgental“. P.R.)

Die Konferenz weist nochmal darauf hin das nur durch Offenheit und Hörbereitschaft Kräfte zu gewinnen seien, die zur Lösung der Probleme gebraucht werden.

Die Konferenz war sich dessen bewusst, dass dies ein langwieriger Prozess sein wird und in diesen Prozess auch die Veränderungsbereitschaft anderer einbezogen werden muss. Dabei wird die  BRD genannt. (In der BRD haben maßgebende Kräfte die Gunst der Stunde genutzt. Da ging es nicht mehr um Verhandlungen, sondern um das Befeuern der Konterrevolution. P.R.)                                                     Im vorletzten Abschnitt des Schreibens teilt die Konferenz mit, dass man auch bedenken muss, was es für die Kirchengemeinden bedeutet, wenn die Menschen ihre Heimat verlassen. Dieses Schreiben ist den Gemeindemitgliedern zur Kenntnis gegeben worden, um anzuregen über die Problematik nachzudenken.

Als letztes wird auf das Handeln der Christen eingegangen, wobei erkennbar sein soll, dass sie selbst bereit sind, sich zu verändern und in der Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen.

Werner Leich als Vorsitzender der Konferenz der Kirchenleitungen hat diesen Brief an Erich Honecker unterzeichnet.

Entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“ Herausgeber Bundesarchiv, Stasi Unterlagen-Archiv, bearbeitet von Petra Reichel

Nachbemerkungen von Petra Reichel:

Zum Einen klingt dieses Schreiben vernünftig. Die aufgelisteten Forderungen klingen vernünftig. Andererseits sind die Floskeln „sich zu verändern“, „in der Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen“ wiederrum verschieden auslegbar. Solche Floskeln hörte man auch in der alten BRD und hört man auch heute.  Es sieht aus, als hätte die Kirche ein „Hintertürchen“ offengelassen um flexibel zu reagieren. Egal, was da komme.

Original-Dokument, entnommen aus der Broschüre „Die Stasi in der Friedlichen Revolution“, Herausgeber Bundesarchiv Stasi Unterlagen-Archiv

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